Pinneberg/Itzehoe. Hakan Ö. prellte Senioren um Geld und Schmuck. Schaden: 170.000 Euro. Was der Richter ihm zu sagen hatte, wie er urteilte.

Es waren deutliche Worte, die Richter Johann Lohmann am Mittwochnachmittag im großen Saal des Landgerichts Itzehoe fand. Fünf Jahre Haft für Hakan Ö., der als falscher Polizist Senioren um 170.000 Euro prellte – laut Lohmann ist das angesichts der Schwere der Taten „noch ein mildes Urteil“. Dazu habe beigetragen, dass der 22-Jährige bereits früh im Ermittlungsverfahren ein Geständnis abgelegt habe, er noch sehr jung und nicht vorbestraft sei – und seine gezeigte und glaubwürdige Reue.

Der Angeklagte, der seit seiner Festnahme am 18. Februar in Untersuchungshaft sitzt, verfolgte die gesamte Urteilsverkündung regungslos. Ihm bleibt nur der Trost, dass er einen Großteil der Strafe in einer Entziehungsanstalt verbringen darf. Die Kammer ordnete aufgrund der Abhängigkeit des 22-Jährigen von Cannabis eine zweijährige Suchttherapie an, die mit der Rechtskraft des Urteils beginnen wird. Sollte sich Hakan Ö. tadellos führen, könnte er dank der Anrechnung der Untersuchungshaft nach Absolvierung der Therapie wieder auf freien Fuß kommen.

Drahtzieher saßen in der Türkei

Offen blieb, ob die Staatsanwaltschaft und Verteidiger Erkan Özkan das Urteil anfechten werden. Während die Anklagevertreterin sechs Jahre Haft gefordert und eine Suchttherapie abgelehnt hatte, hatte die Verteidigung um ein deutlich milderes Urteil gebeten, ohne sich auf die Höhe festzulegen.

Für Milde, das machte Richter Lohmann in der Urteilsbegründung klar, sei eigentlich kein Spielraum vorhanden. Der Angeklagte habe sich eines schweren gewerbsmäßigen Bandenbetrugs schuldig gemacht, wobei die Gruppe arbeitsteilig agiert habe. Aus der Türkei heraus habe sich ein angeblicher Polizeibeamter telefonisch bei den älteren Opfern gemeldet und ihnen vorgegaukelt, dass ihre Vermögenswerte in Gefahr seien und zur Sicherung einem Kollegen übergeben werden müssten. Dieser „Kollege“ war Hakan Ö., der von einem Mittelsmann die Adressen der Opfer und die Angabe erhielt, welchen Übergabeort diese für die Wertsachen gewählt hatten.

Pinnebergerin legte 10.000 Euro unter die Fußmatte

Die Anklage umfasste 13 Fälle in ganz Norddeutschland, die sich zwischen Oktober 2019 und der Festnahme des Abholers im Februar 2020 ereignet haben. Zehn davon waren erfolgreich. So besuchte Hakan Ö. am 9. Januar Elfriede K. am Ossenpadd in Pinneberg. Zuvor war der 84-Jährigen weisgemacht worden, dass ein Einbrecher festgenommen worden sei, bei dem die Anschrift der alten Frau gefunden wurde. Die hob 10.000 Euro von der Bank ab, packte das Geld weisungsgemäß in einen Umschlag und legte ihn in den Briefkasten. Den Schlüssel dafür deponierte sie unter der Fußmatte, sodass der Angeklagte leichtes Spiel hatte.

Ähnlich lief es am 20. Januar bei Eva W. in Norderstedt. Der 87-Jährigen erklärte der angebliche Polizist, die Einbrecher würden über einen Scanner verfügen, der Geld und Schmuck in der Wohnung aufspüren könne. Zudem seien ihre Ersparnisse aufgrund eines korrupten Bankmitarbeiters in Gefahr. Eva W. hob daraufhin 12.000 Euro von ihrem Konto ab, packte 5000 Euro aus ihrer Wohnung sowie Schmuck dazu und deponierte alles auf ihrer Fußmatte.

Opfer wurden stundenlang „weichgekocht“

„Das Opfer leidet noch heute erheblich unter dem Geschehen“, so Lohmann. Vor Gericht musste die Seniorin, einstmals eine erfolgreiche Geschäftsfrau, aussagen – ebenso wie die meisten der anderen Opfer, übrigens allesamt Frauen jenseits der 80. Lohmann sprach von einem sehr massiven Einwirken auf die Opfer, teilweise seien sie stundenlang am Telefon regelrecht „weichgekocht“ worden.

In einem Fall hatte eine Seniorin, als der Anruf des Betrügers abbrach, den Polizeinotruf 110 gewählt. Die Polizeileitstelle schickte ihr zwei Kripobeamte, die sie über den Betrugsmasche aufklärten und eine Strafanzeige aufnahmen. Doch als der Betrüger einige Stunden später wieder anrief, konnte er die alte Dame überzeugen, dass sie jetzt mit der richtigen Polizei sprechen würde. Als Folge übergab sie Hakan Ö. 5000 Euro.

Die psychischen Folgen für die Seniorinnen seien schwerwiegend, zudem hätten sie ihre gesamten Ersparnisse und teilweise mit dem Schmuck ihre Erinnerungsstücke von geliebten Menschen verloren, so der Vorsitzende Richter. Daran trage auch der Angeklagte Schuld. Er habe eine wichtige Rolle in der Gruppe gespielt. Lohmann: „Der Abholer holt das Geld und trägt entscheidend zum Gelingen des Tatplans bei.“ Der Beitrag, den Hakan Ö. aus freien Stücken geleistet habe, sei schwerwiegend gewesen. Er sei nicht, wie vom Verteidiger vorgetragen, nur ein Gehilfe gewesen, auch wenn er gruppenintern den geringsten Anteil an der Beute erhalten habe.