Appen. Feierliche Zeremonie: Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen trägt jetzt den Namen Jürgen-Schumann-Kaserne.

In einer feierlichen Zeremonie mit einem militärischen Appell und einem Formationstiefflug ist am Mittwochnachmittag die Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen umbenannt worden. Sie trägt jetzt den Namen Jürgen-Schumann-Kaserne – zum Gedenken an den im Oktober 1977 im südjemenitischen Aden von Terroristen ermordeten Lufthansa-Kapitän der entführten Boeing 737 „Landshut“.

„Hauptmann Jürgen Schumann ist einer von uns und Vorbild für die Luftwaffe“, sagt Generalleutnant Ingo Gerhartz bei seiner Ansprache vor dem angetretenen Stammpersonal und etwa 50 Gästen. Schumann, der acht Jahre in der Bundeswehr diente, hatte 1961 im Alter von 21 Jahren seine fliegerische Grundausbildung im Fluganwärterregiment Appen absolviert, bevor er 1968 in die zivile Luftfahrt wechselte.

Appener Kaserne nach „Landshut“-Pilot benannt

Für die Bundeswehr und insbesondere die Luftwaffe sei dies „ein besonderer Tag“ und ein Einschnitt, sagt der Inspekteur. Denn es sei seit 1990 die 20. Umbenennung einer Bundeswehr-Kaserne und überhaupt die erste, die jetzt mit Jürgen Schumann einen Namensgeber hat, der ausschließlich in der Bundeswehr gedient hat. Das decke sich mit dem erst vor einem Jahr geänderten Traditionserlass der Luftwaffe, der sich verstärkt auf Vorbilder aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg berufen möchte, erklärt der Generalleutnant.

Appener Kaserne: Kein Bruch mit ehemaligen Kriegsfliegern

Das heiße aber nicht, dass die Luftwaffe jetzt mit allen ehemaligen Kriegsfliegern breche. So würden die heutigen Piloten immer noch nach Flugtaktiken des Jagdfliegers Manfred von Richthofen aus dem Ersten Weltkrieg ausgebildet, betont Generalleutnant Gerhartz auf Nachfrage nach der Zeremonie.

Dazu passt, dass das „Richthofen-Geschwader“ aus Wittmund mit vier Eurofighter-Maschinen unmittelbar nach der Enthüllung des neuen Kasernennamens einen Formationsflug direkt über der Kaserne in Appen fliegt, keine 170 Meter über dem Boden.

In ihren Ansprachen gehen Schulkommandeur Oberst Thomas Berger und Generalleutnant Gerhartz vor allem auf die schweren Stunden im deutschen Herbst des Jahres 1977 ein. Am 13. Oktober hatten vier palästinensische Terroristen das Passagierflugzeug „Landshut“, eine Boeing 737 mit 86 Passagieren und fünf Crewmitgliedern, auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt entführt. Nach einem Zwischenstopp in Dubai machte die Maschine, die Jürgen Schumann mit seinem Co-Piloten Jürgen Vietor steuerte, der heute in Quickborn lebt, eine Notlandung in Aden.

Appener Kaserne: Schumann wurde von Terroristen erschossen

Schumann verließ als Einziger an Bord in diesem fast fünftägigen Drama für etwa eine Stunde das Flugzeug. Als er zurückkam, wurde er von den Terroristen erschossen. Ein jemenitischer Offizier gab Jahre später an, dass der Flugkapitän Schumann aus Sorge um seine Fluggäste die dortigen Behörden aufgefordert hätte, den Weiterflug der beschädigten Maschine zu verhindern. Schumann erlebte somit als Einziger nicht mehr die Befreiung der „Landshut“ zwei Tage später durch eine GSG9-Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes in Mogadischu.

Dieses Opfer, dieser Mut, diese Tapferkeit und Zivilcourage Schumanns, in dieser „ausweglosen Situation“ so zu handeln, sei ein Vorbild und beispielgebend, würdigt Generalleutnant Gerhartz. Bereits zuvor von den Terroristen mit dem Tod bedroht, kehrte Schumann „aus freien Stücken mit der Gewissheit zurück, dass er ermordet werden wird“, so der Inspekteur. „Er starb inmitten der Menschen, deren Leben er schützte. Er starb für seine Passagiere. Damit übernahm er Verantwortung.“

Kurz darauf enthüllt Gerhartz gemeinsam mit der Witwe Monika Schumann das neue Namensschild, das am Donnerstag vor der Kaserne angebracht werden soll. Monika Schumann ist anzusehen, wie sie sehr sie dieser Moment an den Tod ihres Mannes vor 44 Jahren emotional bewegt. Sie bittet um Verständnis, dass sie sie nicht öffentlich äußern wolle. Sie empfinde aber „tiefe Dankbarkeit“, dass die Bundeswehr ihren Mann posthum würdige, indem sie eine Schule nach ihm benenne, in der jährlich bis zu 7000 Feldwebel und Unteroffiziere ausgebildet werden.

Appener Kaserne: Umbenennung seit 2017 Thema

Die mögliche Umbenennung der ehemaligen Marseille-Kaserne in Appen beschäftigt die Luftwaffe seit 2017. Hans-Joachim Marseille, der mehrfach vom NS-Regime ausgezeichnete Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg, sollte und konnte nicht mehr als Vorbild dienen, weil er „einem menschenverachtenden und verbrecherischen Regime gedient hat“, wie Schulkommandeur Berger begründet. Bis zu 40 Namensvorschläge wurden aus den Reihen der Bundeswehr diskutiert und beraten, bis dann in diesem Jahr die Wahl auf Jürgen Schumann fiel, den Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im August absegnete.

Die 1936 erbaute Kaserne in Appen trägt nunmehr ihren vierten Namen, nachdem sie zuvor Fliegerhorst Uetersen (1936 bis 1945 und 1955 bis 1975), Royal Air Force Station Uetersen (1945 bis 1955) und seit Ende 1975 Marseille-Kaserne geheißen hatte. Auf diese Geschichte soll jetzt künftig vor dem alten Offiziersheim der Kaserne mit Gedenktafeln erinnert werden, heißt es von der Bundeswehr. Die Luftwaffe werde sich differenziert und kritisch mit der historischen Figur Marseilles auseinandersetzen, kündigt zudem Schulkommandeur Berger an.

Das kurze Leben Jürgen Schumanns, der nur 37 Jahre alt wurde und seine Frau und zwei Kinder hinterließ, soll im nächsten Jahr in einer Extra-Ausstellung im Lehrgangsgebäude der Unteroffizierschule gewürdigt werden. Zudem werde Jürgen Schumann fester Bestandteil des Lehrplanes werden, sagt Gerhartz und verspricht Monika Schumann, die er dabei direkt anspricht: „Wir werden an die Geschichte Ihres Mannes erinnern.“