Elmshorn. Elke-Maria Lutz gibt nach 15 Jahren den Vorsitz des von ihr selbst gegründeten Kinderschutzbundes Elmshorn ab.

„Kein Kind gehört in Hartz IV“ – unter diesem Motto leitet Elke-Maria Lutz den Ortsverband Elmshorn des Deutschen Kinderschutzbundes seit 2006. Ende August endet diese Ära: Mit 78 Jahren geht die engagierte Elmshornerin in ihre zweite Rente. Ihr administrative Tätigkeit übernimmt dann Sarah Hentenaar. Eine Nachfolge für den Vorsitz wählen die 140 Mitglieder des Vereins am Dienstag.

15 Jahre Einsatz für den Kinderschutz

In den 15 Jahren hat Lutz sich mit Herzblut für die Kinderschutzarbeit in Elmshorn stark gemacht. Auf Kinderarmut, Vernachlässigung, Misshandlung oder Gewalt hinzuweisen und effektive Hilfsangebote zu entwickeln war ihr ebenso wichtig wie Präventionsarbeit. Lutz hat den Kinderschutzbund, wie er heute aufgestellt ist, entscheidend gestaltet und geprägt. Heute ist der Kinderschutzbund in Elmshorn als Lobby der Kinder sowohl als Anlaufstelle für Familien als auch als Ansprechpartner für Politik, Verwaltung und Institutionen in der Stadt geschätzt und etabliert.

Elke-Maria Lutz war mehr als drei Jahrzehnte als Richterin am Amtsgericht in Elmshorn tätig. Die berufliche Auseinandersetzung mit Menschen, die oft schwierige Lebenswege hatten, sowie der tragische Fall um den Tod des zweijährigen Tim, der vom neuen Lebenspartner der Mutter 2006 in Elmshorn erschlagen worden war, motivierten sie vor 15 Jahren, gemeinsam mit anderen engagierten Menschen in Elmshorn einen Ortsverband des Kinderschutzbundes zu gründen. Damit hatte auch die sechstgrößte Stadt im Land eine solche Institution. Die Folgen von Kinderarmut für Betroffene abzumildern hat sich der rechtlich selbstständige gemeinnützige Verein auf die Fahne geschrieben.

Kinderschutzbund unterstützt etwa 100 Familien in Elmshorn

Kinder in Deutschland leben Lutz’ Einschätzung zufolge überdurchschnittlich oft in Armut und haben eingeschränkte Bildungschancen. Nach ihrer Definition sind 25 Prozent aller Kinder in Elmshorn von Armut betroffen. Sie leben in Haushalten, die Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen oder trotz Arbeitseinkommens aufstockende Leistungen vom Jobcenter benötigen. Aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen weitgehenden Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens habe sich die bereits vorher bestehende soziale Ungleichheit in Deutschland verschärft.

Etwa 100 Kindern und deren Familien unterstützt der Ortsverein des Kinderschutzbundes mit niedrigschwelligen Angeboten. Er bietet benachteiligten Kindern einen geschützten Raum im offenen Spiel- und Lernkreis (jeweils dienstags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr), ermöglicht kostenlosen Sportunterricht, bietet Ferien an der Ostsee, führt Kinder an gesundes Frühstück heran, bezuschusst Ausflüge, Kindermöbel, Brillen, Schulranzen oder Therapien.

Jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat gibt es ein internationales Mütterfrühstück in den Räumen an der Jürgenstraße, und jeden Montag gibt es von 9.30 Uhr an im Büro einen Integrationskursus für Mütter. „Wir haben uns auch zu einem Treffpunkt der Migrantenfrauen entwickelt, wir leisten Integrationshilfe und bieten Deutschkurse an“, sagt Elka-Maria Lutz. „Wir beraten in allen Angelegenheiten. Was wir nicht können, vermitteln wir weiter“.

Elmshorn hat einen Platz der Kinderrechte

Das erste größere Projekt des Vereins war das Angebot einer Kinderbetreuung für einkaufende Eltern an jedem Sonnabend zwischen 10 und 15 Uhr, das der Kinderschutzbund gemeinsam mit der Kirchengemeinde St. Nikolai und dem Stadtmarketing aus der Taufe hob. Ein weiterer Erfolg seiner engagierten Arbeit wurde am Weltkindertag im September 2018 sichtbar.

Denn auf Initiative des Kinderschutzbundes richtete Elmshorn vor der Nikolaikirche einen Platz der Kinderrechte ein. Auf einem Metallschild vor dem Platz sind die wichtigsten Rechte der Kinder für alle sichtbar festgehalten, auch das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung gehört dazu. Damit war die Krückaustadt Vorreiter. In Schleswig-Holstein und Hamburg fanden sich zu diesem Zeitpunkt keine vergleichbaren Projekte, deutschlandweit gab es drei solcher Plätze. Mittlerweile zogen andere Städte wie Pinneberg nach.

Auf Lutz’ Initiative wurde im Sommer 2018 auch eine temporäre Spielstraße in der Jürgenstraße eingerichtet. Bis Oktober können Kinder jeden ersten Dienstag von 15 bis 18 Uhr gefahrlos vor dem Büro des Kinderschutzbundes spielen. Besonders unkompliziert und schnell half der Kinderschutzbund Menschen während der Corona-Krise im April 2020. Bedürftige Familien erhielten Lebensmittelgutscheine von Handelsketten.

Lutz studierte Jura, wurde Jugendrichterin

Die Hilfsbereitschaft scheint Elke-Maria Lutz schon in die Wiege gelegt worden zu sein. Bereits ihre Eltern engagierten sich in Lüchow-Dannenberg beim Deutschen Roten Kreuz. Mit 16 Jahren gründete die 1942 Geborene dort dann mit ihrem vier Jahre jüngeren Bruder ihren ersten Verein, den „Grünen Kreis“. „Wir halfen älteren Menschen, gingen für sie einkaufen oder haben ihnen vorgelesen“, erinnert sie sich. Sie wurde ebenfalls Mitglied beim DRK, absolvierte dort eine Schwesternhelferinnenausbildung und hatte den Wunsch, nach dem Abitur Medizin zu studieren. „Doch dann las ich ein Buch über eine Jugendrichterin.“

Gegen den Wunsch ihres Vaters begann sie ihr Jurastudium in Tübingen. 1965 wechselte sie nach Kiel, macht dort ihr Erstes und 1970 in Hamburg ihr Zweites Staatsexamen. Und auch während ihres Studiums half sie in Krankenhäusern oder war Tutorin in einem Studentenwohnheim. Als ausgebildete Juristin arbeitete sie drei Jahre in Hamburg-Mitte und erhielt dann eine Planstelle mit einer Sonderzuständigkeit für sexuellen Missbrauch.

Lutz engagiert sich in diversen Bereichen

1974 fing Lutz als Jugendrichterin beim Amtsgericht in Elmshorn an. Zehn Jahre später wurde ihre Idee, jugendliche Straftäter von ehrenamtlichen Bewährungshelfern begleiten zu lassen, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die dreifache Mutter engagierte sich in der Musikschule Elmshorn, in der Familienbildungsstätte, im Förderverein Jugendpsychiatrie und im Kriminalpräventiven Rat, bis sie 2006, ein Jahr vor ihrem Ruhestand, den Kinderschutzbund gründete.

Jetzt tritt sie kürzer. „Ich habe immer ehrenamtlich gearbeitet. Ich will auch weiterhin etwas für den Kinderschutzbund tun. Aber ich möchte jetzt wirklich nur noch das machen, was mir Spaß macht, mich nicht mehr mit dem bürokratischen Krempel befassen.“