Kreis Pinneberg. Nach Krisengipfel werden Maßnahmen im Kreis Pinneberg verschärft. Auch Schulen und Kitas könnten bald betroffen sein
Nach unaufhörlich steigenden Inzidenzwerten reagiert nun der Kreis Pinneberg mit härteren Maßnahmen gegen die unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus .
Von der kommenden Woche an sollen weitere Einschränkungen gelten. Das habe ein Krisengespräch mit dem Gesundheitsministerium in Kiel ergeben. Zuvor wurde der landesweit hohe Inzidenzwert des Kreises von mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen als „auffällig“ bewertet.
Das bedeutet zunächst, dass der Kreis am Montag eine neue Allgemeinverfügung erlassen wird. Unter anderem dürfen sich dann nur noch maximal fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, unerheblich, ob im öffentlichen Raum oder im privaten Bereich. Die Lage soll am Ende der kommenden Woche erneut überprüft werden. Wird lokal nach wie vor ein exponentielles Wachstum registriert, könnten auch Schulen oder Kindertagesstätten von weiteren Einschränkungen betroffen sein. „Wir hoffen allerdings nicht, dass es dazu kommen muss,“ so Landrat Oliver Stolz.
Nachverfolgung von Infektionsketten nicht gewährleistet
Hintergrund dieser Drohkulisse ist, dass das Gesundheitsamt längst über dem Limit ist. Trotz ständiger Aufstockung des Personals könne bei dem rapiden Anstieg der Neuinfektionen die Nachverfolgung nicht mehr gewährleistet werden. Deshalb konzentriere sich die Behörde nun auf den Schutz der Risikogruppen und die Klärung des Infektionsgeschehens bei Hotspots in Einrichtungen.
Schon tags zuvor hatte sich Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) äußerst besorgt über die Entwicklung der Coronazahlen im Kreis Pinneberg geäußert. Während es im ganzen Land Entspannung geben soll, müsse in Pinneberg gegengesteuert werden. Nach dem Ministerpräsidentengipfel hatte er deshalb Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) beauftragt, mit dem Landrat und dem Gesundheitsamt des Kreises zu beraten, welche Sonderregelungen für Pinneberg infrage kämen. Ausdrücklich wurden schon am Vorabend Maßnahmen an Schulen nicht ausgeschlossen.
Eine offizielle Erklärung für die hohen Zahlen im Kreis Pinneberg gibt es von der Kreisverwaltung nicht. Das Infektionsgeschehen sei „diffus“, es gebe nicht einen Hotspot. Angenommen wird, dass es die Nähe zu Hamburg und den damit verbundenen Pendlerströmen ist. Auch die schleppende Information der neu Infizierten über ihren Status sei problematisch, denn sie seien davor noch infektiös unter Leuten. Aus Schulen und Kitas werde das Virus häufig symptomlos in die Familien getragen – die Mischung dieser Faktoren mit Undiszipliniertheit gilt als ursächlich.
Maskenpflicht: Nicht alle halten sich an die Vorgaben
Ein Teil des Problems wird etwa in der Pinneberger Fußgängerzone sichtbar. Obwohl dort seit dem 7. November Maskenpflicht gilt, wird sie nicht von allen akzeptiert und eingehalten. Viele halten sich an die Vorgaben, aber vor einem Discountbäcker etwa stehen quatschende Menschen in Gruppen eng zusammen, trinken Kaffee, essen ihr Brötchen und tragen dabei: keine Maske.
Diesen Eindruck bestätigt die Streifenpolizistin Silke Trojahn. Ständig müsse sie Passanten auf die Maskenpflicht hinweisen. „Man merkt, dass die Bereitschaft der Bürger abnimmt“, sagt sie. „Der erste Lockdown war deutlich einfacher.“ Permanent weise sie Passanten auf die Maskenpflicht hin: „Die meisten sehen es ein, aber wir haben auch schon einige Anzeigen geschrieben.“
Von 6 bis 22 Uhr besteht die Maskenpflicht, Schilder weisen unmissverständlich darauf hin. Trotzdem begegnet Trojahn immer wieder Menschen, die essend oder rauchend durch die Fußgängerzone spazieren, ohne Maske. Gerade zur Mittagszeit müsse sie jeden Dritten ermahnen. Berufsschüler haben dann Pause – und seien nach Ansprache überwiegend einsichtig oder belehren sich gegenseitig.
Landespolitiker diskutieren Situation im Kreis Pinneberg
Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt, forderte unterdessen eine „Hot-Spot-Strategie“ für Regionen wie den Kreis Pinneberg. Sie sei „wirklich überfällig“. Vogt: „Wir werden uns um die Ausreißer nach oben besonders kümmern müssen.“
Auch die Bildungsgewerkschaft GEW äußerte sich „besorgt“ über „Inzidenzwerte in Pinneberg“. Landesgeschäftsführer Bernd Schauer: „Es muss was passieren. Wir erwarten handfeste Maßnahmen, die sofort greifen.“ Dazu gehöre eine Halbierung der Klassen und Wechselunterricht. Die Weihnachtsferien um zwei Tage nach hinten zu verlängern sei indes „keine schlechte Idee“.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte am Donnerstag, ihre Behörde habe dem Gesundheitsamt des Kreises bereits Vorschläge unterbreitet. Sie gehe davon aus, dass weitere Maßnahmen an den Schulen des Kreises folgen.