Elmshorn. Kulturpreisträgerin Ruth Alice Kosnick hat ein 16 Meter langes Mosaik in Elmshorn erschaffen. Was dahinter steckt.

700 Arbeitsstunden hat Ruth Alice Kosnick in das 16 Meter lange Mosaik gesteckt. Es zeigt den Lauf der Krückau von Elmshorn bis zur Elbe. Nun ist das Kunstwerk mit dem Namen „Lauf der Krückau“ in Ramelows Gang an der Hauswand des Apothekers Jan Henning Staggenborg offiziell eingeweiht worden. Der Durchgang verbindet die Königstraße mit der Krückau. Das Kunstwerk ist ein Geschenk der Bürgerstiftung Elmshorn an die Elmshorner.

Elmshorn: Bürgerstiftung finanziert Mega-Mosaik

Die Oberfläche ist aus selbst gemachten, glasierten, wetterfesten Keramikfliesen erstellt. Wellenformen stellen das Wasser dar in Blau- und Grüntönen. Die stilisierten Quadratformen in Rot hat die Elmshorner Künstlerin als Symbol für Häuser gewählt. Die Deichlinien sind reliefartig hervorgehoben. „Im März, April und Mai habe ich die Fliesen in meinem Atelier modelliert und gebrannt“, sagt Kosnick bei der feierlichen Übergabe des neuen Kunstwerks am Sonntag. Mitte Juni begann sie die Arbeit an der Wand. Dem gingen aufwendige Recherchen von Flussverläufen, Benennungen und Deichhöhen voran. Zuletzt beschriftete sie Ortschaften von der Mündung bis Elmshorn und überzog die Fläche mit einem Graffitischutz.

Die Bürgerstiftung Elmshorn hat die Finanzierung übernommen. Deren Vorsitzender, Bürgervorsteher Andreas Hahn, nutzte den feierlichen Rahmen, um für die Stiftung zu werben. Die könne wenige Jahre nach der Gründung bereits auf ein Vermögen von fast einer Million Euro zurückgreifen, dank Spenden und Nachlässe. Mit dem Geld wurden unter anderem die Tafel Elmshorn und die Restaurierung der Orgel in der Nikolaikirche unterstützt, der Liether Wald verschönert, Kindern aus armen Familien der Besuch des Weihnachtsmärchens ermöglicht und nun auch das öffentliche Kunstwerk, dessen Eigentümer der Kunstverein Elmshorn ist.

Elmshorn: Gebäude hat eine 150-jährige Geschichte

Jan Henning Staggenborg stellte seine Hauswand zur Verfügung. Er hatte das Gebäude in der Königstraße 37 im Jahr 2019 gekauft und gründlich saniert. „Das Haus ist etwa 150 Jahre alt und hat eine wechselvolle Geschichte“, sagt der Apotheker. Seit Anfang der 1890er-Jahre war dort eine Goldschmiedewerkstatt untergebracht, später ein Zigarrengeschäft neben einer „Weißwarenhandlung“. Danach zog Irma Rosenberg mit ihrem Handarbeitsladen ein. Sie war mit dem jüdischen Kaufmann Georg Rosenberg verheiratet. Das Geschäft wurde im Nationalsozialismus boykottiert. Irma Rosenberg ließ sich 1942 scheiden, Georg Rosenberg wurde später im KZ Auschwitz ermordet.

Es folgten weitere Mieter. „Einige Elmshornern dürften sich noch an Annemarie Lenz und ihr Feinkostgeschäft erinnern“, sagt Staggenborg. Er selbst hat dort Büroräume eingerichtet. „Die Wand war ein Schandfleck, und ich wollte sie erst mit einem Graffiti verschönern lassen.“ Bald machten ihn aber Leute auf Kosnicks Konzept für ein Mosaik aufmerksam. „Ich war sofort begeistert.“ Die Finanzierung hätte er jedoch nicht stemmen können. Hier kam die Stiftung ins Spiel.

Elmshorn: Mosaik-Idee ist schon 20 Jahre alt

Die Krückau durch ihre Stadt beschäftigt Ruth Alice Kosnick sehr. Als die gebürtige Hamburgerin vor etwa 28 Jahren nach Elmshorn zog, fiel ihr der stiefmütterliche Umgang mit dem Fluss auf. Als die Kunstkommission Kiel einen Wettbewerb für Kunst im öffentlichen Raum ausschrieb, entwickelte die Künstlerin 1998 die Idee für einen Gezeiten-Park für Elmshorn. Sie wollte so die frühere Lebensader der Stadt wieder stärker in die öffentliche Wahrnehmung rücken. Die Käpten-Jürs-Klappbrücke geht auch auf Kosnicks Konto: Sie warb bei der Stadt für eine solche statt einer festen, weil sie auf die Rückkehr von Segelschiffen in den Elmshorner Hafen und auf eine Belebung der Krückau hoffte.

„Die Idee für das Mosaik selbst ist schon 20 Jahre alt“, sagt die studierte Architektin. Es brauchte einen langen Atem, doch nun sind mehrere Teilprojekte aus dem Gezeiten-Projekt realisiert: die „Rückblick-Tafeln“ (2001) in der Innenstadt, die „Gezeiten-Fische“ (2004) an der Wedenkampbrücke, die Sturmflutdalben auf dem Pott-Carstens-Platz (2013) und die „Sturmflutmarken“ (2014) an der Königstraße und am Industriemuseum. 2019 wurden dann 74. Fischsteine entlang der Krückau verlegt.

Elmshorn: Mosaike haben es der Künstlerin angetan

„Das Mosaik ist das sechste Projekt“, sagt Kosnick, die sich auf einer Studienreise in Barcelona in die Mosaiken von Antoni Gaudí verliebte. „Ich liebe es, wie sich aus vielen Einzelstücken ein Ganzes zusammenfügt“, sagt die 60-Jährige. Mit Kopfhörern schirmte sie sich während der Arbeit gegen den Baulärm links und rechts von ihr ab. Rechts baut Marc Ramelow neu und links erneuert er die Fassade. An einigen Tagen habe sie die Steinchen 14 Stunden am Stück zusammengesetzt, sagt Kosnick, und sich dennoch am Ende eines langen Arbeitstages glücklich und entspannt gefühlt. „Das war wie Meditation.“

Etwa 9000 Fliesen sind in dem Wandschmuck verbaut, die meisten selbst gebrannt in einem extra dafür neu angeschafften Brennofen. 18 Stunden brauchte er, um anzuheizen, 22 Stunden, um abzukühlen, so Kosnick. Angeschmissen hat sie ihn 17-mal mit jeweils sieben Schichten Steinchen. Sie hofft, das Glück, das sie beim Erschaffen empfunden habe, werde auch auf die Betrachter übergehen.