Hemdingen. Amtsverwaltung sieht gravierende Mängel in der Auftragsvergabe an Architekten, der auch Hemdinger Bürgermeister ist.

Die Gemeinden Hemdingen, Heede, Bilsen und Langeln stehen vor einem Scherbenhaufen. Eigentlich hätten sie in diesem Jahr nach vier Jahren Planung mit dem Bau eines dringend notwendigen Ersatz-Kindergartenbaus beginnen wollen. Doch das 2,4-Millionen-Euro-Projekt liegt auf Eis. Das Amt Rantzau hat das Projekt gestoppt, weil es gravierende Mängel im Vergabeverfahren aufweise. „Wir haben da keine Wahl. Das ist alternativlos“, sagt Bauamtsleiter Alexander Harms. „Auch wenn es jetzt zu Verzögerungen kommt – so dürfen wir nicht weiterarbeiten.“

Hemdingens Bürgermeister Hans-Hermann Sass.
Hemdingens Bürgermeister Hans-Hermann Sass. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Insbesondere sei die Auftragsvergabe der Architektenleistungen an Hans-Hermann Sass (76), seit 20 Jahren der Bürgermeister Hemdingens, nicht korrekt gelaufen. So hätte bereits die erste Beauftragung Sass’ 2018 durch den Amtsausschuss, dem er als Bürgermeister qua Amtes angehört, explizit per Beschluss genehmigt werden müssen, weil die Auftragssumme mit rund 100.000 Euro weit über der Genehmigungsgrenze von 10.000 Euro lag. „Das ist nicht geschehen“, sagt Harms. Die Beauftragung sei auch vom Kreis „gerügt“ worden, „da die Preisumfrage keine Vergleichbarkeit der Angebote ergeben“ habe.

Woraufhin im Juni 2019 die Architektenleistung mit inzwischen der doppelten Summe – weil sich auch die Baukosten von 1,2 auf 2,4 Millionen Euro erhöht hatten – erneut an Sass vergeben worden sei, ohne dass der Schul- oder der Amtsausschuss darüber beraten oder dies beschlossen hätten. Den Auftrag an Sass habe dessen Heeder Bürgermeisterkollege Reimer Offermann, der seit 27 Jahren den Schulausschuss leitet, „ohne zwingend erforderliche Beschlüsse unterzeichnet“, kritisiert die Amtsverwaltung und folgert: „Ohne erforderliche Beschlüsse sind Verträge schwebend unwirksam.“

Hinzu komme, dass die eingeholten Vergleichsangebote in beiden Fällen, im zweiten Fall war dies nur ein weiteres, überhaupt nicht miteinander vergleichbar gewesen seien, erklärt Bauamtsleiter Harms. Die Amtsverwaltung habe diese gravierenden Verfahrensfehler erst Ende 2020 in den Akten aufgedeckt, nachdem dort mehrere verantwortliche Personen in den Ruhestand gegangen waren.

„Das käme sonst einem Berufsverbot gleich“

Bürgermeister Sass entgegnet dazu auf Nachfrage, dass er dies nicht nachvollziehen könne. Er habe in der Vergangenheit bereits mehrfach innerhalb des Amtes Rantzau als beauftragter Architekt Bauten geplant, etwa die Kita in Lutzhorn und das Gemeindezentrum in Ellerhoop. Das sei nicht beanstandet worden. „Das käme ja auch sonst einem Berufsverbot gleich“, so Sass.

Im Schulausschusses des Amtes sollten am Mittwochabend auf Antrag der Amtsverwaltung die (fehlenden) Beschlüsse im Falle Sass zurückgenommen und für nachgeordnete Firmen für Sanitär, Heizung- und Elektroarbeiten nachträglich gefasst werden. „Mir liegen bereits drei Rechnungen über 60.000 Euro für Planungsleistungen vor“, sagt Bauamtsleiter Harms. Die könne er sonst nicht auszahlen.

Doch der Ausschuss folgte dieser Empfehlung nicht. Im Gegenteil. Politiker wie Reinhold Mattai aus Hemdingen warfen der Verwaltung vor, das Verfahren unnötig zu verzögern. „Wenn wir das hier beschließen, ist das der Tod des Kindergartens. Dann beerdigen wir vier Jahre Planung.“ Stattdessen soll jetzt ein Gespräch bei Landrätin Elfi Heesch die Kuh vom Eis holen, beschloss der Schulausschuss gegen die beiden Stimmen der Gemeinde Langeln.

Bauamtsleiter Harms riet dem Schulausschuss hingegen „dringend davon ab, diese Vergabe-Akten einer höheren Verwaltungsinstanz zur Einsicht vorzulegen“. „Das wirft kein gutes Licht auf das Amt Rantzau.“ Und es könnte sogar noch weitere unangenehme rechtliche Folgen haben, warnt er.

Zwei Millionen Euro Fördergeld stehen auf dem Spiel

Langelns Bürgermeister Bernhard Froh sagte, seine Kollegen im Schulausschuss blendeten völlig aus, welche Gefahr die gravierenden Vergabefehler darstellten. „Wir riskieren das zugesagte Fördergeld von rund zwei Millionen Euro“, warnte er seine Kollegen, deren „Naivität nicht zu überbieten“ sei. „Wie ein trotziges Kind, das in die Ecke gestellt wurde“, gingen sie nun zum Kreis mit der Bitte, dieser möge die Bedenken des Amtes überstimmen. „Aber auch die Landrätin wird keine Rechtsbeugung betreiben“, ist sich Froh sicher.

Stattdessen sollten alle vier Gemeinden lieber „in Windeseile“ neu planen. Der jetzige Kita-Betreiber habe in Gesprächen angedeutet, er könnte den Kita-Bau in 18 Monaten als Generalunternehmer schlüsselfertig bauen und planen, so Froh. Für Langeln kündigte er an, noch in diesem Jahr das Gemeindezentrum für einige Zehntausend Euro so umbauen zu können, dass dort 20 kleine Kinder betreut werden könnten.

Reimer Offermann, Bürgermeister von Heede.
Reimer Offermann, Bürgermeister von Heede. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Der Mangel an Kita-Plätzen scheint groß, der Ton ist scharf. In einem anonymen Schreiben, das Unbekannte in der jetzigen Alt-Kita in Hemdingen aufgehängt hatten, wird der Amtsverwaltung und dem Langelner Bürgermeister in beleidigenden Worten die Schuld an der Kindergartenmisere gegeben und Froh sogar geraten: „Ziehen Sie Ihre Kinder aus der Gemeinde doch schnellstmöglich aus dem Kindergarten ab, denn solche Leute wie Sie braucht keiner!“

Schulausschussvorsitzender Offermann distanzierte sich von diesem Pamphlet entschieden. Er sagte aber auch: „Unser Ziel muss es sein, möglichst schnell Kindergartenplätze zu schaffen.“

Bauamtsleiter Harms kündigte an, dass das Amt jetzt parallel mit der Kreisverwaltung „provisorische Zwischenlösungen“ erarbeiten werde, um während der Bauverzögerung genügend Kita-Plätze anbieten zu können.