Kreis Pinneberg. Vor 20 Jahren gab es die größte Währungsumstellung der Geschichte. Warum die D-Mark trotzdem nicht wertlos ist.

Im City Center Elmshorn hütet Stephan Finger einen unscheinbaren Schatz. In einem Holzregal steht ein ausgeleierter Pappkarton. Den Inhalt würde so mancher Laie sicherlich als wertlos betrachten: In dem Karton häufen sich D-Markmünzen, bedeckt von glatten D-Markscheinen. Doch wer glaubt, dabei handele es sich um wertloses Altgeld, der irrt. Stephan Finger weiß um den Wert der guten alten D-Markmünzen und -scheine, die vor 20 Jahren von Euromünzen und -scheinen abgelöst wurden. An die größte Währungsumstellung der Geschichte werden sich die meisten sicherlich noch gut erinnern – junge Menschen um die 20 allerdings, die im Jahr 2002 noch in der Sandkiste gespielt haben, werden sich dagegen nicht an den emotionalen Abschied von der D-Mark erinnern.

D-Mark wird Euro: Größte Währungsumstellung der Geschichte

Die Vorbereitungen gehen auf das Jahr 1999 zurück: In diesem Jahr existiert der Euro als sogenannte „unsichtbare Währung“ und wird für Verrechnungen und elektronische Zahlungen genutzt. Die Bargeldverteilung erfolgt erst später. Am 6. September 2001 titelt die Pinneberg-Redaktion des Abendblatts: „Der Euro schwebt ein!“ Damals hievt ein Teleskopkran 13.175 Tonnen Euromünzen in 21 Containern direkt in die Tresore der Volksbank Elmshorn.

Polizeioberkommissar Thork Jewan war damals im Einsatz und erinnert sich: „Die Geldtransporte wurden von der damaligen Zentralbank in der Bismarckstraße durch gepanzerte Fahrzeuge mit Fremdkräften von anderen Dienststellen begleitet.“ Die Elmshorner Polizei sei hauptsächlich mit der Absperrung von Kreuzungen beschäftigt gewesen, „damit der Konvoi, meistens zwischen drei und fünf Fahrzeugen, ungehindert passieren konnte.“

D-Mark: Pinneberger nimmt tauscht noch lange Münzen um

Neujahr 2002 heißt der Kreis Pinneberg die neue Währung willkommen. Die Redaktion berichtet damals von Neujahrs-Sonderschichten für Bankmitarbeiter. Für Ärger sorgt ein Bankautomat in Wedel: Wenn die Kunden dort Euro abheben möchten, spuckt der Automat kein Geld aus – zieht aber die Bankkarte ein. Der Einzelhandel arbeitet währenddessen mit elektronischen Kassen, die nach Belieben in Euro oder Mark abrechnen. Für Unmut sorgen nur Kunden, die eine Rechnung mit zwei Währungen begleichen wollen. Manche Supermärkte bauen gar provisorische Wechselstuben auf.

Sofort verschwand die Mark nicht aus dem Kreis Pinneberg: Noch einige Jahre lang konnte man in verschiedenen Geschäften mit der alten Währung zahlen. Für Ausdauer bekannt ist vor allem das Tabakfachgeschäft „Zip“ am Pinneberger Fahltskamp. Dort nahm man mehr als zehn Jahre nach der Umstellung noch D-Mark an: „Das war damals ein Kundenservice meines Vaters“, erinnert sich der jetzige Inhaber Tim Karkowski. „Der wollte einfach immer etwas anders sein.“ Als keine Bank im Umkreis den Umtausch mehr anbietet, bleibt nur der Weg zur Filiale der Bundesbank in Hamburg. Diesen Weg wollen auch die Karkowskis nicht mehr auf sich nehmen. Noch heute würden Kunden ihr Glück versuchen „aber das ist sehr selten. Vielleicht einmal im Quartal“, so Karkowski.

