Tangstedt. Rund 200 Songs hat Uwe Lost komponiert. Bevor der Countrymusiker wurde, hat er Schlagerstars begleitet.
Für alle, die mal wieder so richtig mies drauf sind, hat Uwe Lost einen guten Tipp: „Lass dir nie den Tag verderben“. Ein netter Rat, der nicht immer leicht zu beherzigen ist. Diese Zeile macht dem Musiker aber viel Freude und kann einen versalzenen Tag schon mal zum Guten wenden – für ihn zumindest. Das Lied vom Truck-Stop-Album „Keep it Country“ aus dem Jahre 1989 sorgt mit für ein bekömmliches Auskommen im Alter: Es ist, obwohl kein großer Hit, eines der bis heute von den Rundfunkstationen meistgespielten Songs der Countryband. Ein Gute-Laune-Song, komponiert in Tangstedt von Uwe Lost und damit bis heute ein Tantiemen-Bringer für ihn.
Die alten Songs bringen bis heute gute Tantiemen
Dank dieses Liedes und etwa 200 anderer kann sich der Musiker bequem zurücklehnen und sein Rentnerdasein genießen. Mit 72 Jahren hat sich Uwe Lost aus dem aktiven Musikerleben zurückgezogen und seinen Platz in der Band einem anderen überlassen. Mit Beginn des neuen Jahres hat für ihn eine neue Zeitrechnung begonnen – für die vielen Fans von Truck Stop ebenfalls. Denn sie müssen erstmal verdauen, dass Uwe nach 43 Jahren nicht mehr linksaußen auf der Bühne steht und die vier Saiten der Bassgitarre zupft oder gelegentlich auch mal zum Akkordeon greift.
Genau 50 Jahre als Berufsmusiker unterwegs, das hat bei Uwe Lost kaum äußerliche Spuren hinterlassen. Volles Haar, schlank wie eh und je, durchtrainiert, dazu ein Haus in Wilstedt-Siedlung, Wohnmobil, Kinder, Enkel – ein bürgerliches Leben also, dass sich nicht von dem der Nachbarn unterscheidet. Wenn da nicht der Beruf wäre. Fünf Jahrzehnte auf Achse oder im Studio, viele Tausend Konzerte, Hunderte von TV-Auftritten eine fast unüberblickbare Liste an veröffentlichten Musikalben, Begegnungen mit internationalen Stars, da kann der Nachbar, der morgens ins Büro oder in die Werkstatt geht und abends wieder nach Hause kommt, nicht mithalten.
Nicht immer war es lustig, als Cowboy der Nation unterwegs zu sein. Uwe Lost erinnert sich an ungemütliche Garderoben, an lästige Wartezeiten zwischen Soundcheck und Konzert, Meinungsverschiedenheiten mit Kollegen. Aber unter dem Strich blickt er auf ein erfülltes Musikerleben zurück. „Dieser Beruf hat mir ein Superleben beschert“, sagt der Countrymusiker, der mit seiner Frau Sieglinde vor 26 Jahren von Norderstedt nach Tangstedt gezogen ist.
Kurz vor dem Bürojob kam der Wilde Westen dazwischen
Eigentlich ist Uwe Lost kurz davor wieder in seinen Beruf als Speditionskaufmann zurückzukehren, als 1978 das Angebot der damals aufstrebenden Band Truck Stop kommt. Vorher hatte er mit den Raimondos und
den Valendras namhafte Schlagerstars wie Dahlia Lavy begleitet, findet den eingeschlagenen Weg dieser Kapellen aber nicht mehr so interessant. „Ich habe mir damals natürlich die Frage gestellt, was ich machen sollte, wenn es mit der Musik vorbei ist“, erinnert er sich. Einen Luftsprung vor Freude macht Ehefrau Sieglinde nicht gerade, als es mit Truck Stop losgeht.
Aber jede Sorge ist unbegründet. Es ist die Zeit der großen Hits: „Die Frau mit dem Gurt“ war bereits auf dem Markt, es folgen Songs wie „Ich möcht’ so gern Dave Dudley hör’n“ oder „Der wilde, wilde Westen“. Countrysongs mit deutschen Texten begeistern das Publikum und erweisen sich als genialer Schachzug der Hamburger Musiker um Cisco Berndt und Lucius Reichling, die ihren ersten Auftritte 1972 in den Clubs ihrer Heimstadt hatten.
