Kreis Pinneberg. Kritiker des A23-Ausbaus holen Umweltanwalt Wilhelm Mecklenburg an Bord, der schon A20-Ausbaupläne erfolgreich beklagte. Sein Rat.
Für ihren Widerstand gegen den geplanten Ausbau der A23 holte sich die „Bürgerinitiative für umweltfreundliche Mobilität“ in Rellingen jetzt fachliche Unterstützung und Rechtsberatung. Der Pinneberger Umweltanwalt Wilhelm Mecklenburg, der schon die Ausbaupläne der Pinneberger Westumgehung, des Flughafens Lübeck, der A20 und der Fehmarnbeltquerung erfolgreich beklagt hat, stand den 40 BI-Vertretern und betroffenen Anliegern im Rellinger Turnerheim zwei Stunden lang Rede und Antwort.
Sein Rat: „Schließen Sie sich zusammen und gründen Sie einen Verein. Solidarität ist die einzige Chance, die Sie haben“, so der erfahrene Fachanwalt. „Sie brauchen einen extrem langen Atem.“ Einer allein könne das nicht durchstehen, weder mental noch finanziell.
A23-Ausbau: Anwohner fürchten mehr Abgase und Lärm
Als einen „Hilferuf“ bezeichnete Christiane Degner-Wehmeier von der BI einleitend die Einladung an den Verwaltungsjuristen Mecklenburg. Sie und ihre Mitstreiter um den BI-Sprecher Jochen Hilbert wollen unbedingt verhindern, dass die A23 auf rund 16 Kilometern zwischen der Abfahrt Tornesch und dem Dreieck Hamburg Nordwest von vier auf sechs Fahrstreifen vergrößert wird.
Anwohner und Kritiker fürchten mehr Abgase und Lärm nach dem Motto: „Wer Straßen sät, wird noch mehr Autoverkehr ernten.“ Am Ende des Vortrags von Mecklenburg sagte Degner-Wehmeier etwas desillusioniert: „Jetzt gehen wir alle schweren Herzens nach Hause. Aber es war doch hilfreich.“
Denn letztlich würde der Ausbau kaum zu verhindern sein, sagte Mecklenburg aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung bei solchen Straßenbauprojekten. Bislang sei in Deutschland noch keine zu Ende geplante Autobahn nicht gebaut worden. Aber der Ausbau ließe sich verzögern, so Mecklenburg. Und zwar durchaus um Jahre.
„Es ist nicht hoffnungslos. Ich werde den Ausbau wohl nicht mehr erleben“, sagte der 71 Jahre alte Physiker und Jurist. 26 Jahre habe allein der Bau der Westumgehung in Pinneberg gedauert. „Jeder Tag, der nicht gebaut wurde, sparte den CO2-Jahresausstoß eines Pkw. Jede Verzögerung des A23-Ausbaus schützt das Klima“, so Mecklenburg. Rund 12.000 Tonnen CO2 seien es im Jahr beim A23-Ausbau, die nicht die Umwelt belasteten.
Enteignungen hält Mecklenburg für unwahrscheinlich
Konkret gebe es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie insbesondere die betroffenen zwei Dutzend Anlieger, die Grundstücke für den Ausbau abtreten müssten, das Projekt verzögern könnten. Diese müssten zwar die Planer, die jetzt Vermessungsarbeiten entlang der Strecke machten, auf ihre Grundstücke lassen. Aber nur dann, wenn dies auch tatsächlich zwei Wochen zuvor angekündigt worden sei. Sie sollten aber keinesfalls die Planer von der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) in ihr Haus lassen und schon gar nicht allein mit ihnen verhandeln. „Sonst werden Sie über den Tisch gezogen.“
Enteignungen seien möglich, aber unwahrscheinlich, so Mecklenburg. Die habe es auch beim sechsspurigen Ausbau der A7 nicht gegeben, obwohl es in mehr als 100 Fällen möglich gewesen wäre. Zwar hätten Eigentümer keinen Anspruch auf den Wertverlust ihrer Häuser, sondern nur auf den Verkehrswert der Grundstücke. Er wisse aber von ähnlichen Fällen im Lübecker Raum, wo Eigentümer am Ende das Zehnfache des anfangs gebotenen Preises bekommen hätten. Das sei ohne juristische Unterstützung aber kaum zu erreichen.
Dass die A23 tiefergelegt werden könnte, um den Lärm zu vermindern, wie einige Politiker in Rellingen behaupteten, hält Mecklenburg für ausgeschlossen. „Ein Tunnel ist absurd.“
Aufträge dürfen nicht einfach an Deges übertragen werden
Dass dieser Ausbau, der schon seit 2016 im Bundesverkehrswegeplan stehe, ausgerechnet jetzt angefangen werde, liege daran, dass die Deges die A20 zu Ende geplant habe. Die Firma, die ursprünglich nach der Wende für den Autobahnbau in Ostdeutschland gegründet wurde, brauchte neue Aufträge. Und der Staat werfe ihnen das Geld hinterher, so Mecklenburg.
Dabei sei rechtlich nicht geklärt, ob die Deges überhaupt den A23-Ausbau planen dürfte. Denn laut Gesetz sei dafür die Autobahn GmbH mit 12.000 Mitarbeitern zuständig, die nicht so einfach Aufträge an die Deges übertragen dürfe. „Lassen Sie sich also den Planungsauftrag zeigen, wenn die Deges-Leute auf Ihr Grundstück wollen“, riet der erfahrene Anwalt.
Grundsätzlich habe die BI noch viel Zeit. Selbst die Deges wolle den Planfeststellungsbeschluss erst bis 2025 erwirken und den Ausbau bis 2030 fertigstellen. Diese lange Planung solle auch den Widerstand brechen, weiß der erfahrene Anwalt. Kaum eine BI halte jahrzehntelang durch. Aber die Klimakatastrophe, die jetzt auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt hat, spiele den Gegnern langfristig in die Karten.
Mecklenburg: Klare Kante gegen A23-Ausbau zeigen
„Wir stehen vor dem größten Artensterben nach dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Wenn die Grönland-Gletscher schmelzen, steigt der Meeresspiegel“, so Mecklenburg. Dann werde Schleswig-Holstein überflutet sein. Angesichts dieser Krise müssten Bevölkerung und Politik endlich einsehen, dass „heute jede Landschaft für einen Autobahnbau zu schade ist“, so Mecklenburg.
Darum rate er den Rellinger A23-Ausbau-Gegnern: „Sie müssen klare Kante gegen den A23-Ausbau fahren und wie ein Mantra vor sich her tragen, dass wegen der Klimaproblematik keine Autobahnen mehr gebaut werden dürfen.“ Schon jetzt gelte: „Es gibt keinen Planungsauftrag, dass ein Bundesland eine Autobahn bauen muss, weil sie im Bundesverkehrswegeplan steht.“
Für den geplanten sechsspurigen Ausbau der A23 beginnen in der kommenden Woche Vermessungsarbeiten. Vom 21. bis 23. September (Dienstag bis Donnerstag) wird es deshalb zwischen den Anschlussstellen Halstenbek-Krupunder und Pinneberg-Süd Tagesbaustellen geben. In der verkehrsärmeren Zeit zwischen 9 und 15 Uhr wird in beide Fahrtrichtungen eine Spur abschnittsweise gesperrt, so die Autobahn GmbH. Der Verkehr werde mit Tempo 80 km/h in beide Richtungen an den Baustellen vorbeigeführt.