Kreis Pinneberg. Busse zu voll? Schulen schließen? Der Landeselternverband hat Antworten von 7000 Eltern gesammelt. Ein Stimmungsbild.

Die Corona-Lage an den Schulen im Kreis Pinneberg wird immer diffuser. Während die Kreisverwaltung die genaue Zahl der Schüler und Lehrer in Quarantäne am Mittwoch wegen der vielen unterschiedlichen Fälle nicht ermitteln konnte, sind bundesweit nach Angaben des Deutschen Lehrerverbandes mehr als 300.000 Schüler und bis zu 30.000 Lehrer in Isolation. Laut Bildungsministerium in Kiel haben in Schleswig-Holstein fünf von 950 Schulstandorten wegen Corona-Fällen geschlossen, 172 Kohorten, also Schülergruppen, sind in Quarantäne. Kaum verwunderlich, dass der Lehrerverband am Mittwoch ein strikteres Schutzkonzept für seinen Berufsstand forderte.

Die Elternschaft im Kreis Pinneberg sieht den Infektionsschutz an Schulen dagegen höchst unterschiedlich. So macht sich eine Hälfte große Sorgen um die Gesundheit der Kinder an den Schulen, die andere Hälfte nicht. Das ist zumindest das Ergebnis einer großen Umfrage des Landeselternbeirats der Gemeinschaftsschulen (LEB). 7000 Eltern, knapp 1500 aus dem Kreis, wurden um ein Meinungsbild zur „Schule unter Corona-Bedingungen“ gebeten. Die Antworten auf 30 Fragen ergeben ein durchaus vielschichtiges Lagebild.

Ein Drittel hält den Schutz an Schulen für „nicht ausreichend“

Thorsten Muschinski aus Elmshorn ist Vorsitzender des Landeselternbeirats für Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein.
Thorsten Muschinski aus Elmshorn ist Vorsitzender des Landeselternbeirats für Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein. © HA | WIDESHUT

Auffallend ist nach Ansicht des Elmshorner LEB-Vorsitzenden Thorsten Muschinski die „fehlende Information oder Kenntnis“ der Eltern. 90 Prozent der befragten Eltern seien zwar von der Schule über die aktuellen Corona-Bestimmungen informiert worden, weniger als die Hälfte habe diese Info aber „vollkommen verstanden“. Zudem seien die weiteren Informationswege höchst unterschiedlich: Neben den Quellen „Schulleitung“, „Elternvertreter“ und „Presse“ holen sich offenbar viele Eltern ihre Informationen aus Facebookgruppen oder allgemein dem „Internet“.

Für Muschinski lässt dieses Ergebnis nur den Schluss zu, dass Informationen noch deutlicher und breiter verteilt werden müssen. „Denn nur gut informierte Eltern können Entscheidungen treffen, sich eine Meinung bilden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie sich von Fake-News beeinflussen lassen.“

Ein Drittel hält die Regeln für überzogen

Entsprechend hoch ist der Anteil der Eltern, die Entscheidungen wie Maskenpflicht im Unterricht oder erweiterte Hygienestandards „nicht nachvollziehen“ können. Fast 2000 von 7000 Eltern fremdeln damit oder halten sie für überzogen. Für mehr als 2000 Eltern sind sie dagegen „genau richtig“, fast 2700 befragte Eltern halten den Infektionsschutz für „nicht ausreichend“. Fast einig waren sich alle Eltern aber bei der Frage, ob die Schulen geöffnet bleiben sollten. Nahezu 80 Prozent halten den Präsenzunterricht für richtig – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen.

Bundesweit gebe es gerade aber immer mehr Schulschließungen, so der Deutsche Lehrerverband. Dessen Präsident Heinz-Peter Meidinger sagte: „Wir erleben an den Schulen jetzt einen Salami-Lockdown.“ Die Politik habe sich zurückgezogen, die Gesundheitsämter entschieden. Und wie folgenreich Schulschließungen wären, zeigen die Antworten der Eltern aus dem Kreis. Demnach stellt ein Schul-Lockdown für zwei Drittel eine Belastung dar, und zwar persönlich, familiär, finanziell. 239 befragte Eltern sagten sogar, dass Schulschließungen ihre Arbeitsplätze gefährden.

So bewerten Eltern die Corona-Lage

Grafiken Elternbefragung 11/2020 Landeselternbeirat
Grafiken Elternbefragung 11/2020 Landeselternbeirat © Landeselternbeirat Schleswig-Holstein | Landeselternbeirat Schleswig-Holstein
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Grafiken Elternbefragung 11/2020 Landeselternbeirat © Landeselternbeirat Schleswig-Holstein | Landeselternbeirat Schleswig-Holstein
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Grafiken Elternbefragung 11/2020 Landeselternbeirat © Landeselternbeirat Schleswig-Holstein | Landeselternbeirat Schleswig-Holstein
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Lehrer wollen vom Land gestellte Schutzausrüstung

Dass in den Schulen bei Prüfungen und Klausuren aufs Tempo gedrückt werde, um Leistungen angesichts drohender Schulschließungen frühzeitig bewerten zu können, halten ebenfalls zwei Drittel der Eltern für sinnvoll.

Besonders hohen Nachholbedarf sehen die Eltern dagegen in der Schülerbeförderung. 61 Prozent halten die Schulbusse für „zu voll“. Thorsten Muschinski meint, in diesem Bereich sei „bisher deutlich zu wenig getan“ worden. „Es ist vollkommen unverständlich, dass an einem zentralen Ort wie der Schülerbeförderung alle Bedenken außer Acht gelassen werden.“

Während der überwiegende Teil der Pinneberger Eltern die Hygienekonzepte der Schulen eher gut als schlecht bewertet, geht das dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes nicht weit genug. Heinz-Peter Meidinger ist der Ansicht, dass „die Hygienestufenpläne, die in Hotspots auf halbierte Klassen setzten, außer Kraft gesetzt wurden“. Er fordert neben der Maskenpflicht auch die Wiedereinführung der Abstandsregel, was halbierte Klassen im Wechsel bedeutet.

Eltern loben die Lehrer

Eine Halbierung der Klassen in kritischen Situationen hat am Mittwoch auch der schleswig-holsteinische Lehrerverband gefordert. Zudem will die Interessenvertretung der Lehrer kostenlose, von der Schule gestellte Schutzausrüstung für Lehrpersonal sowie „die sofortige Ausstattung aller Räume mit Luftfilteranlagen, die nicht angemessen gelüftet werden können“. Weniger Stunden, herabgesetzte Fachanforderungen und Hybridunterricht – teils in der Schule, teils zu Hause – stehen ebenfalls im Forderungskatalog der Lehrer.

Weiter verlangen die Pädagogen mehr Ressourcen, um den veränderten Anforderungen begegnen zu können sowie Rechtssicherheit für die Durchsetzung der Corona-Verordnungen an Schulen und die Etablierung von „multiprofessionellen Teams“. Dazu gehören Schulassistenten, mehr pädagogisches Personal, Schulgesundheitsfachkräfte, zusätzliche Verwaltungskräfte und Systemadministratoren für den digitalen Bereich.

In der Elternumfrage stehen die Lehrer nicht im Zentrum der Kritik. Im Gegenteil. Laut dem Elmshorner Elternsprecher Thorsten Muschinski zeige sich in den Antworten der Eltern „die gute Leistung der Schulen und Lehrkräfte“ in der Corona-Krise. „Insgesamt erkennen wir, dass viele Eltern die Entscheidungen verstanden haben und sie befürworten können.“