Pinneberg. Nachdem zwei lesbische Frauen verprügelt wurden, kommt der erste PinnePride gerade rechtzeitig. Opfer schildern Überfall.
Nachdem ein lesbisches Paar am Sonntag von drei Männern in Pinneberg beleidigt und verprügelt wurde, regt sich Widerstand in der Kreisstadt. Die Täter trafen auf Höhe des Bahnhofsimbisses „Juli Food“ auf ihre Opfer, verhöhnten sie wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Dann stießen sie die Frauen zu Boden, traten einem Opfer in den Unterleib. Die Polizei ermittelt.
Opfer der Tat: „Ich habe keine Luft mehr bekommen“
Chantal G. ist eine der Frauen, die auf dem Bahnhofsvorplatz zu Boden gerissen wurden. Im Gespräch mit dem Abendblatt schildert sie die Tat: Nach dem Kneipenbesuch wollten die Frauen in ein Taxi steigen, doch sie schafften es nicht so weit. Drei Männer fingen sie auf Höhe des Bahnhofsimbisses ab. „Scheiß Lesben!“, riefen sie dem händchenhaltenden Paar entgegen. „Was wollt ihr? Könnt ihr uns nicht in Ruhe lassen?“, erwiderten die Frauen den Pöblern. Dann wurden die Männer handgreiflich.
Chantal G. erinnert sich: „Zwei haben meine Freundin festgehalten und mit einem Tritt in den Bauch zu Boden gebracht. Der andere hat mich in die Beinschere genommen und zugedrückt. Ich habe keine Luft mehr bekommen.“ Als ihre Freundin sich losreißen konnte, rannte sie zurück in die Kneipe, um Hilfe zu holen. „Dann sind die Männer stiften gegangen. Sie waren weg, als meine Freundin in der Kneipe war.“
Kurz darauf stiegen die Frauen in ein Taxi ein. Der Fahrer konnte die Tat beobachten, entschuldigte sein Nichteingreifen mit den Worten „Ich wusste nicht, dass du eine Frau bist.“ Chantal G. war in diesem Moment sprachlos. Heute sagt sie: „Es waren Leute da, aber niemand hat eingegriffen.“
Pinneberger wollen beim ersten „PinnePride“ Farbe bekennen
Viele Pinneberger sind bestürzt über den mutmaßlich homophoben Anschlag. Nicht grundlos soll dieses Problem sechs Tage später öffentlich angeprangert werden: Beim ersten „PinnePride“, einer Art Christopher-Street-Day, wollen Menschen Farbe bekennen, sich solidarisch mit jenen zeigen, die wegen ihrer sexuellen Identität oder Orientierung diskriminiert werden.
In einer Videobotschaft sagt etwa der SPD-Landtagsabgeordnete Kai Vogel: „Der Vorfall hat mir vor Augen geführt, dass das Thema auch in Pinneberg aktuell ist und wir zusammenstehen müssen, damit sich so etwas nicht mehr ereignet.“ Er wird am Sonnabend mitlaufen, wenn in Pinneberg Regenbogenfahnen geschwenkt und bunte Plakate hochgehalten werden sollen, kurz: Wenn eine tolerante Stadtgesellschaft auf die Straße geht, um für ihr Recht zu kämpfen. Und Vogel ist nicht allein.
Weitere Teilnehmer haben auf Facebook in Videobotschaften zugesagt – darunter auch Dragqueen Brihanna Lagajas alias Jan Müller, die die beiden Frauen kennt. Zum Vorfall am Sonnabend sagt Lagajas: „Ich finde es schrecklich, dass so etwas passiert – nur weil die beiden Händchen haltend zum Bahnhof gegangen sind.“ Der Dragqueen selbst ist auch schon Hass begegnet, vor allem in Kommentaren in sozialen Medien. Deshalb engagiert sie sich für die Szene, zeigt sich mit ihrem Auftreten politisch. Die bunten Haare, ihr extravagantes Make-up und der funkelnde Schmuck verdeutlichen, wofür sie steht: Offenheit und Gleichberechtigung. „Jeder sollte so leben, wie er mag und so akzeptiert werden.“
Beim PinnePride gehe es darum, „Farbe und Flagge“ zu zeigen. „Wir wollen Hass, Ignoranz und Homophobie bekämpfen und zeigen, dass die Welt bunt ist – auch in kleinen Städten und Dörfern.“ Pinneberg mache mit der „kleinen, aber feinen Parade“ einen „großen Schritt nach vorn“ – weg von homofeindlichem Verhalten und hin zur Aufklärung, die ihr zufolge gerade in kleinen Städten und Dörfern fehlt.
SPD-Vize Kevin Kühnert wirbt aus Berlin für den PinnePride
Die Dragqueen erntet Zustimmung, denn die Nachricht vom PinnePride hat es bis nach Berlin und Brüssel geschafft. Aus der SPD melden sich Kevin Kühnert, stellvertretender Bundesvorsitzender, und Delara Burghardt, Europaabgeordnete. Sie sagen, eine Prideparade sei keine lustige Party, sondern nötig. „Weil unsere Gesellschaft nicht nur aus Großstädten und bunten Kiezen besteht, geht es gerade auch darum, im ländlichen Raum und in kleineren Städten, diese Freiheit zu erkämpfen. Seid kämpferisch!“, sagt Kühnert. Er kritisiert, dass Schwule kein Blut spenden dürfen, wenn sie im letzten Jahr Geschlechtsverkehr hatten und zu wenig queere Menschen in Führungspositionen sind. Burghardt ergänzt, auch in dieser Zeit müssen Menschen für sexuelle Vielfalt auf die Straße zu gehen. Die Diskriminierung stehe noch zu oft auf der Tagesordnung. Sie ruft den Kreis auf: „Seid laut auf der Straße und sichtbar, nicht nur in Großstädten, sondern auch in Pinneberg.“
Auf PinnePride blickt auch Hamburg. Stefan Mielchen von Hamburg Pride hat die diesjährige CSD-Fahrraddemo in der Metropole organisiert und lobt das Pinneberger Engagement. Er findet es wichtig, dass die Pinneberger zusammenhalten. Seine Videobotschaft endet mit den Worten: „Es geht nur gemeinsam und solidarisch. Wir wünschen euch noch viele weitere Prides. Ihr wuppt das!“
„Pinneberg ist bunt!“ – Der erste PinnePride
Corona bedingt wird die erste PinnePride nur als loser Fußmarsch stattfinden. Umrahmt wird die Parade unter anderem von Reden des Lesben- und Schwulenverbands Schleswig-Holstein, der Seebrücke und Bürgermeisterin Urte Steinberg, die die Schirmherrschaft der PinnePride übernommen hat.
Bunte Partywagen, aus denen Boxen wummern, wird es nicht geben. Tanzen ist verboten. Und auch die AHA-Regeln müssen durchweg eingehalten werden: Abstand halten, Hygiene, Alltagsmaske. Mehr als zehn Ordner werden darauf achten, dass die Corona-Regeln eingehalten werden. Die Veranstalter haben 250 Teilnehmer angemeldet.
„Pinneberg ist bunt!“Das ist das Motto der ersten Stadtparade für Gleichstellung, Vielfalt und Akzeptanz aller Menschen – unabhängig von der eigenen sexuellen Orientierung oder Identität. Der Marsch startet am Sonnabend, 17. Oktober, um 11.30 Uhr und dauert etwa eineinhalb Stunden. Treffpunkt ist am Bahnhof. Ein Mund-Nasen-Schutz ist Pflicht.