D-Mark: Fast zwei Millionen Mark wurden 2021 umgetauscht

Aus der Welt ist die D-Mark immer noch nicht: Laut Deutscher Bundesbank sind noch mehr als 12 Milliarden D-Mark im Umlauf, 5,75 Milliarden davon in Scheinen. Wo schlummern die Zeugen vergangener Zeiten? Auf Anfrage bei der VR-Bank in Pinneberg, der Kreissparkasse in Elmshorn und der Comdirect in Quickborn ist die D-Mark bei den Banken kein Thema mehr. Keines der Geldinstitute tauscht noch D-Mark in Euro. Das sei auch nicht nötig: „Anfragen zum Umtauschen gibt es nicht“, sagt Imke Gernand, Pressesprecherin der Sparkasse Südholstein. Jasmin van Gysel, Pressesprecherin der VR Bank in Holstein sagt allerdings: „Gelegentlich entdecken Kunden D-Mark in den Schließfächern.“

Doch es gibt sie auch heute noch, die Leute, die D-Mark in Euro wechseln lassen. „Im vergangenen Jahr wurden in unserer Filiale Hamburg insgesamt rund 1.919.000 D-Mark in Euro umgetauscht“, betont Christian Hecker aus dem Stab des Präsidenten der Hauptverwaltung Hamburg der Deutschen Bundesbank. Seit Anfang 2022 ist der Umtausch coronabedingt allerdings nur noch auf dem Postweg über die Bundesbank-Filiale in Mainz möglich. Hecker kennt die Klassiker der unverhofften D-Mark-Funde: „Viele Menschen finden D-Mark bei Haushaltsauflösungen, vor allem wenn es sich um den Besitz von Münzsammlern handelt – oder beim Durchsehen alter Post.“ Beispielsweise fiele beim Angucken alter Hochzeitskarten manchmal ein 100-D-Markschein aus dem Umschlag.

D-Mark war in einigen Ländern die „Zweitwährung“

Auch Rückflüsse aus dem Ausland seien häufig: „In den 1990iger-Jahren war die D-Mark in manchen Regionen „Zweitwährung“, beispielsweise auf dem Balkan oder in ehemaligen Sowjet-Republiken, da die jeweilige einheimische Währung nicht viel Vertrauen genoss. Bei Reisen nach Deutschland tauschen die Menschen das Geld jetzt immer noch um.“ Alte Fremdwährungen, wie beispielsweise französische Franc oder italienische Lira würden von der Bundesbank allerdings nicht mehr gewechselt: „Da muss man sich erkundigen, ob die jeweilige nationale Zentralbank das Geld noch umtauscht. Manche haben diesen Service bereits eingestellt.“ Der amtliche Umtauschkurs für einen Euro beträgt übrigens 1,95583 D-Mark. Dieser Umrechnungskurs wurde am 31. Dezember 1998 festgelegt und gilt bis heute.

Und was passiert mit dem Altgeld? Die Münzen würden an die Münzprägestätten abgegeben und zum Altmetall gegeben, so Hecker. Die alten Scheine würden in winzig kleine Teile geschreddert, sodass man sie nicht mehr zusammensetzen könne. Doch bevor man sein Geld wechseln, einschmelzen und schreddern lässt, kann sich ein Gang zum Münzankäufer lohnen. So beispielsweise bei Stephan Finger in Elmshorn. Er sagt: „Nahezu jeden Tag kommen Menschen mit D-Markmünzen.“ Die nehme er an und tausche sie anschließend bei der Bundesbank in Hamburg um.

Bei ein paar Münzen gäbe es eine Ausnahme – die sogenannten „Gedenkmünzen“. Das sind amtlich limitierte Münzen, deren Prägung an besondere Ereignisse oder Personen erinnert – beispielsweise an die Olympischen Spiele 1972. Besonders wertvoll seien die ersten vier bis fünf Exemplare einer Auflage: „Dafür zahle ich 250 bis 500 Euro“, so Finger. Für die drei folgenden könnte man zwischen 70 und 150 Euro bekommen. Auch Scheine nimmt Finger an – für 500- und 1000 D-Markscheine im guten Zustand zahle er viel: „Die sind besonders selten. Die würde ich eins zu eins in Euro ausbezahlen.“ Die Mark mag seit 20 Jahren im Ruhestand sein – gute Geschäfte kann man mit ihr immer noch machen!