Elmshorn. Lukas L. (20) aus Barmstedt hat an Neujahr in Elmshorn eine Frau totgefahren. So beurteilt das Amtsgericht den Fall.

Sie saßen wenige Meter auseinander: Lukas L. (20), der am Neujahrstag in Elmshorn eine Frau totgefahren hat – und Ulfert P., Ehemann des Unfallopfers. Während der verzweifelt nach Antworten auf die Frage suchte, warum seine Frau sterben musste, suchte der Unfallfahrer nach den richtigen Worten, um für seine Schuld um Verzeihung zu bitten.

Drei Stunden versuchte das Amtsgericht am Mittwoch, den tragischen Fall aufzuarbeiten. Am Ende kam der Angeklagte, der wegen fahrlässiger Tötung nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt wurde, mit einer Verwarnung und einer Geldauflage von 2000 Euro davon. Außerdem muss Lukas L. seine Kosten und die des Nebenklägers übernehmen.

Erst im Dezember beim Pizzaservice angefangen

Der Barmstedter hatte Mitte Dezember bei einem Pizzadienst angefangen, war am Neujahrsabend gerade zu einer Auslieferungsfahrt gestartet. Die Unfallstelle liegt 100 Meter vom Pizzadienst entfernt. Gegen 21.15 Uhr befuhr er die Langelohe und wollte auf den Mühlendamm einbiegen.

Gabriele P. wollte zu Fuß die Langelohe überqueren. Dort gibt es einen Zebrastreifen. Die 56-Jährige hatte zwei Drittel geschafft, als der Skoda des Angeklagten sie erfasste und mehrere Meter durch die Luft schleuderte.

„Ich frage mich, warum Sie meine Frau nicht gesehen haben?“ so Ehemann Ulfert P., der an den Angeklagten einen Appell richtete: „Es würde mir und meinen Kindern wahnsinnig helfen, wenn wir wüssten, warum sie so abgelenkt waren.“

Angeklagter brach immer wieder in Tränen aus

Lukas L., der während seiner Aussage mehrfach in Tränen ausbrach, will jedoch nicht abgelenkt gewesen sein. Mehrfach wies er die Vermutung des Nebenklägers, er könnte auf seinem Handy Navigationsdaten eingegeben haben, zurück.

„Ich brauchte für die Strecke kein Navi, hatte mein Handy in der Hosentasche.“ Er sei mit 30 bis 40 Kilometer pro Stunde auf die Einmündung zugefahren, habe mehrfach nach links und rechts gesehen und dabei keine Personen in dem Bereich festgestellt, so der Angeklagte. „Ich habe die Frau erst gesehen, als es zu spät war.“

Sie sei „wie aus dem Nichts“ aufgetaucht. „Ich hatte das Gefühl, sie ist auf mich zugerannt.“ Als er die Bremse durchtrat, habe es schon gekracht. „Ich bin ausgestiegen, auf die Straße gerannt und habe laut um Hilfe geschrien.“ Er habe auch versucht, Erste Hilfe zu leisten. „Ich habe nach ihrem Puls gesucht, konnte aber nichts fühlen.“

Unfallopfer hatte eine rote Jacke an

Saskia K. (19) lief die Langelohe entlang und telefonierte mit ihrem Ex-Freund. „Ich habe einen Knall gehört, dann sah ich die Person durch die Luft fliegen.“ Die Frau habe sie zuvor kurz auf der Verkehrsinsel in der Mitte der Straße gesehen. „Die hatte eine rote Jacke an.“ Sie habe nach dem Unfall „total unter Schock gestanden“, so die Zeugin.

Das galt auch für den Angeklagten. Polizistin Cindy T. (30) berichtete, wie dieser weinend auf dem Gehweg saß. „Er hat mehrfach gesagt, dass er die Dame nicht gesehen hat.“ Jan L. (24), der zweite Beamte im Streifenwagen, versuchte noch, das Unfallopfer zu reanimieren. „Ich konnte keine Lebenszeichen mehr feststellen.“

Angeklagter muss schneller gefahren sein als angegeben

Die 56-Jährige sei mit ihrem Kopf gegen die A-Säule des Skoda geschleudert worden und habe diese eingedrückt, so Dekra-Gutachter Thomas Hilker (54). Die große Wucht des Aufpralls und die dadurch entstandenen schweren Kopfverletzungen des Opfers würden für eine deutlich höhere Geschwindigkeit als vom Angeklagten angegeben sprechen.

„Mit Tempo 30 bis 40 funktioniert das nicht. Ich gehe von mindestens 50 Kilometer pro Stunde aus.“ Das Tempo sei zwar an dieser Stelle erlaubt, jedoch für die Annäherung an die Gefahrenstelle unangemessen, urteilte der Gutachter. „Der Angeklagte kann bei dieser Geschwindigkeit nicht alles gleichzeitig erfassen.“

Lukas L. habe sich zu lange darauf konzentriert, ob von links aus dem Mühlenkamp Fahrzeuge kommen. „Diese eine Sekunde, die hat gefehlt.“ Die Fußgängerin, die sich fast schon frontal vor seinem Auto auf dem Fußgängerweg befand, habe er – vom anderen Verkehrsgeschehen abgelenkt – quasi ausgeblendet, so Hilker weiter.

Die Einmündung sei mit zwei Warnlichtern ausgestattet und sehr gut ausgeleuchtet. Wäre der Angeklagte mit Tempo 30 und in ständiger Bremsbereitschaft an die Gefahrenstelle herangefahren, hätte der Unfall vermieden werden können, urteilte der Gutachter.

Unfallfahrer schrieb der Familie des Opfers einen Brief

„Ich würde alles dafür geben, wenn ich das rückgängig machen könnte“, so Lukas L. Das Geschehen begleite ihn täglich, er denke ständig daran. „Ich habe der Familie einen Brief geschrieben und um Entschuldigung gebeten.“

Ein geplantes Treffen mit dem Sohn des Unfallopfers habe er absagen müssen. „Es ging mir sehr schlecht“, so der 20-Jährige, der vor vier Jahren seine Mutter verloren hat und seit dem Unfallgeschehen in psychologischer Behandlung ist.

Der Angeklagte habe diverse Schutzbehauptungen von sich gegeben. „Für meinen Mandanten war das unbefriedigend“, so Opferanwalt Christian Böse. Er forderte eine deutlich härtere Bestrafung als von der Staatsanwältin beantragt. Richterin Nagel beließ es jedoch bei der von der Anklagevertreterin beantragten Verwarnung und der Geldauflage.

„Kein Strafverfahren ist geeignet, Ihnen das wiederzugeben, was Sie verloren haben“, wandte sie sich an die Hinterbliebenen. Sie müssten jeden Tag mit dem Verlust leben. Allerdings werde auch den Angeklagten seine Schuld täglich verfolgen.