Pinneberg. Masterplan zum Smart-City-Konzept: Stadtrat und Projektleiter erklären, wie die Verwaltung der Zukunft funktionieren kann.

Ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass Stadtrat Stefan Bohlen den Pinneberger Politikern einen Masterplan für die digitale Transformation vorgestellt und mit ihnen darüber diskutiert hat. Pinneberg hatte sich mit Erfolg als digitale Modellkommune um Förderung beworben: „Wir wollen den Masterplan zu einem Smart-City-Konzept erweitern“, sagt Bohlen.

Die digitale Transformation sei der erste Schritt, um die Verwaltung für die Digitalisierung eines Teils ihrer Aufgaben fit zu machen: Dazu gehören eine elektronische Infrastruktur, die elektronische Akte, elektronische Zahlungsmöglichkeiten mit entsprechendem Rechnungseingang, ein Online-Portal für städtische Dienstleistungen, das für jedermann über eine überarbeitete Homepage zugänglich sein soll (Hundesteuer oder einen Fischereischein können Bürger darüber anmelden), und generell der elektronische Ein- und Ausgang von Post.

Wie eine solche elektronische Akte beschaffen sein sollte, wurde in 27 Interviews mit Behördenmitarbeitern ermittelt. Dazu gehört, dass sich eine Akte, wenn darin eine Telefonnummer des jeweiligen Bürgers hinterlegt ist, automatisch öffnet, wenn dieser beim Amt anruft. Dadurch wird künftig Zeit gespart, die Verwaltung kann effizienter arbeiten. Unterlagen können dann schneller weitergeleitet werden, weil sie zum Beispiel nicht mehr ausgedruckt werden müssen. Nebenbei werden Unmengen an Papier eingespart. Ziel: Die Schriftgutverwaltung soll innerhalb der nächsten drei Jahre fertig digitalisiert sein, „in der Übergangszeit werden beide Systeme nebeneinander existieren“, so Bohlen.

Pinneberger Mängelmelder soll zur App werden

Apropos Sicherheit: Die digitalisierte Verwaltung wird vielfach gesichert gegen Stromausfälle, Hackerangriffe oder Systemabstürze. Im Keller des Rathauses und dezentral stehen mehrere identische Server, es werden getrennte Sicherungskopien erstellt, ein Notstromnetz springt bei Stromausfall ein, und starke Barrieren verhindern weitestgehend das Eindringen von außen.

Weiterer Plan: Der Pinneberger Mängelmelder soll zu einer App weiterentwickelt werden, „wir sind da eine Pilotkommune“, sagt Bohlen. „Wir hoffen, dass wir die Mängelmelder-App landesweit im Januar installieren können.“

Einiges ist bereits umgesetzt: Pinneberger müssen sich nicht mehr im engen Bürgerbüro die Beine in den Bauch stehen, weil die Stadt auf ihrer Homepage die Möglichkeit eröffnet, Termine in fast allen kundenintensiven Bereichen online abzumachen. „Die Wartezeiten haben sich dadurch verringert“, sagt Bohlen. „Das Termintool wird sehr gut angenommen, die Rückmeldungen von Bürgern sind positiv.“

Software Bigbluebutton ermöglicht digitale Sitzungen

In Corona-Zeiten wurde außerdem bereits im Mai eine Online-Plattform als Solidaritätsbörse installiert: Nachbarn, die einander helfen wollen, schauen auf www.pinneberg.hilft-mit.de, wer was brauchen kann oder bieten an, Einkäufe zu erledigen oder Dinge zu reparieren.

Was das smarte Regieren angeht (Smart Governance), gibt es ebenfalls erste Erfolge. Seit die Software Bigbluebutton ausprobiert wird, die der Berliner Datenschutzbeauftragte empfohlen hat, wird es mehr und mehr möglich, digitale Sitzungen abzuhalten. „Wir sind jetzt dabei, das voranzutreiben. Die erste Testgremiensitzung am 23. November ist mit 27 Teilnehmern sehr gut gelaufen. Alles hat soweit geklappt: Die Einwahl, Wortmeldungen, Abstimmungen, Anträge zur Geschäftsordnung und die Beteiligung der Öffentlichkeit“, berichtet der Stadtrat.

Hierzu muss jedes Mal ein Beamer im Ratssitzungssaal installiert werden, der die virtuelle Sitzung live ins Rathaus überträgt. Damit Bürger ihre Fragen an die Sitzungsteilnehmer richten können, wird dort ein Bürgerterminal eingerichtet, über das sie dann Zugang zur virtuellen Sitzung haben. Inzwischen können vereinzelte Bürger bereits die Sitzungen im Internet per Livestream von zu Hause aus verfolgen, sechs Gäste können sich da zeitgleich einwählen, „sie sind dann aber nur passive Zuschauer“, so Bohlen.