Truck Stop waren Stammgäste in der legendären Hitparade mit Dieter Thomas Heck
Truck Stop schwimmt auf einer Erfolgswelle, ist Dauergast in den TV-Shows, absolviert große Tourneen. In der ZDF-Hitparade platzieren sich die Cowboys zwar, dürfen zunächst aber nur aus dem Publikum heraus
in die Kamera winken. Bands dürfen nicht auftreten. Eine Regel, die schnell geändert wird, weil Truck Stop Stammgast bei Dieter Thomas Heck wird.
Gleich 1978 geht’s zur Musikmesse nach Chicago, 1983 nach Dallas, wo die Band in Gegenwart von Tom Jones und den Bellamy Brothers den Preis als beste europäische Countryband entgegennimmt, 1993 gelingt der Band mit dem Titel „Arizona, Arizona“ sogar ein kleiner Hit in den Country-Charts, was wiederum auf Einladung eines Rundfunksenders Konzerte in Los Angeles, San Francisco und Texas zur Folge hat. Ein netter Familienausflug, mitsamt der ebenfalls eingeladenen Ehefrauen. Gut für’s Image der Band, aber nicht lukrativ genug, um diesen Karrierezweig weiter zu verfolgen. Uwe Lost ist clever genug, um weitere Einnahmequellen zu erschließen. „Als Musiker auf der Bühne lebst du von der Hand in den Mund, aber als Komponist gibt es unabhängig davon Geld“, sagt Uwe Lost, der in seinem Studio im Keller des Einfamilienhauses bis heute komponiert und produziert. Im Laufe der Jahre wird der Anteil von Lost-Kompositionen auf den Truck-Stop-Alben schließlich immer größer. Als Dauerbrenner erweist sich schließlich die Titelmelodie der TV-Serie „Großstadtrevier“.
Das Tourneeleben belastet die Ehe von Sieglinde und Uwe Lost nicht wesentlich: „Wir haben es eigentlich als positiv empfunden, nicht ständig aufeinanderzuhocken. Manchmal allerdings waren die Telefongebühren höher als die Hotelkosten.“
Uwe Lost spielt jetzt auf der Bühne nur noch, was ihm Spaß macht
Es gibt Durststrecken, aber immer wieder steht Truck Stop auf. Auch nach dem Tod oder dem Ausscheiden wichtiger Bandmitglieder. 2021 schließlich ein unerwarteter Triumph: Das jüngste Album „Liebe, Lust & Laster“ erreicht einen sensationellen vierten Platz in den deutschen Alben-Charts – mit dem Titelsong von Uwe Lost, der zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Job in der Band gekündigt hat.
Eine neue Generation wird auf die Countryband aufmerksam. „Musikalisch ist die aktuelle Besetzung die beste der ganzen Truck-Stop-Zeit“, sagt Uwe Lost, der aber auch weiß, dass markante Typen und Stimmen wie Cisco und Lucius kaum zu ersetzen sind.
Der regelmäßige Arbeitsweg von Uwe Lost ist jetzt überschaubar: Die Treppe hinunter in den Keller in das vollausgestattete Studio. Hier komponiert er, produziert und arbeitet an Social-Media-Beiträgen. „Auf keinen Fall will ich jetzt meine Hände in den Schoß legen“, sagt er. Der Fitnessraum ist gleich nebenan, die Instrumente stehen griffbereit neben dem digitalen Mischpult. Alles, was er zum Leben abseits der Familie braucht, ist griffbereit.
Truck Stop wird er weiter mit Kompositionen beliefern, ob die Ex-Kollegen dieses Angebot annehmen, weiß er nicht. An seinen alten Liedern aber kommen sie nicht vorbei. Sie bleiben fester Bestandteil der Truck-Stop-Konzerte.
Auf der Bühne wird man Uwe Lost auch künftig sehen. Zusammen mit seinem Sohn Florian betreibt er die Bands Lost Gang und Third Coast, in der namhafte Musiker, darunter viele ehemalige Kollegen, aus Spaß zusammen auftreten. Nicht regelmäßig, aber immer mit Begeisterung.
„Wir spielen alles, was Spaß macht.“ Echte Musik, mit der Hand gemacht. Genau wie bei Truck Stop: „Wir haben immer live gespielt, nie hat es Einspielungen vom Band gegeben.“
Und einmal noch Truck Stop: Das Abschiedskonzert war eigentlich für den 5. Februar in der Tangstedter Sporthalle geplant, wird aber auf den 21. Mai verlegt. Corona macht es aktuell unmöglich, aber die bereits erworbenen Eintrittskarten behalten ihre Gültigkeit.