Kreis Pinneberg. Stutthof-Prozess um ehemalige KZ-Sekretärin, Reiterhof-Prozess um toten Stallbesitzer. Was die Justiz noch beschäftigte.

Das Jahr 2021 bot viele spektakuläre Prozesse. Heraus ragt das Verfahren gegen die 96 Jahre alte ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. aus Quickborn, das seit seinem Beginn am 30. September weltweit Beachtung findet. Es ist bis Juni 2022 angesetzt.

Bereits am 1. Februar schickt das Landgericht Itzehoe Irfan S. (41) zunächst in die Psychiatrie, dann hinter Gitter. Der psychisch erkrankte Pinneberger sei schuldig, am 17. Mai 2020 seine pflegebedürftige Mutter in der gemeinsamen Wohnung erstickt zu haben. Wegen Totschlags, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, verhängen die Richter sechs Jahre Haft und verfügen zudem die Einweisung in den Maßregelvollzug.

Messer auf Polizisten in Elmshorn geworfen

In die Psychiatrie kommt am 8. Februar auch Stefan F. (35), der am 15. Juli 2020 am Elmshorner Bahnhof zwei Wurfmesser in Richtung von zwei Polizeibeamten warf, diese zum Glück verfehlte. Ohne Behandlung, so die Richter, seien von dem Elmshorner weitere schwerwiegende Straftaten zu erwarten.

Am 10. Februar rollt das Landgericht den Prozess um den gesprengten Geldautomat der Commerzbank Elmshorn vom 28. Mai 2020 neu auf. Am 13. Mai folgt das Urteil. Samet A., der seine Tatbeteiligung bestritten hatte, muss vier, sein geständiger Komplize Mauro B. drei Jahre und acht Monate in Haft. Beide legen über ihre Anwälte Revision ein.

Ab dem 11. März muss sich Maxim R. (33) vor dem Landgericht Itzehoe verantworten, weil er am 23. September 2020 den neuen Freund (32) seiner Ex-Frau in einem Park in Elmshorn brutal zu Tode geprügelt haben soll. Die Richter verurteilen ihn am 18. Juni zu lebenslanger Haft. Verteidiger Siegfried Schäfer hatte auf vermindert schuldfähig plädiert, weil sein Mandant in einem Eifersuchtswahn gehandelt habe. Er legt Revision gegen das Urteil ein, über die noch nicht entschieden ist. Gegen Maxim R. läuft noch ein zweites Ermittlungsverfahren, er soll versucht haben, seine Ex-Frau zu vergiften.

Wer schoss auf dem Eulenhof in Quickborn?

Ab 17. März folgt vor dem Landgericht der nächste Mordprozess – diesmal geht es um die tödlichen Schüsse auf dem Quickborner Eulenhof vom 29. Juni 2020. Auf der Anklagebank sitzt Jens von P. (42), der laut eigenen Angaben beste Freund des ermordeten Andre Piontek. Zwei volle Prozesstage sagt der Angeklagte aus, bestreitet den Mord an dem Reiterhof-Besitzer, bringt diesen in Zusammenhang mit Drogen- und Waffengeschäften und benennt zahlreiche mögliche andere Täter. Die Kammer hört eine Menge Zeugen, die Beweislage bleibt zunächst dünn. Dann wird offenbar, dass sich Jens von P. für das Tatwochenende eine Waffe geliehen hatte. Bis zum Jahresende gibt es kein Urteil. Bis Ende Februar 2022 sind weitere zehn Verhandlungstage angesetzt.

Was 2021 sonst noch im Kreis Pinneberg geschah

Weit mehr als 20 Verhandlungstage braucht eine andere Kammer des Gerichts, die sich seit dem 6. Januar mit dem Korruptionsskandal im Elmshorner Rathaus aus dem November 2014 befasst. Aufgrund des lange zurückliegenden Tatvorwurfs haben viele Zeugen Erinnerungslücken. Am 11. November verurteilt das Gericht Nicole O., ehemals leitende Mitarbeiterin im Elmshorner Rathaus, wegen Untreue und Bestechlichkeit zu einer Geldstrafe von 320 Tagessätzen zu je 60 Euro. Die legt wie auch die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Irmgard F. floh am ersten Prozesstag mit dem Taxi

Am 30. September muss sich dann Irmgard F. erstmals vor Gericht verantworten. Aber die 96 Jahre alte Quickbornerin, die vom Juni 1943 bis April 1945 als erste Stenotypistin und rechte Hand des Kommandanten des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig tätig war, erscheint nicht. Mit einem Taxi ist sie frühmorgens aus ihrem Quickborner Altenheim geflohen und hat sich zu einem U-Bahnhof in Norderstedt bringen lassen. Einige Stunde später wird sie in Hamburg gefasst und kommt aufgrund ihrer Flucht in Untersuchungshaft.

Nach fünf Tagen wird sie entlassen, muss jedoch ein elektronisches Gerät zur Aufenthaltsbestimmung tragen. Am 12. Oktober erscheint die 96-Jährige in den eigens vom Gericht angemieteten Räumen in einem Logistikzentrum in Itzehoe, wo das Verfahren mit insgesamt 32 Nebenklägern beginnt.

Die Angeklagte lässt über ihre beiden Verteidiger erklären, nicht aussagen zu wollen. Im Januar hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Irmgard F. erhoben – wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen. Sie soll durch ihre Tätigkeit in dem KZ die dortige Tötungsmaschinerie begünstigt haben. Über die Strukturen in dem Konzentrationslager referiert an mehreren Terminen der historische Sachverständige Stefan Hördler. Frühere Angaben, die die Angeklagte als Zeugin in anderen Verfahren gemacht hat, darf er nicht benutzen. Kurz vor Jahresende sagen zwei KZ-Überlebende aus,