Prisdorf. „Farben in wechselndem Licht“: Der Prisdorfer Autor hat ein neues Buch mit Erzählungen veröffentlicht. Lesung am 12. Juni.
War er ein strenger Deutschlehrer? Hat der Prisdorfer Autor Joachim Frank (68) während seiner 34 Jahre, die er an einer Wilhelmsburger Berufsschule unterrichtet hat, viel aus den Aufsätzen seiner Schüler herausgestrichen? Ja, das hat er wohl, überlegt er. Und greift er selbst zur Feder, vermeidet er das Fabulieren, Schwärmen und Ausschmücken.
Das fällt schon beim Lesen seiner ersten Kurzgeschichte auf, die in dem Band „Farben in wechselndem Licht“ erschienen ist. Frei nach dem Motto: Weniger ist mehr. Am 12. Juni liest er ab 19 Uhr in der Haseldorfer Galerie Cavissamba Kostproben daraus vor. Die erste Lesung nach langer, schmerzlicher Corona-Enthaltsamkeit.
Joachim Frank schrieb Reisebericht
Als er mit 63 Jahren raus war aus dem Lehreralltag, genoss Joachim Frank erst mal die neu gewonnenen Freiheiten. Aber dann knüpfte er an die von Jugend an liebgewonnene Gewohnheit an, Geschichten zu schreiben.
Eine Zeit lang lag sein Augenmerk auf Reiseberichten, mit denen er gute Erfolge hatte: „Ich bin mit meiner Frau auf eigene Faust umhergereist, wir haben einfach ein Flugticket gekauft, die Rucksäcke gepackt und los“, erinnert er sich. Als er nach einer Malaysia-Reise mal wieder feststellte, dass die Fotos überhaupt nicht das wiedergaben, was sie erlebt hatten, kam ihm die Idee, es aufzuschreiben.
Was für seine Reiseliteratur gilt, gilt auch für die Kurzgeschichten: „Es geht mir immer um Momente, die man erinnert. Prägende und spezielle Momente, die man aus dem Alltäglichen herausschnitzt. Ich bin auf der Suche nach solchen Momenten. Die versuche ich zu gestalten“, sagt Joachim Frank. Der Zauber des Reisens habe für ihn eben darin gelegen. Und in Begegnungen, „die sind mindestens genauso wichtig wie Sehenswürdigkeiten. Dafür sollte man sich Zeit nehmen.“
Bevor er etwas veröffentlicht, folgt das Streichen und Feilen
Auch in dem Band „Farben in wechselndem Licht“ bilden solche „Reiseperlen“ den ersten Teil. Dann folgen bunt gemischte Kurzgeschichten und Erzählungen, denen zwar ein innerer roter Faden abgeht, die aber alle in einer Pointe aufflackern, ein Aha-Erlebnis verschaffen oder die Leserin zu einigem Nachdenken bringen, weil sie dem Verdrängen die Stirn bieten.
„Ich mache das aus Spaß an der Sache. Man lernt viele Menschen kennen, ich mache auch gern Lesungen. Das ist sinnstiftend, man erlebt Höhen und Tiefen und bleibt im Geschehen“, sagt Joachim Frank. Bevor er etwas veröffentlicht, geht ein langwieriger Prozess des Streichens und Feilens los. „Der Anlauf sollte nicht ermüdend, die Konstellation klar sein“, meint Frank. „Ich bin da ein Purist. Ich möchte meinen Stoff verdichten.“ Meist seien die Geschichten anfangs deutlich länger, „dann schneide ich weg. Vielleicht ist das ein Berufsschaden“, sagt er bescheiden.
Autor sollte „seine Grenzen“ kennen
Seltsamerweise ist seine persönliche „Bibel“ gut tausend Seiten lang: „Der Zauberberg“ von Thomas Mann. „Den habe ich schon mehrfach gelesen, mit immer größerem Gewinn.“ Ihn faszinieren die Parallelwelt, in der die Figuren leben, die vielen kleineren Darsteller und natürlich die Sprachkunst des Dichters.
