Uetersen. Uetersens Uhrmachermeister gibt Geschäft nach 83 Jahren im Familienbesitz auf. Das sind seine Gründe.

Total-Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe heißt es auf dem Schild vor dem Geschäft. „20 Prozent Rabatt“ prangt in den Schaufenstern. Uhren-Bentien an der Uetersener Marktstraße schließt zum Ende des Jahres. Damit verliert die Stadt ihr letztes Uhrengeschäft.

Uetersener Uhrmacher gibt Familiengeschäft auf

Kein leichter Schritt für den Uhrmachermeister Michael Stonner. Er führt das Familiengeschäft in dritter Generation. „Der Online-Handel macht dem stationären Handel zu schaffen“, sagt der 46-Jährige. Corona habe diese Entwicklung noch beschleunigt. Auch große Ketten machten Konkurrenz, könnten Ware in größerer Stückzahl ordern und günstiger anbieten.

Stonner nennt ein anderes Beispiel für den Preiskampf: „Der Uhrenhersteller Casio, dessen Produkte Uhren-Bentien von Anfang an im Sortiment hat, hat vor Kurzem seine Uhren bei Amazon unter unserem Einkaufspreis angeboten. Als kleiner Einzelhändler hat man da keine Chance.“ Bei Marken wie dem Schmuckhersteller Pandora könnte er nicht einmal selbst auswählen, welche Ware er ins Sortiment nimmt. Das bestimmt die große Schmuckkette. „Das funktioniert vielleicht in einer Großstadt, aber nicht in einer 20.000-Einwohner-Stadt wie Uetersen.“

Uetersener Uhrmacher: Corona macht Einzelhandel zu schaffen

Seine Kundschaft gehöre zur Mittelschicht. Auch dort vergleiche man die Preise und ordere im Internet, wenn es dort zehn Euro günstiger ist. „Immer weniger kaufen noch hochwertigen Schmuck, den man auch reparieren kann“, sagt Stonner. Das habe zum einen mit der Wegwerfmentalität der Gesellschaft zu tun, zum anderen werde billig in Ländern wie China hergestellt. Reparaturen seien da nicht vorgesehen. „Ich bekomme oft gar keine Ersatzteile mehr“, sagt der Uetersener. Früher habe es zur Konfirmation eine goldene Uhr gegeben, die ein Menschenleben lang funktionierte. Heute koste sie weniger, sei aber nicht für die Ewigkeit gemacht.

Was ihm noch zu schaffen macht, ist die zunehmende Bürokratie. Für ihn und die verbliebenen beiden Mitarbeiterinnen werde der Verwaltungsaufwand immer größer, sagt der Geschäftsmann. Zwei Mitarbeiterinnen habe er in der Corona-Pandemie kündigen müssen, eine weitere ging in Rente. Für den Räumungsverkauf hat er sich einen Berater zur Hilfe geholt, der ihm bei der Geschäftsabwicklung hilft.

Was mit den Ladenräumen, die im Familienbesitz sind, im Anschluss geschieht, ist noch unklar. „Wir wissen noch nicht, ob wir weitervermieten“, sagt Stonner. Auch was er selbst im Anschluss machen wird, weiß er noch nicht. „Erst mal alles hier über die Bühne bringen.“ Die Entscheidung, aufzugeben, sei ihm nicht leicht gefallen, aber noch habe er die Chance, ohne große Verluste aufzuhören.

Uetersener Uhrmacher: Uhren-Bentien hat eine lange Geschichte

Das Geschäft hat eine lange Geschichte: Die Eheleute Heinrich und Emmi Bentien erwarben am 9. Dezember 1938 das bereits 1827 gegründete Uhren- und Schmuckfachgeschäft der Geschwister Martha und August Christen. Im Jahre 1956, mitten im Wirtschaftswunder, wurden die Geschäftsräume vergrößert und modernisiert und wurde die gesamte Ladenfront neu gestaltet. Nun konnte das Ehepaar Bentien seinen Kunden nach der entbehrungsreichen Kriegszeit endlich wieder ein breites Warensortiment anbieten. Die Familie wuchs, die Zahl der Kunden ebenfalls. Das Haus wuchs mit. 1959 wurde das Geschäftshaus um eine Etage aufgestockt und die hauseigene Werkstatt für Uhren und Schmuck vergrößert.

Im Januar 1976 übernahmen Tochter Telse und ihr Mann Hartmut Stonner den elterlichen Betrieb. Aus Bentien wurde Uhren-Bentien, das Ehepaar Stonner startete nicht nur mit neuem Namen, sondern auch mit neuen Ideen und viel Energie. Zwei Jahre nach der Firmenübernahme ließen sie den Ladenbereich komplett entkernen und vergrößern. Auch die Fensterfront wurde modernisiert.

Uetersener Uhrmacher schließt zum 30. Dezember 2021

Am 1. Januar 2008 übernahm dann Michael Stonner den Betrieb von seinen Eltern Telse und Hartmut. Sie hatten ihn zuvor 32 Jahre geführt und 2007 die Schaufensterfront und die Fassade des Geschäftshauses in der Marktstraße 11 neu gestaltet.

Schon Stonners Großvater und Vater waren Uhrmachermeister. Als gelernter Goldschmied ergänzte Michael Stonner das Angebot mit seinen Arbeiten in der hauseigenen Werkstatt. Im Frühjahr 2013 wurde das Geschäft mithilfe von Freunden und Familie ausgebaut, saniert und dekoriert.

Am 30. Dezember dieses Jahres aber wird das Traditionsgeschäft schließen – nach 83 Jahren. Bis dahin sollten Kunden ihre Gutscheine eingelöst und ihren Schmuck aus der Werkstatt abgeholt haben. Die Werkstatt bleibt bis zum letzten Tag komplett geöffnet.