Pinneberg. Fast 30 Jahre hat Klaus Stieghorst das Bauamt geleitet, nächste Woche hat er seinen letzten Arbeitstag. Wer Nachfolger wird, steht noch nicht fest.
Seit 1993 leitet Klaus Stieghorst, studierter Architekt und Stadtplaner, das Bauamt der Stadt Pinneberg. Viele Bürgermeister und Politiker hat er kommen und gehen sehen, starke und schwache, gute und schlechte. Bevor er seinen Schreibtisch im dritten Stock des Rathauses endgültig leert, um in den Ruhestand zu wechseln, hat er die Zeit gefunden, Resümee zu ziehen.
Herr Stieghorst, mit welchem Gefühl räumen Sie gerade Ihr Büro aus?
Klaus Stieghorst Mit einem grundsätzlich positiven. Zurückblickend war die Arbeit in den vergangenen fast drei Jahrzehnten wie eine Reise mit Bergen und Tälern, Gegenwind und Sonne, mit bellenden Straßenhunden am Wegesrand, und gelegentlich auch Halunken hinter den Büschen.
Ist Ihre Nachfolge bereits geklärt?
Darüber sollen die Gremien im Januar abstimmen. Es wäre schön gewesen, die Person noch einzuarbeiten, das ist jetzt nicht mehr möglich.
War es eher Kampf oder eher Spiel?
Unterschiedlich. Wir haben als Team im Fachbereich sehr große Projekte mit recht wenigen Personen erfolgreich realisiert. Relativ selten kam es vor, dass etwas glatt durchgelaufen ist.
Worin sehen Sie Ihre größten Erfolge Ihrer Amtszeit?
Erfolg ist, wenn das, was die politischen Gremien in Pinneberg beschlossen haben, gut umgesetzt wird. Dazu zählt das Rathaus, die Parkstadt Eggerstedt, der ILO-Park, die Westumgehung, die Innenstadtsanierung oder der Umbau der Fußgängerzone. Beim Bahnhofsumbau hatte ich völlig unterschätzt, was für ein Aufwand es bedeutet, mit der Deutschen Bahn zu planen. Mein Bestreben war es bei den Projekten immer, gute Entscheidungsgrundlagen für die politischen Gremien vorzubereiten. Als problematisch empfand ich gelegentlich, dass einige Politiker anstelle der politischen Entscheidungen die bessere Verwaltung sein wollten und dass einzelne, deren Vorstellungen keine politische Mehrheit fanden, ihre Enttäuschung an der Verwaltung ausließen.
Was noch?
Von meinem Fachbereich wurde bis 2013 fast jede Schule grundsaniert oder erweitert. Schon damals war nie genug Geld und Personal für den vorhandenen Bedarf da, also geschah das in kleinen und noch kleineren Abschnitten. Alle Beteiligten waren frustriert.
Was ist überdies nicht so gut gelungen?
Dass die Ebertpassage noch immer nicht fertig ist, weil die notwendige Freigabe der Fördermittel durch das Innenministerium aus kaum nachvollziehbaren Gründen nicht erfolgte, bedauere ich.
Anhaltende Kritik wird an zu viel Wohnbebauung und Nachverdichtung geübt. Sie sollen der Grund für die Raumnot an den Schulen sein.
Das halte ich für einen Mythos. Es trifft nach den Daten des Strukturberichtes und des Statistikamtes Nord nicht zu. Die Stadt wächst um rund 100 Wohneinheiten pro Jahr. Das Wohnraumversorgungskonzept für die Stadt empfahl, dass 100 bis 150 neue Wohnungen pro Jahr entstehen sollen, etwa um die Folgen der demografischen Entwicklung zu mildern. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Schulkinder in Pinneberg seit 2006. Die Ursache für die Raumnot an den Schulen liegt hauptsächlich im erhöhten Flächenbedarf je Schulkind, zum Beispiel wegen der Ganztagsbetreuung, Mensen und so weiter.
Bürger der Stadt haben sich immer mal als sehr wehrhaft erwiesen, als Bürgerinitiative Bieneh oder als Pinnebergerinnen für Baumschutz. Was ist daraus abzuleiten?
