Elmshorn. Am Tag der Industriekultur können Interessierte die MS Klostersande in Elmshorn besichtigen. Was geboten wird.

Die Sonne scheint, ein laues Lüftchen weht den beiden Damen durchs Haar. „Ist das nicht schön?“, fragt Brigitte Preuß und schaut zu Helga Schnepel. Seit die zwei Frauen in Rente sind, verbringen sie viel Zeit miteinander. Heute nutzen die 71-Jährigen das Sonntagswetter für einen Besuch auf dem Motorschiff, das am Nordufer des Elmshorner Hafens liegt. „Es gibt kein eleganteres und formschönes Frachtschiff als die Klostersande“, schwärmt Schnepel. Bei den „Tagen der Industriekultur am Wasser“ öffnete das ehemalige Flaggschiff der Kölln-Flocken-Werke seine Luken für Besucher.

MS „Klostersande“ öffnet für Besucher

Kathrin Mohr zeigt den Besucherinnen Brigitte Preuß und Helga Schnepel den Maschinenraum des Schiffes.
Kathrin Mohr zeigt den Besucherinnen Brigitte Preuß und Helga Schnepel den Maschinenraum des Schiffes. © Kitty Haug | KITTY HAUG

„Steile Schiffstreppen immer rückwärts runtergehen“, weist Schnepel ihre Freundin an, als es nach unten in den Maschinenraum geht. Dort begrüßt sie Kathrin Mohr, Mitglied im Förderverein MS Klostersande, die die Historie des Schiffes erzählt und Fragen der Wissensdurstigen beantwortet. Es riecht nach warme Öl und Metall. Der Motor und auch der historische Binnenfrachter selbst befinden sich in einem außerordentlich guten technischen und allgemeinen Zustand.

Auf der Brücke und in der Kajüte des Frachters scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Im Ursprungszustand sind die Instrumente, der Maschinenraum und die Unterkunft für DDR-Offiziere. Denn die „Klostersande“ holte den Hafer für das Flockenwerk aus der brandenburgischen Elbstadt Wittenberge. An den Wänden hängen Bilder aus der Glanzzeit des Schiffes.

In den Räumen des Kapitäns ist das 60er-Jahre-Mobiliar gut erhalten, eine beige Tischdecke ziert den Holztisch, selbst die Trockenblumen auf dem Tisch könnten von damals stammen. Und vor den Fenstern hängen Gardinen, „die garantiert von den Ehefrauen der Kapitäne genäht wurden“, sagt Mohr. „Ich bekomme feuchte Augen, wenn ich all das sehe“, sagt Schnepel. Und betont, wie wichtig die Arbeit des Fördervereins doch sei, der all das Schöne an und im Schiff erhält, denn: „Die Klostersande gehört einfach zu Elmshorn“.

„Klostersande“: Ab Herbst wieder Konzerte und Touren

Ist seit Anbeginn Mitglied mit Förderverein MS Klostersande: Kathrin Mohr führte Besucher über das alte Schiff.
Ist seit Anbeginn Mitglied mit Förderverein MS Klostersande: Kathrin Mohr führte Besucher über das alte Schiff. © Kitty Haug | KITTY HAUG

Seit zwei Jahren ist Schnepel Mitglied im Förderverein. Kathrin Mohr ist schon seit 2013 dabei. Die ausgebildete Juristin war an Bord, als am 14. Mai 2013 Kapitän Günter Holtz die „Klostersande“ über die Krückau vorbei an der neuen Käpten-Jürs-Brücke zurück in den Heimathafen steuerte. Hunderte Menschen säumten die Ufer entlang des Flusses und am Hafen. Sogar ein Feuerwerk wurde zum Empfang gezündet. „Das war schon sehr beeindruckend“, erinnert sich Mohr.

Rund 150 Mitglieder zählt der Förderverein seit seiner Gründung 2013. Etwa zehn Leute, die Kathrin Mohr liebevoll „Rentnercrew“ nennt, kümmern sich ehrenamtlich darum, die „Klostersande“ in Schuss, sprich fahrfähig zu halten. Auch als Veranstaltungsort ist das 55 Meter lange Schiff beliebt. Der Verein vermietet die großen Räume und an Bord kann auch geheiratet werden. Im riesigen Frachtraum des Museumsschiffes finden Konzerte, Feste und gesellschaftliche Ereignisse statt. Vor der Bühne finden bis zu 150 Besucher Platz.

Während der Corona-Pandemie haben die Mitglieder die Zeit für Arbeiten am Schiff genutzt und im vergangenen Herbst Konzerte im kleinen Rahmen veranstaltet. Doch auch diese Durststrecke scheint überwunden: So tritt Irin Lisa Canny Anfang November im Bauch des Schiffes auf. Und zwei Fahrten der Klostersande nach Hamburg stehen auch schon auf dem Programm.

Mehr als 1600 Touren machte die „Klostersande“

Von 1968 bis 2000 war die MS „Klostersande“ für das Unternehmen Peter Kölln im Dienst. Das 1967 gebaute, 6,62 Meter breite Schiff unternahm exakt 1676 Reisen. Mit einer Kapazität von 500 Tonnen war es das größte und letzte Schiff einer Viererflotte, die eingesetzt wurde, um Hafer und Futtermittel über die Krückau nach Hamburg zu transportieren. Nach seiner Stilllegung verbrachte der Frachter seinen Ruhestand 13 Jahre lang fern der Krückau-Stadt, bis der im Juli 2013 gegründete Verein das Binnenschiff für 55.000 Euro kaufte.

Zehn Besucher waren schon am Sonnabend auf und unter Deck. „Das toppen wir heute locker“, ist sich Kathrin Mohr am Sonntag gewiss, zumal es einen großen Aufruf bei Facebook gibt. „Vor zwei Jahren kamen nur 15 Besucher an den zwei Tagen“, resümiert sie. Und zehn Minuten später begrüßt sie freudestrahlend ein neues Mitglied.

„Tage der Industriekultur am Wasser“ an 110 Denkmalen

Das erfolgreiche Industriekulturfestival ging in der ganzen Metropolregion in die sechste Runde: Am letzten Oktoberwochenende sind die „Tage der Industriekultur am Wasser“ mit mehr als 110 Denkmalen an 49 Orten eine interessante Ausflugsalternative. Viele weithin unbekannte und verborgene Schätze der Industriegeschichte öffnen ihre Tore einem breiten Publikum, zeigen ihre Technik und erzählen ihre Geschichte, in der immer wieder das Wasser eine Hauptrolle spielt. In Zusammenarbeit mit dem Industriemuseum Elmshorn beteiligte sich die Mannschaft der „Klostersande“ in diesem Jahr einmal mehr an dem zweitägigen Festival.

Die „Tage der Industriekultur am Wasser“ werden alle zwei Jahre von der Metropolregion Hamburg organisiert. Die Metropolregion Hamburg ist Mitglied im Europäischen Netzwerk der Industriekulturrouten ERIH (European Route of Industrial Heritage). Vor zwei Jahren kamen laut Veranstalter mehr als 12.000 Besucher an zwei Tagen.