Ellerbek/Itzehoe. Opfer einer sexuellen Nötigung hatte zugebissen. Mann gesteht im Berufungsverfahren. Warum er trotzdem aus der Haft kommt.
Der Mann ohne Fingerkuppe ist wieder frei: Omar K. (34), dem das Opfer eines sexuellen Übergriffs in Ellerbek die Fingerkuppe abgebissen hat, ist im Berufungsverfahren zu einer Haftstrafe von 20 Monaten verurteilt worden. Die Dritte Kleine Strafkammer des Landgerichts Itzehoe setzte die Strafvollstreckung zur Bewährung aus, der seit dem 6. November 2019 bestehende Haftbefehl gegen den Libanesen wurde nach fast elf Monaten aufgehoben.
Das Schöffengericht Itzehoe hatte den 34-Jährigen für die sexuelle Attacke auf ein russisches Au-pair-Mädchen, die sich am 3. November 2019 in Ellerbek ereignet hatte, Ende Juni zur einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen hatte Omar K. über Verteidigerin Stefanie Martens Berufung eingelegt.
Wende nach Verständigung zwischen Anklage und Verteidigung
Zu Beginn des zweitinstanzlichen Verfahrens erzielten das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigerin eine Verständigung. Anders als im ersten Verfahren räumte Omar K. den Übergriff auf das damals 23 Jahre alte Au-pair-Mädchen ein. Im Gegenzug einigten sich alle Beteiligten auf eine Strafobergrenze für den Angeklagten, die zwischen 20 und 23 Monaten Haft liegen und eine Aussetzung zur Bewährung beinhalten sollte.
Auf der Basis dieser Verständigung konnte die Beweisaufnahme, die in der ersten Instanz vier Prozesstage gedauert hatte, auf zwei Verhandlungstage verkürzt werden. Außer dem schriftlichen Geständnis des Angeklagten, das von seiner Verteidigerin verlesen wurde, sahen sich Richter Florian Feistritzer und die zwei Schöffen noch die mehr als zweistündige Videovernehmung des Opfers bei einer Richterin an, weitere Zeugen wurden im Gegensatz zum ersten Verfahren nicht angehört.
Vorfall ereignete sich in einem Wald an der Landesgrenze
Das Opfer war zweieinhalb Monate vor dem Übergriff nach Deutschland gekommen. Die junge Frau hatte am Tattag mit zwei Freundinnen Berlin besucht und auf dem Rückweg gegen 1.30 Uhr in Schnelsen die AKN verlassen. In einem kaum ausgeleuchteten Wäldchen an der Pinneberger Straße kam es zu dem Vorfall – kurz hinter der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein und zwei Straßen vom Wohnort des Angeklagten entfernt.
Die Frau hatte nach eigenen Angaben Kopfhörer auf und so die Annäherung des Täters nicht bemerkt. Der habe ihr von hinten eine Hand auf den Mund gepresst und sie zu Boden geworfen. Daraufhin habe sie ihm heftig in den Finger gebissen und dabei seine Fingerkuppe abgebissen. In der Folge sei ihr Peiniger geflohen.
Täter wurde nach anonymem Hinweis im UKE festgenommen
Omar K. war am 5. November 2019 nach einem anonymen Hinweis aus dem UKE festgenommen worden, wo er sich aufgrund der Verletzung behandeln ließ. Dort – und zunächst auch bei der Polizei – hatte er behauptet, sich die Fingerkuppe in einem Stabmixer abgetrennt zu haben. Als eine DNA-Analyse ergab, dass die am Tatort sichergestellte Fingerkuppe die des Angeklagten ist, änderte der in der ersten Instanz seine Aussage. Nun gab er an, er habe sich verlaufen und die junge Frau nur nach dem Weg fragen wollen. Die habe jedoch losgeschrien, weswegen er ihr die Hand auf den Mund presste.
Jetzt räumte der 34-Jährige – er ist HIV-positiv – ein, das Au-pair-Mädchen aus sexueller Motivation überfallen und es auch, wie vom Opfer behauptet, im Schritt berührt zu haben. Dafür gab es die Bewährungsstrafe wegen schwerer sexueller Nötigung. Der zweite Anklagepunkt, ein Widerstand des Angeklagten gegen mehrere Polizisten bei seiner Festnahme, wurde eingestellt.