Kreis Pinneberg. Der schwer verletzte Seeadler hatte eigentlich keine Überlebenschance. Im Kreis Pinneberg wendete sich sein Schicksal zum Guten.

Viel Hoffnung, das wussten alle Beteiligten sofort, bestand nicht. Denn es muss eine heftige Kollision gewesen sein, die den jungen Seeadler im Spätsommer hilflos auf eine Straße bei Garding in Nordfriesland geschmettert hat. Das schwer verletzte Tier erlitt einen Flügelbruch, unter normalen Umständen das Todesurteil für den stolzen Greifvogel. Aber damit wollten sich engagierte Tierschützer aus dem Kreis Pinneberg nicht abfinden. Sie retteten das Tier, das sich nach zwei Operationen inzwischen auf dem Weg der Besserung befindet. Mehr noch: Im Frühjahr soll der Seeadler nach seinem langen Leidensweg ausgewildert werden.

Passanten hatten den Wappenvogel der Bundesrepublik am 22. August an der Kreisstraße gefunden. Das flugunfähige Tier kam zunächst in eine Falknerei und von dort zu Frank Drewes vom Seeadlerschutz Schlei. Der wiederum brachte den Vogel ins Wildtier- und Artenschutzzentrum Sparrieshoop, zu Christian und Katharina Erdmann. Denn er wusste um die gute Zusammenarbeit mit der Tierklinik Uetersen. Doch selbst dort wurden dem Vogel nach dem Röntgen wenig Chancen auf ein Überleben eingeräumt. Die Diagnose: eine komplizierte Fraktur im linken oberen Flügel. Sogar eine Einschläferung stand kurz zur Diskussion. Denn ein Eingriff am Vogelflügel ist nur etwas für geübte Spezialisten.

Tierrettung: Vom Kreis Pinneberg in die Uniklinik in Gießen und zurück

Glücklicherweise kennt Christian Erdmann, Stationsleiter des Wildtier- und Artenschutzzentrums, solche Experten. Er setzte sich mit Prof. Dr. Micheal Lierz von der Uniklinik in Gießen in Verbindung, und tatsächlich beschloss der Tiermediziner nach Inaugenscheinnahme der Röntgenbilder, den Greifvogel einen Tag später in der hessischen Kleinstadt zu operieren. Die Kosten übernahm der Seeadlerschutz Schlei.

Der Vogel wurde zwar aufwendig und erfolgreich operiert, doch ein neues Problem tauchte auf: Appetit hatte der Vogel danach nicht mehr. In Absprache mit den Tiermedizinern kam der Adler zurück nach Sparrieshoop, wo Erdmann eine Voliere für den Adler vorbereitet hatte – und ein kulinarisches Angebot, das der Adler nicht ablehnen konnte. „Wir kennen die Vorlieben unserer Patienten“, so Erdmann. Also gab es frisch geschlachtetes Huhn. „Da konnte der Adler nicht widerstehen.“

Tierrettung: Jetzt trainiert der Seeadler seine Flügelmuskulatur

Trotz der frischen OP-Naht bewegte sich das Tier viel. Eine kleinere Voliere hinderte den Greifvogel daran, Flugversuche zu unternehmen, denn noch war nicht alles überstanden. Bei einer zweiten Operation musste die Metallschiene aus dem Flügelknochen entfernt werden. Diesen Eingriff übernahm Hartwig Wilken aus Oldenburg. Auch diese Operation überstand der zuvor arg lädierte Adler. Klaus Meyer von der Wildtierauffangstation in Rastede und anerkannter Adlerexperte päppelte das Tier nach er zweiten OP wieder auf. Zudem versahen die Adlerfreunde den Jungvogel mit einem GPS-Sender. „Das erlaubt uns, den Adler nach seiner Freilassung genau beobachten zu können“, so Meyer.

Inzwischen trainiert der Seeadler seine Flugmuskulatur. Im Frühjahr soll das Tier wieder in die Freiheit gesetzt werden. Dann werde sich der Aufwand, den der Verein Seeadlerschutz, die Uniklinik Gießen, Klaus Meyer, Hartwig Wilken und die Tierschützern aus Sparrieshoop betrieben haben, auszahlen.

Etwa 850 Brutpaare gibt es von den großen Vögeln wieder in Deutschland. Ein Exemplar soll nun die Chance auf einen Neuanfang bekommen. Christian Erdmann: „Wir drängen in den Lebensraum der Wildtiere, wir vergiften sie, wir töten sie durch unsere Technik – dann können wir ihnen auch helfen.“