Kreis Pinneberg. Die Bundestagskandidaten im Kreis Pinneberg, heute: Jens Herrndorff (Grüne). Warum er Fettes Brot und seine Schiebermütze mag.

Er ist der Mann mit der Schiebermütze, auf den Wahlplakaten und in echt: Gut 100 Termine hat Jens Herrndorff (52), der mit seiner Frau und drei Töchtern in Barmstedt lebt, schon in diesem Outfit im Wahlkampf bestritten. Mit dem Bauernverband hat der grüne Wahlkreiskandidat über ökologische Landwirtschaft diskutiert, mit dem Kommandeur der Unteroffizier-schule der Luftwaffe die Zukunft der Bundeswehr besprochen und sich bei der Kreisverkehrsgesellschaft für die Einführung von Elektrobussen eingesetzt. Er war im Pinneberger Baumschulmuseum, hat eine erfolgreiche Solarfirma in Schenefeld und die Windenergie-Offshore-Parks auf Helgoland besucht. Dazu Diskussionen mit der DGB-Jugend, mit den anderen Wahlkreiskandidaten in Schulen und dem Unternehmensverband und natürlich Hausbesuche. Wie jüngst in Uetersen mit Parteifreund Thorsten Berndt.

„Es gibt eine Wechselstimmung in der Bevölkerung - definitiv“, ist Herrndorffs Erfahrung aus den vielen Gesprächen in den letzten Wochen. Die Stimmung im Wahlkreis bewerte er als „extrem positiv“ für die Grünen. „Wir erfahren sehr viel Zuspruch, von jungen und älteren Leuten.“

Klimaschutz-Frage überrage alles

Die Klimaschutz-Frage überrage alles. „Das ist das Hauptthema schlechthin“, sagt er. „Und da haben wir Grünen die größte Kompetenz und das beste Angebot.“ Das werde auch anerkannt. Die Leute könnten unterscheiden, wer sich schon immer für den Klimaschutz einsetze und wer das erst seit Kurzem behaupte, auf Bundesebene in der Regierung aber kaum etwas dafür tue. „Es ist doch ein Armutszeugnis für die bisherige Regierung, dass das Bundesverfassungsgericht eine striktere Klimapolitik fordert.“

Für den Kreissprecher der Grünen reichen die bisherigen Maßnahmen längst nicht aus. „Wir müssen einen CO2-Preis einführen“, fordert er. „Das hat die Große Koalition versäumt.“ Jede Tonne CO2-Ausstoß solle 60 Euro kosten, erklärt Herrndorff. Damit die Bürger aber nicht zusätzlich belastet werden, solle das Geld durch eine Pro-Kopf-Pauschale an sie zurückfließen. „So schaffen wir dabei einen sozialen Ausgleich.“ Mit diesem finanziellen Steuerungsinstrument solle vor allem die Industrie zu einer klimaschonenderen Produktion verleitet werden.

Auch der Kreis Pinneberg müsse umsteuern. Autobahnbauten lehnt Herrndorff kategorisch ab. Weder der Bau der A 20 noch der sechsspurige Ausbau der A 23 seien sinnvoll oder hätten einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Zumal die Planungen dafür völlig veraltet seien. Stattdessen sollte konsequent auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gesetzt werden, so der grüne Bundestagskandidat. Das dritte und vierte Fernbahngleis seien dringend notwendig und müssten endlich realisiert werden, damit die Zugverbindungen attraktiver und die Züge zwischen Elmshorn, Tornesch, Pinneberg und Hamburg nicht mehr so überfüllt seien. Wenn man das Geld, das in den Autobahnplanungen vergeudet worden sei, in die Verbesserung des Schienenverkehrs gesteckt hätte, gebe es heute diese Staus und Engpässe nicht auf den Kreisstraßen, ist Herrndorff überzeugt.

Herrndorff will sein E-Auto mit anderen Barmstedtern teilen

Der Grünen-Politiker will dabei selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Er fährt ein kleines Elektrofahrzeug, das er auch anderen Leuten zur Verfügung stellen möchte. Dies solle über ein Carsharing-Modell geschehen. Das Einverständnis der Stadt Barmstedt habe er bereits. Die Stadtwerke würden es mit einer leistungsfähigen Aufladestation unterstützen. Am Software-Programm werde noch gearbeitet. Los soll das Projekt Ende des Jahres gehen.

Als Manager der bekannten Hip-Hop-Band Fettes Brot, deren Mitglieder alle aus dem Kreis Pinneberg kommen, wisse er um die Probleme freischaffender Künstler und anderer Berufstätiger in der Corona-Krise. „Wir hatten Null-Einnahmen aus Live-Auftritten.“ 44 Festivals mussten abgesagt werden. Aktuell gebe es jetzt das Problem, dass die infrage kommenden Konzerthallen oft schon ausgebucht seien. „Wir gehen erst 2022 wieder auf Tour“, sagt Herrndorff. „Sechs Familien leben davon.“

Mehr Sicherheit für Kulturschaffende gefordert

Darum möchte er sich in Berlin dafür einsetzen, dass Kulturschaffende künftig bei solchen Krisen nicht noch einmal wie in den letzten anderthalb Jahren so allein gelassen werden, Angst um ihre Existenz haben und Hartz-IV beantragen müssten. „Kultur muss zu einer bundespolitischen Querschnittsaufgabe werden und darf nicht länger nur Ländersache sein“, fordert Herrndorff. Da spiele Bildungs-, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik mit rein. Die große Frage nach Corona werde lauten: „Wie kriegen wir die Kultur zu den Menschen?“

Wobei die Kulturförderung nicht bei den auch wichtigen Zuschüssen für Theater und Museen aufhören dürfte, sondern weiter gefasst auch Streetart-Kunst oder Gaming einschließen sollte. „Wir müssen traditionelle Pfade verlassen.“ Tolle kleine Kulturprojekte im Kreis wie die Kulturschusterei in Barmstedt sollten unterstützt werden. „Viele Kulturschaffende leben von der Hand in den Mund.“ Das müsste sich ändern.

Herrndorff muss den Wahlkreis direkt gewinnen. Listenplatz 10 dürfte nicht ausreichen, um in den Bundestag gewählt zu werden. „Ich kämpfe um das Direktmandat.“ Für mögliche Koalitionen in Berlin bleibt der grüne Kandidat offen für „alle demokratischen Parteien“, sagt Herrndorff. Entscheidend werde sein, wie die Partner zum Klimaschutz stünden. Da würden die Grünen „keine Kompromisse“ eingehen.

Und warum trägt er überall diese schicke Mütze? „Sonst sehe ich aus wie Olaf Scholz.“