Kreis Pinneberg. Am Montag dürfen die Geschäfte wieder öffnen. Was die Landrätin sagt, was Ladenbesitzer und Bürgermeister meinen.

Modehaus-Geschäftsführer Hermann Kunstmann hat am Freitagmorgen gleich zum Telefonhörer gegriffen und seine Mitarbeiter informiert: Es geht weiter, wir öffnen wieder! „Sie sind alle froh. Die Kurzarbeit zerrt schon an den Nerven“, sagt der Pinneberger. Von Montag an dürfen die Einzelhändler in Schleswig-Holstein aller Voraussicht nach wieder öffnen. Aller Voraussicht nach deshalb, weil die entsprechende Landesverordnung am Freitag noch nicht veröffentlicht war.

Diese Nachricht ist im Endeffekt sehr überraschend gekommen. Und sie bringt die Geschäftsinhaber im nördlichsten Bundesland in eine Sonderrolle – Hamburg etwa erlaubt einkaufen im Laden nur nach Vereinbarung eines persönlichen Termins.

Landrätin und Bürgermeisterin verweisen auf Hygieneregeln

Landrätin Elfi Heesch sagt dazu: „Dass es abweichende Regelungen zwischen den Bundesländern gibt, hatte sich bereits abgezeichnet. Wenn in Schleswig-Holstein der Einzelhandeln öffnen soll, so ist das eine Entscheidung, die auch für den Kreis Pinneberg gilt. Da wollen wir auch gar nicht anders behandelt werden. Selbstverständlich können diese Öffnungen nur im Rahmen der Vorgaben zu Hygienekonzepten und Einhaltung der Abstandsregeln erfolgen. Diese sind von allen, die ab Montag im Kreis Pinneberg in den Einzelhandelsgeschäften einkaufen möchten, zu beachten.“

Ähnlich äußert sich Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg: „Diesen aktuell geplanten Schritt halte ich bei den derzeitigen Inzidenzzahlen im Land für richtig und im Hinblick auf andere Öffnungen bei körpernahen Dienstleistungen für gerechtfertigt.“ Der Einzelhandel wolle dringend öffnen, deshalb werde er alles tun, damit die Öffnung des eigenen Geschäftes möglich ist. „Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass die vorhandenen Hygiene- und Schutzkonzepte im Einzelhandel auf die kommenden Anforderungen angepasst werden beziehungsweise in diesen Wochen des Wartens bereits verfeinert wurden.“ Die Innenstadt werde aufblühen. „Und jede und jeder wird auf sich und andere achtgeben, sich an die Abstands-, Masken- und Hygieneregeln halten, um eine nochmalige Schließung zu vermeiden.“

Lange auf die Öffnung gewartet

„Auf die Öffnung hat die Pinneberger Innenstadt lange gewartet“, sagt auch Wirtschaftsförderer Marco Bröcker. „Der Handel konnte sich gut vorbereiten. Die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown halfen dabei. Ich persönlich rechne mit einer deutlichen Belebung der Stadt.“ Man habe die Steine der Erleichterung von den Herzen fallen hören, sagt Stadtmanagerin Birgit Schmidt-Harder, „alle haben diesem Tag entgegengefiebert und sind bestens vorbereitet.“ und Claudia Patt von der Wirtschaftsgemeinschaft Pinneberg ergänzt: „Für Pinneberg ist das wunderbar. Endlich müssen wir nicht mehr an geschlossenen Ladentüren vorbeigehen.“

Ähnlich äußert sich Manuela Kase, Geschäftsführerin des Stadtmarketings Elmshorn: „Das setzt bei uns viel positive Energie frei. Wir freuen uns für den Einzelhandel.“ Sie und ihr Team spürten selbst einen Motivationsschub. „Ich gehe davon aus, dass Kunden und Einzelhandel verantwortungsbewusst mit der Öffnung umgehen“, sagt Kase. Zudem seien Hygienekonzepte erprobt und ließen sich schnell wieder reaktivieren.

Konzept nur aus der Schublade geholt

So wie bei Hermann Kunstmann in Pinneberg. Er muss nur sein Hygienekonzept aus der Schublade holen, das sich schon bis zum Lockdown kurz vor Weihnachten bewährt hat. „Neu ist, dass wir unsere Mitarbeiter jede Woche mit einem Schnelltest testen“, sagt der Geschäftsmann. Auch empfiehlt er den Mitarbeitern, die Tests, die die Regierung in Aussicht stellt, zu nutzen, sodass jeder zweimal pro Woche getestet werde.

Auch Nihal Ulus, Mitarbeiterin im Pinneberger Modehaus Glindmeyer, freut sich auf den Montag. „Auf Kundschaft“, sagt sie, während sie mit ihrer Kollegin die neue Frühjahrskollektion zusammenfaltet. Auch der Chef Tim Glindmeyer packt mit an. Er findet es schade, dass nur Schleswig-Holstein lockert, hätte sich bundeseinheitliche Regelungen gewünscht.