„Wichtig ist für jeden Autor, dass er seine Grenzen kennt. Ein Roman ist ein Hochgebirge, eine Kurzgeschichte kann man leichter bewältigen, bis man zufrieden ist“, sagt Frank. Sein erster Roman erschien 2006 und hieß „Fixsterne“. Weil er weiß, wie viel Arbeit in so einem Werk steckt, hält er sich zurück, was Genaueres zu seiner aktuellen Beschäftigung betrifft. Es soll wieder ein Roman werden.
Joachim Frank arbeitet an neuem Roman
Joachim Frank blickt hinter der Redakteurin an die Wand. Dorthin, wo seine Niederländer hängen. Gemälde des 17. Jahrhunderts. Ein Genrebild, eine Landschaft, und rechts eine Feuersbrunst von Egbert Van der Poel. Keine Kopien, sondern Originale. Bilder weniger bekannter Maler, die er liebt und für deren Gemälde er eine Passion entwickelt hat.
Auch sein neuer Roman spielt im Künstlermilieu, und zwei seiner Kurzgeschichten sind dort angesiedelt. In der einen geht es um eben diese Feuersbrunst, die der Niederländer Van der Poel gemalt hat, seit er den großen Brand in Delft vom anderen Ende der Stadt mit ansehen musste und dabei Frau und Tochter verlor, die in den Flammen umkamen. Van der Poel malte seitdem nur noch Flammen-Infernos, die sich nicht sonderlich gut verkauften. Frank schreibt darüber, wie den Protagonisten der Geschichte, in diesem Fall ihn selbst, die Sammelleidenschaft übermannte und er in den Besitz des Gemäldes kam, das nun in Prisdorf an der Wand hängt.
Thema Altern humorvoll verpackt
Der Titel „Kartoffeln schälen“ ist Synonym einer in Ritualen erstarrten Ehe, deren Ende einen erstaunlichen Effekt auf die Ehefrau hat und von Joachim Frank in einem einzigen Satz gebündelt wird. Die lustig-freche Geschichte „Fit in den Frühling“ gleicht dagegen einer Schlacht, die nach dem ersten, unbeabsichtigten Schlag seinerseits nur noch ihrerseits weitergefochten wird. Denn wenn er ihr schon ein Fitnessarmband zum Geburtstag schenkt, dann soll er doch sein blaues Wunder erleben! Hier hat Frank das verbreitete Thema des Aus-Dem-Leim-Gehens und Alterns witzig verpackt.
Tief geht die Geschichte „Rosenblätter“, in der der Autor in die Haut eines Mannes schlüpft, dessen Freund sterbenskrank ist. Es ist nicht einfach, Sprachlosigkeit in Worte zu fassen. In Fragen. In Leerstellen. Und es kommt zu einer ehrlichen Konfrontation mit dem leeren Alltagsgefasel, das plötzlich nicht mehr funktioniert, weil die Krankheit die Zukunft aufgefressen hat. Hier kommt Joachim Frank wohl sich selbst am nächsten.
Ein märchenhaft schönes Bild baut er schließlich am Ende seines Bandes zu einer berührenden Weihnachtsgeschichte aus, die alle, die sie erleben, zurückführt zu den wesentlichen Dingen des Lebens. Und das in größtmöglicher Schlichtheit.
Lesung Galerie Cavissamba, Haseldorfer Chaussee 45 in Haseldorf, Sonnabend, 12. Juni, 19 Uhr, Eintritt zehn Euro, Voranmeldung notwendig unter Telefon: 04122 /9275788 oder per Mail an: Leni-rieke@web.de.
Joachim Frank, „Farben in wechselndem Licht“. Wiesenburg Verlag, 193 S., 12.80 Euro