Das gibt es seit Jahrzehnten und passiert häufig, wenn die Menschen direkt betroffen sind. In der Bauleitplanung ist ja aus gutem Grund eine zweistufige Bürgerbeteiligung vorgesehen, um allen die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen zu äußern. Es ist ein Anlass, die vorhandenen Planungen zu überprüfen. Diese eher kleinen Gruppen sind häufig relativ lautstark. Daraus ist gelegentlich ein überproportionaler Einfluss entstanden.
Worüber machen Sie sich Sorgen?
Über die chronische Unterfinanzierung der Gemeinden bei wachsenden Aufgaben für die Unterhaltung der technischen und sozialen Infrastruktur. Für diese sind die Kommunen zu gering finanziert. Das schafft Reibungspotenzial, schlechte Laune und eröffnet unnötige Nebenkriegsschauplätze.
Welche Themen weisen in die Zukunft?
Eine große Frage für die Stadt ist die nach der komfortablen und sicheren Mobilität jenseits des Autos. Beispielsweise die Radverkehrs- und Fußgängerverkehrsförderung oder die Einführung von Rufbussystemen. Ein Leitbild dafür könnte die 15-Minuten-Stadt sein. Der zentrale Gedanke: Alle Ziele sind ohne Auto in 10 bis 15 Minuten zu erreichen. Darüber hinaus das Thema Klimaanpassungsmaßnahmen: Es müssen die großen Grünräume und Frischluftschneisen weiter geschützt werden.
Zwei schwarze Jahre gab es in Ihrer Karriere: 2004 wurde anonym Anzeige erstattet wegen Bestechung beim Rathausneubau, und 2015 wurden Sie beschuldigt, ein Grundstück der ehemaligen Eggerstedtkaserne viel zu günstig verkauft zu haben. Wie haben Sie das verdaut?
Die Anzeige 2004 richtete sich gegen den damaligen Bürgermeister Horst-Werner Nitt. Ich war sozusagen der Kollateralschaden. Solche Dinge sind schwierig, weil Vertrauen in der Öffentlichkeit schwindet. Man kann während des Verfahrens keinen Einfluss nehmen, gleichzeitig werden aber die Verdächtigungen regelmäßig und umfangreich in der Presse dargestellt. Ich wusste, dass an dem, was mich betraf, nichts dran war. Die Einstellung des Verfahrens, weil sich keine Anhaltspunkte für irgendwelche Vorwürfe ergaben, wurde dann eher zurückhaltend in der Presse dargestellt. Dies ist natürlich belastend. Auch 2015 war überhaupt nichts dran an den Vorwürfen. Alle Verträge waren sorgfältig geprüft und von den politischen Gremien beschlossen worden. Das Muster war ähnlich: Zunächst eine breite Berichterstattung an der Grenze zur Vorverurteilung und danach eine diskrete Einstellung des Verfahrens, die in der Öffentlichkeit weit weniger wahrgenommen wurde.
Es verfestigt sich der Eindruck, dass immer mehr Gutachterbüros für viel Geld beschäftigt werden. Trügt er?
Nein. Für all die speziellen Themen braucht man hoch spezialisierte Leute, die kleine Kommunen nur projektweise benötigen. Es wäre daher nicht sinnvoll, sie einzustellen. Bei der Bauleitplanung hat der Umfang von Gutachten aus gutem Grund zugenommen, denn es werden unter anderem die Belange des Lärmschutzes, des Naturschutzes, des Hochwasserschutzes oder des Verkehrs detaillierter untersucht als früher.
Letzte Frage: Käme ein junger Akademiker auf Sie zu und fragte Sie, ob er als Leiter des Bauamtes anfangen solle – was würden Sie ihm antworten?
Das hängt von seinen eigenen Entwicklungsvorstellungen ab. Die Möglichkeiten in einer kleinen Stadt wie Pinneberg waren eine tolle Sache, was die Aufgabenvielfalt betrifft, was die Flexibilität und den Gestaltungsspielraum angeht. Eine wesentliche Grundlage dafür war allerdings auch die über die gesamte Zeit super Arbeit und Zusammenarbeit im Team des Fachbereiches. Ich würde es wieder so machen, und das betrifft grundsätzlich auch die Arbeit mit den politischen Gremien.