Helgoland. Das Tier ist zum Seevogel des Jahres gewählt worden. Warum die Art in Deutschland vom Aussterben bedroht ist.

Der Eissturmvogel segelt mit starr ausgebreiteten Schwingen und neigt den Körper mal auf die eine Seite und mal auf die andere. Er fliegt dicht über dem Wasser – ein Anblick, der vermutlich nicht nur bei Ornithologen für Pulsbeschleunigung sorgt. Denn sein Anblick ist selten, auch weil er die meiste Zeit über dem offenen Meer verbringt.

Eissturmvogel zum Seevogel des Jahres gekürt

Der Verein Jordsand hat den Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) zum „Seevogel des Jahres 2022“ ernannt. Er ist ein echter Hochseevogel und hält sich nur zur Brutzeit an Land auf. In Deutschland brütet er ausschließlich auf Helgoland. Ein markantes Merkmal ist seine Röhrennase, über die er überschüssiges Meersalz ausscheidet.

Helgoland hat drei Schutzgebiete – den Lummenfelsen, den Helgoländer Felssockel und die Düne – in Deutschland einmalige Rückzugsgebiete für Seevögel und Kegelrobben. Auch die Tangwälder sind deutschlandweit einzigartig. Am Lummenfelsen können von März bis Juli Brutkolonien der Trottellummen, Dreizehenmöwen und Basstölpel sowie auch einige Paare Tordalken und eben auch Eissturmvögel beobachtet werden.

Zu viel Plastikmüll im Meer, die Fischerei mit Langleinen und Stellnetzen sowie ein verringertes Nahrungsangebot aufgrund des Klimawandels machen den Vögeln zu schaffen. Auch die Zahl der Eissturmvögel nimmt seit Jahrzehnten drastisch ab. In diesem Jahr brüteten auf Helgoland nur noch 25 Paare.

Eissturmvogel: Paare legen nur ein Ei pro Jahr

„Da Eissturmvögel lediglich ein Ei pro Jahr legen und erst im Alter zwischen acht und zwölf Jahren geschlechtsreif sind, werden sie wahrscheinlich in Deutschland aussterben, da nicht mehr genug Tiere zum Erhalt der Gesamtpopulation überleben“, sagt Prof. Stefan Garthe vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste und Beiratsmitglied im Verein Jordsand. „Der Eissturmvogel kann nur überleben, wenn wirksame länderübergreifende Umweltschutzmaßnahmen in den Bereichen Fischerei, Klimaschutz und Meeresmüll umgesetzt werden“, fordert Steffen Gruber, Geschäftsführer des Naturschutzvereins Jordsand.

Die berühmte Lange Anna ist ein markanter, roter Felsen in der Brandung vor Helgoland.
Die berühmte Lange Anna ist ein markanter, roter Felsen in der Brandung vor Helgoland. © dpa-tmn | Christian Charisius

Eissturmvögel sind Allesfresser und nehmen ihre Nahrung hauptsächlich von der Meeresoberfläche auf. Die Hauptnahrung machen eigentlich Fische, Tintenfische, Zooplankton, Schlachtabfälle der Fischerei sowie Aas aus. Aufgrund der starken Meeresverschmutzung fressen die Vögel jedoch zunehmend Plastikmüll, den sie für Nahrung halten, und verhungern dann mit vollem Magen. „Der Eissturmvogel zeigt uns unfreiwillig, wie viel Plastikmüll in unserer Nordsee schwimmt und welche negativen Folgen das hat“, so Gruber. „Der Eintrag von Plastikmüll in die Weltmeere muss daher dringend gestoppt werden.“

Das häufige Auftreten von Müll in den Mägen von Eissturmvögeln hat sich zu einem großen Monitoring-Programm für Umweltfolgen im Meer entwickelt. Heute werden im Rahmen der Meeresschutzkonvention OSPAR an der Küste der gesamten Nordsee tote Eissturmvögel gesammelt und untersucht. Die Befunde dienen als Anzeiger für den Zustand der Meeresumwelt.

Eissturmvogel: Tiere leiden und Erwärmung der Meere

In der industriellen Fischerei sei der Beifang von zu kleinen und bedrohten Fischarten, Seevögeln und anderen Meereslebewesen ein sehr großes Problem, so die Naturschützer. Durch diesen Raubbau verendeten jährlich weltweit Millionen Tonnen Meerestiere in Fischernetzen. Durch Langleinen-Fischerei in der Norwegen-See und im Atlantik verfangen sich Eissturmvögel und andere Seevögel ungewollt an den Haken für die Fische und ertrinken dann qualvoll. Auch in Stellnetzen verfangen sie sich, viele sterben. „Durch den Einsatz angepasster Hakensysteme bei Langleinen, spezielle Öffnungen in den Netzen oder Vergrämungsmaßnahmen kann der Beifang erheblich verringert werden“, sagt Gruber.

Langfristig werde der Eissturmvogel wahrscheinlich am meisten durch den Klimawandel bedroht. Denn der Klimawandel sorge für steigende Luft- und Wassertemperaturen. „Dadurch verändert sich das Ökosystem der Meere negativ. Dies hat einen starken Einfluss auf die Nahrungsquellen der Eissturmvögel wie Zooplankton und Sandaale“, führt Prof. Garthe aus. Der Klimawandel sei die größte gesellschaftliche Herausforderung, vor der Menschen und Ökosysteme weltweit stehen.