Kreis Pinneberg. Rellinger Sportplatz statt Rellinger Kirche: Die Intendanz plant die kommende Spielzeit weitgehend unter Corona-Bedingungen.

Jedes Jahr macht Christian Kuhnt als Leiter des Schleswig-Holstein Musik Festivals zu dieser Zeit bereits ein paar Appetithappen aus seinem Konzertprogramm der kommenden Saison bekannt. Das ist auch jetzt wieder so, nur fühlt es sich diesmal an wie ein Blick auf das Ende einer Dürre.

Die Corona-Maßnahmen haben dieses Jahr die allermeisten Musiker in finanzielle und künstlerische Bedrängnis gebracht, weil fast alle Konzerte ausgefallen sind, und Musikliebhaber mussten weitgehend mit dem heimischen CD-Player vorlieb nehmen, statt, was viel schöner ist, Musik live zu erleben. Das SHMF-Programm 2021 steht soweit, „wir müssen nur flexibel bleiben“, sagt der Intendant. Morgen beginnt der Vorverkauf für die ersten zehn Prozent der geplanten Konzerte, einige davon finden in Elmshorn und Rellingen statt.

Die letzten Monate habe sein Team genutzt, um viele Orte zu erkunden und neue Plätze zu entdecken, insgesamt rund 40 neue Spielstätten im ganzen Land. Denn „etwa zwei Drittel unserer Konzerte werden nächstes Jahr Open Air stattfinden“, sagt Christian Kuhnt. „Wir alle brauchen jetzt diese positive Perspektive. Die wollen wir unseren Künstlern, unserem Publikum und uns bieten.“ Er wünscht sich „lustvolle Konzerte, bei denen keine Angst mitschwingt“, und er muss verlässlich planen können, damit die Festival-Einnahmen wenigstens grob einschätzbar werden. Das sei zwar weder eine künstlerische noch eine befriedigende Herangehensweise, sie sei aber wirtschaftlich notwendig.

Von Schubert eine Brücke in den Norden geschlagen

Die positive Perspektive gewinnt mit dem Ideal-Romantiker Franz Schubert, dem die Festival-Retrospektive 2021 gewidmet ist, eine große, verlockende Tiefenschärfe. Kuhnt nennt Schubert eine ebenso faszinierende wie tragische Künstlerpersönlichkeit. „Wie kein anderer hat Schubert es vermocht, Worte in Musik zu gießen, zu einer Einheit.“

Auch habe er als Kammermusiker und Schöpfer grandioser Sinfonien die Musikgeschichte geprägt. Zwar gibt es keine direkten biografischen Bezüge Schuberts zu Norddeutschland. „Aber einige seiner bekanntesten Lieder basieren auf Texten von Autoren, die in Bad Bramstedt oder Lübeck geboren wurden. So haben wir eine Brücke geschlagen zu uns in den Norden“, sagt Kuhnt. Welche Künstler Schuberts Werke zu Gehör bringen werden, wird noch verschwiegen, nur zwei sind schon bekannt, und die versprechen viel: Die Brüder Lucas (27) und Arthur Jussen (24) spielen Schubert pur, mit innerer Kraft und Gefühl, ohne sentimental zu werden.

Das Premium-Label Deutsche Grammophon hat sie bereits 2010 als Jugendliche unter Vertrag genommen. Vierhändig werden sie am 18. August in Plön und am 19. August, 19 Uhr, in Rellingen Schubert, Mendelssohn und Ravel spielen. Dort allerdings nicht in der Barockkirche, sondern Open Air auf dem Gemeindesportplatz. Kein Ort, der unbedingt Charme verströmt. Aber einer, wo Ansteckung minimiert werden kann. Und das ist zurzeit leider ein wichtiges Kriterium. Nicht zu vergessen, dass die beiden jugendlichen Pianisten sehr schöne Männer sind, die lustig und charmant sein können. Sie werden also sicher ein tolles Konzert geben, mit Schuberts Fantasie in f-moll zum Beispiel.

Österreichische „Volksmusiker“ kommen auch nach Rellingen

Künstlerisch sind die beiden Niederländer auf dem Weg zur Weltkarriere. Fast ein Jahr studierten sie bei der Grande Dame des Klaviers, Maria Joao Pires. Sie treten inzwischen mit dem Orchester des Concertgebouw auf, dem Boston Symphony Orchestra, dem City of Birmingham Symphony Orchestra oder der Academy of St. Martin in The Fields.

Ebenfalls auf dem Rellinger Sportplatz tritt am 18. August die österreichische Volksmusik-Kombo Faltenradio auf. Ihr Programm heißt „Landflucht“, drei Klarinetten (darunter immerhin ein Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker und einer der Symphoniker) und eine steirische Harmonika lassen sie die musikalischen Grenzen zwischen alpiner Volksmusik, Jazz, Swing und Klassik verschleifen, sie genießen dabei die Freiheit, die sie im Orchester nicht haben. Gespielt wird Tanzboden- und Stubenmusik mit traditionellen österreichischen Rhythmen und gekonnt fließenden Übergängen in andere Genres. Allesamt nennen sich „Musikant aus Leidenschaft“. Da auch Schuberts Musik das Musikantische anhaftet, sind sie Teil des Festivals 2021 geworden.

Wie berichtet, gibt’s ab morgen ebenfalls schon Karten für zwei Elmshorn-Konzerte. Giora Feidman spielt Piazzollas Tangos (24.8.) und Bodo Wartke zeigt „Wandelmut“ (25.8.). Karten ab 3. Dezember unter Telefon: 0431/237070.