Digitalisierung macht Pinneberg interessant für Fachkräfte

Künftig soll es sogar möglich sein, sich von zu Hause über eine Webcam und ein Mikrofon in die Sitzung einzuwählen und dann live Fragen zu stellen: „Bigbluebutton ist von jedem gängigen aktuellen Browser aus einwählbar. Nach der Bürgerfragestunde wird den Bürgern das Recht der Partizipation wieder entzogen“, so Bohlen. Alle diese Möglichkeiten sind mit den Datenschutzrichtlinien vereinbar, sagt er.

Auch verwaltungsintern erleichtert die neue Technik die Kommunikation in diesem beispiellos schweren Pandemie-Jahr. Vergangenen Mittwoch zum Beispiel konnte der Krisenstab des Kreises zur internen Abstimmung mit 17 Teilnehmern aus verschiedenen Kommunen virtuell tagen. Dass Pinneberg inzwischen über mehr digitale Technik verfügt als viele andere Kommunen im Land, hat den wünschenswerten Nebeneffekt, dass dringend benötigte Fachkräfte leichter gefunden werden. „Der Bewerberkreis hat sich vergrößert. Es ist jetzt möglich, sich ohne großen Aufwand aus Süddeutschland hier zu bewerben, weil die Gespräche durch das Videokonferenztool geführt werden können und keine Fahrt- oder Übernachtungskosten mehr erstattet werden müssen. Wir haben dadurch gute Leute gefunden. Die nehmen das gern in Anspruch“, sagt Bohlen.

Das Smart-City-Konzept umfasst fünf Ziele

Aber zurück zur Smart City. Zu diesem Begriff nennen Bohlen und sein neuer Projektleiter Digitalisierung, Jonas Boll, fünf Ziele in englischer Sprache: Smart People, Smart Governance, Smart Economy, Smart Living und Smart Mobility. Was sich konkret dahinter befindet, steht nicht genau fest, das soll nämlich ein Beratungsbüro zusammen mit der Verwaltung und den Bürgern erarbeiten.

Smart People bedeutet grob, dass immer mehr Pinneberger Bürger die digitale Technik beherrschen und als Medium demokratischen Handelns nutzen: „Wir wollen die Bürger mittels Weiterbildung unterstützen, mit den digitalen Möglichkeiten besser umgehen zu können. Außerdem wollen wir die Teilhabe am Verwaltungshandeln mit Ideenwerkstätten fördern“, sagt Jonas Boll.

Smart Mobility könne beispielsweise durch eine intelligente Ampelschaltung erreicht werden. Auch Menschen mit Behinderung könnten durch digitale Technik besser unterstützt werden, etwa dadurch, dass auf einer interaktiven Straßenkarte Treppenstufen und barrierefreie Zugänge verzeichnet werden. Wie blinde Menschen solche Angebote nutzen können, das macht Bohlen noch Kopfzerbrechen.

Smart Living kann so gut wie alles umfassen, so scheint es. Hier bringt Jonas Boll die Netzwerktechnologie LoRaWAN ins Spiel, die die Ergebnisse von Sensoren- oder Zählermessungen kostengünstig übertragen kann. Konkret könnte das so aussehen: Sind die Rosenbeete vor der Drostei zu trocken, würde in Zukunft der Kommunale Servicebetrieb über LoRaWAN davon unterrichtet werden. Alle Grünflächen turnusmäßig abzuklappern, fiele dann flach, und frisch angepflanzte Jungbäume müssten seltener dürsten, weil sie dank der neuen Sensor-Technik rechtzeitig gegossen würden.

Pinneberger sollen sich bei Workshops einbringen

Mit LoRaWAN, sagt Boll, könnten in öffentlichen Gebäuden auch Heizungen und Wasserhähne ressourcensparend reguliert werden. Das ist allerdings alles noch Zukunftsmusik. „Wir müssen da in enger Zusammenarbeit mit den Stadtwerken einen Strategieplan entwickeln“, so Boll.

Mit Smart Economy ist die digitale Vernetzung der regionalen Unternehmen gemeint. Den Ideen der Unternehmen, das zu nutzen, sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt.

Smart Governance ist, wie beschrieben, wegen Corona zum Teil schon umgesetzt worden. „Für das gesamte Smart-City-Konzept sollen Workshops mit der Pinneberger Bevölkerung stattfinden“, sagt Stadtrat Bohlen. „Die Bürgerinnen und Bürger sollen sagen, was sie wollen und brauchen.“ Solche Workshops waren für März/April geplant, sind aber wegen Corona ausgefallen. Sobald wie möglich sollen sie nachgeholt werden.