Haselau. Storchenpaar Robert und Rosalie hatten Mitte Februar fünf Küken ausgebrütet - ein Rekord. Dann kam der Sturm mit Regen und Kälte.

Die Freude war Mitte Februar groß in Haselau, als das Storchenpaar Rosalie und Robert in ihren Horst bei Familie Thomsen zurückkehrte. Noch größer war die Freude, als fünf Storchenjunge geboren wurden – ein neuer Geburtenrekord des Paares.

Doch dann kam der Sturm mit viel Regen und niedrigen Temperaturen. „Keines der Jungen hat das überlebt“, sagt Gabriele Thomsen traurig. Normalerweise rudern die Storcheneltern, um den Nachwuchs mit ihrem eigenen Körper zu wärmen. Doch diesmal hatten ihre Mühen keinen Erfolg, es war zu lange zu kalt.

Viele Storchenbruten sterben den sogenannten Regentod

„Auch andernorts sind Jungstörche während der Schlechtwetter-Periode gestorben“, sagt Jörg Heyda von der Nabu-Arbeitsgruppe Storchenschutz. In Eggebek im Kreis Schleswig-Flensburg und Todenbüttel im Kreis Rendsburg-Eckernförde beispielsweise sei die Brut gescheitert.

Die Zahl dieser Meldungen sei allerdings gering, aus dem einfachen Grund, das so früh im Jahr nur wenige Storchenküken schon geschlüpft seien. Bei extremen Niederschlagsmengen wie 40 bis 70 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden oder mehreren kalten Regentagen hintereinander, sterben sehr viele Bruten den sogenannten Regentod. „Wenn die Küken so klein sind, haben sie der Kälte nichts entgegen zu setzen und ihr Immunsystem ist noch schwach“, so der Storchenexperte.

Rolf und Gabriele Thomsen aus Haselau sind 2015 auf den Storch gekommen. Im Hintergrund ist Storch Robert zu sehen.
Rolf und Gabriele Thomsen aus Haselau sind 2015 auf den Storch gekommen. Im Hintergrund ist Storch Robert zu sehen. © HA | Elvira Nickmann

Gabriele Thomsen hofft nun darauf, dass Robert und Rosalie einen zweiten Versuch wagen. Doch die Chancen stehen eher schlecht. „Als Faustformel gilt der 10. Mai. Wer dann noch keine Eier gelegt hat, hat schlechte Karten“, sagt Heyda. Die Störche wüssten intuitiv, dass es für eine erfolgreiche Aufzucht zu spät ist. Die Brutzeit bei Störchen daure 30 bis 32 Tage.

Nach dem Schlüpfen sind die später roten Beine und der Schnabel zunächst noch schwarz. Die Aufzucht, bis sie fliegen können, benötige noch mal mindestens 70 Tage. Spätgeschlüpfte fänden häufig nicht mehr genügend Futter. „Im trockenen Sommer gibt es kaum Regenwürmer, die den Störchen als erste Nahrung dienen“, sagt der ehrenamtliche Weißstorch-Gebietsbetreuer. Allein ein Jungstorch vertilgt pro Tag etwa ein Pfund Lebendfutter.

Gutes Storchenjahr zuletzt 2019

Trotz einzelner Rückschläge und Schwankungen gehe es den Beständen in Schleswig-Holstein gut, sagt Heyda. 350 Paare wurden in diesem Jahr gezählt, davon 22 im Kreis Pinneberg. Ihre Überlebensrate ist auch höher, weil immer mehr Störche die Westroute wählen und in Spanien und Portugal überwintern würden statt in der westafrikanischen Sahelzone zwischen Senegal und Tschad.