Hamburger fahren nicht nach Pinneberg

Nicole Bastein, Centerleitung der Rathauspassage Pinneberg, kann die Begeisterung ihrer Kolleginnen und Kollegen nur teilen. Ein leeres Einkaufszentrum zu verwalten sei auf Dauer ziemlich traurig. Durch die Öffnung „wird das Zentrum wieder belebt. In den letzten Wochen wurde es doch sehr einsam“, sagt sie. Die Lockerungen kämen gerade recht, denn die Händler bräuchten das Ostergeschäft.

Selbst wenn die Wiedereröffnung etwas plötzlich kommt – auch im Stadtzentrum Schenefeld ist man vorbereitet. „Wir haben ein abgestimmtes Hygienekonzept für das Center, das wir auch bisher umgesetzt haben“, erläutert die Centermanagerin Songül Aksu. So herrsche nicht nur in den Geschäften, sondern im gesamten Einkaufszentrum eine Maskenpflicht – und selbstverständlich gelten das Abstandsgebot und die maximale Kundenanzahl pro Geschäft. Laut Aksu haben die Mieter lange auf die Wiederöffnung gewartet und könnten jetzt noch ein wenig vom Ostergeschäft profitieren – wenn auch etwas anders als gewohnt.

In Hamburg sind Schulferien, kaum jemand ist verreist

Doch wie viele Kunden werden kommen? Und woher? In Hamburg – die Stadt- und Landesgrenze liegt einen Kilometer vom Stadtzentrum Schenefeld entfernt – sind Schulferien. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Urlaub, sind aber anders als sonst nicht verreist. Droht dem Umlandkreis jetzt „Shoppingtourismus“?

Ein großer Teil der Besucher des Stadtzentrums Schenefeld komme ohnehin aus den benachbarten Hamburger Stadtteilen Lurup, Sülldorf, Iserbrook und Osdorf, sagt Aksu.

Wie Schenefeld liegt auch Wedel direkt an der Landesgrenze, auch dort kann man prima einkaufen. Bürgermeister Niels Schmidt will die Entwicklung genau beobachten. „Aber derzeit mache ich mir keine Sorgen, dass wir hier einer unkontrollierbaren Situation gegenüberstehen werden“, sagt er. „Zudem müssen die ab Montag öffnenden Geschäfte die strengen Hygienevorgaben einhalten, was die Situation vor Ort jeweils deutlich regulieren sollte.“

Nicole Bastein von der Rathauspassage in der Kreisstadt hält es eher für möglich, dass viele Hamburger nach Lübeck oder ins Outletcenter nach Neumünster fahren werden – aber nicht nach Pinneberg. Einen Ansturm brauche man nicht zu befürchten, sagt auch Pinnebergs Wirtschaftsförderer Bröcker: „Die Menschen begreifen, wie wichtig die Einhaltung der AHA-Regeln ist. Und was es bedeuten würde, wenn die Ansteckungsraten wieder steigen.“ Auch Bürgermeisterin Urte Steinberg rechnet nicht mit dem ganz großen Ansturm, allein schon aus gelebter Solidarität: „Der oder die eine oder andere wird bestimmt von Hamburg nach Pinneberg fahren“, sagt sie. Sie gehe aber eher davon aus, dass die Hamburger wie auch die Menschen in anderen Städten weiterhin ihren lokalen Einzelhandel unterstützen wollen.

„Einen dritten Lockdown wollen wir nicht“

Das sieht auch Modehaus-Chef Tim Glindmeyer so. „Die Hamburger wollen bestimmt ihren lokalen Handel unterstützen, und das ist auch nur richtig“, sagt er. Und in der Hansestadt sei ja sogenanntes Terminshopping möglich.

Claudia Patt von der Wirtschaftsgemeinschaft Pinneberg setzt auf die Vernunft der Hamburger. „Peter Tschentscher hat die Hamburger Bürgerinnen und Bürger ja gebeten, nicht zum Einkaufen nach Schleswig-Holstein zu fahren. Wir rechnen eher nicht damit. Sicher wird der eine oder andere kommen. Das haben wir bei den Gartencentern vereinzelt beobachten können.“

Pinnebergs Stadtmanagerin Birgit Schmidt-Harder appelliert an alle Kundinnen und Kunden, egal, woher sie kommen: „Bitte halten Sie sich auch weiterhin an alle AHA-Regeln und haben Sie Verständnis, wenn nicht alles so schnell geht oder man vielleicht an der einen oder anderen Stelle doch mal warten muss. Bitte passen Sie auf sich und unseren Handel auf. Wir wollen vieles, aber mit Sicherheit keinen dritten Lockdown.“