In Portugal hat die Zahl der überwinternden Weißstörche zwischen 1995 und 2015 von 1200 Individuen auf 14.400 zugenommen. In Spanien ist die Entwicklung ähnlich. Die Weißstörche auf der Iberischen Halbinsel finden viel Futter, auch auf offenen Müllhalden. „Mit der kürzeren Zugroute haben sie ein geringeres Risiko zu verunglücken“, so Heyda. In der Folge ist der Bestand des Weißstorchs in Westeuropa stark angestiegen. Auch die Haselauer Störche Robert und Rosalie haben vermutlich in Portugal oder Spanien überwintert. Das lässt ihre frühe Ankunftszeit Mitte Februar vermuten. Störche, die ihr Winterquartier in Afrika haben, kommen später.

Das Storchenpaar Robert und Rosalie kehrt seit 2015 jedes Jahr zu Familie Thomsen nach Haselau zurück.
Das Storchenpaar Robert und Rosalie kehrt seit 2015 jedes Jahr zu Familie Thomsen nach Haselau zurück. © Rolf Thomsen | Rolf Thomsen

„Vor zwei Jahren hatten wir ein besonders gutes Storchenjahr, weil es auch sehr viele Mäuse gab“, sagt der Nabu-Storchenbeauftragte. 355 Paare seien es damals gewesen, 2020 wurden 295 gezählt. Nach zwei Jahren sind die Störche dann geschlechtsreif. Da die Nesttreue bei den Störchen größer sei als die Partnertreue kämen sie immer wieder, so wie Robert und Rosalie, die sich 2015 zum ersten Mal in dem von Tischlermeister Rolf Thomsen gebauten Horst niederließen - und seitdem jedes Jahr wieder dorthin kommen.

2016 bekam das Storchenpaar zum ersten Mal Nachwuchs, zunächst legten sie zwei Eier. Im Jahr darauf waren es schon drei und dann jedes Jahr vier. Nicht immer überleben alle Küken. 2018 warfen Robert und Rosalie ein Junges aus dem Nest. Dank einer Webcam am Nest bemerkten Rolf und Gabriele Thomsen das aber rechtzeitig. Sie nahmen das Küken in ihre Obhut und päppelten es auf. Findelstorch Lucky schaffte es und flog im Winter davon.

Der Storch ist ein gerngesehener Gast. „Die Menschen sehen in dem Storch einen Glücksbringer und Frühlingsboten“, sagt Heyda. „Sie zu beobachten ist wie TV-Programm ohne Werbeeinblendungen.“ Er und 20 weitere Kollegen zählen Schleswig-Holstein-weit die Störche, pflegen Kontakte mit örtlichen Nestbesitzern, bergen verunglückte Vögel, sorgen dafür das ungesicherte Strommasten nicht zur Todesfalle für Störche werden, erstellen jährliche Brutstatistiken, beringen Jungstörche, beraten bei Nestsanierung und lesen regelmäßig ihre Ringe ab. „Das ist wie ein Lebenslauf“, sagt Heyda. Die Ringe sind in einer Datenbank registriert. Wird der Ring abgelesen, werden die Daten dem Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“ gemeldet. Daneben gibt es noch die Vogelwarte Radolfzell und Hiddensee.

Kleiner Trost für Familie Thomsen in Haselau: Sie kümmern sich derzeit um fünf Wildentenküken. Die Entenmutter hatte das Gelege mit elf Eiern verlassen und war nicht wieder zurückgekehrt. Nun sind fünf Küken geschlüpft. Die ersten drei Wochen verbringen sie im Haus und kommen dann mit ihrer Wärmelampe in den Hühnerstall. „Bei schönem Wetter waren sie auch mit draußen auf der Picknickdecke“, erzählt Gabriele Thomsen. Angst davor, dass sie weglaufen, hat sie nicht. Seit dem Schlüpfen sind die Kleinen auf sie fixiert. Die Familie möchte sie später auswildern.

Auf der Internetseite www.stoercheimnorden.jimdofree.com geben die ehrenamtlichen Storchenbeauftragten in Schleswig-Holstein Tipps, wie man ein Storchennest baut, pflegt oder wie man die Ringe abliest und wohin man die Informationen weiterleiten kann.