Schenefeld/Itzehoe. Holger S. erhält im Berufungsverfahren eine deutlich höhere Strafe. Ihm droht ein Jahr vor der Pensionierung der Verlust des Beamtenstatus.
Unermüdlich hat sich Holger S. an allen acht Verhandlungstagen eingebracht. Er hat unzählige Fragen gestellt, diverse Erklärungen abgegeben. Am Ende nützte ihm all der Einsatz nichts: Am Freitagnachmittag verurteilte die Berufungskammer des Landgerichts Itzehoe den Kripo-Beamten aus Schenefeld wegen Besitzes von mehr als 18.000 kinder- und jugendpornografischen Dateien zu einer Strafe von einem Jahr, fünf Monaten und zwei Wochen, ausgesetzt zur Bewährung. Zudem muss er eine ambulante Sexualtherapie absolvieren und 700 Euro an den Kinderschutzbund zahlen.
In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Pinneberg war der langjährige Polizeibeamte der Pinneberger Dienststelle noch viel glimpflicher davongekommen. Am 19. April des Vorjahres lautete das Urteil ein Jahr Haft auf Bewährung. Dagegen hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Berufung eingelegt. Die Anklagebehörde hoffte auf eine höhere Strafe, Holger S. dagegen auf ein milderes Urteil. Ab einer Strafe von einem Jahr wird ihm der Status als Beamter aberkannt – und damit einher geht der Verlust der erworbenen Pensionsansprüche. Für den Schenefelder, der seit 1978 dem Polizeidienst angehört und seit seiner Suspendierung Anfang 2015 reduzierte Bezüge erhält, ist dies besonders bitter. Er hätte in etwa einem Jahr in Pension gehen können.
Dass es nun vermutlich anders kommt, ist der Strafanzeige einer Mutter zu verdanken, die am 22. September 2014 gestellt wurde. Holger S. hatte ihrer damals elf Jahre alten Tochter den Polizeialltag erklären wollen. Sie besuchte den Kripo-Beamten dazu mehrfach in der Dienststelle – nach Feierabend. Im Raum stand ein möglicher sexueller Missbrauch. Um mögliches Beweismaterial zu sichern, durchsuchte die Polizei drei Tage später das Haus des Kripo-Beamten, sein Fahrzeug und die Diensträume. Dabei wurden diverse Computer, mobile Festplatten, CDs, DVDs, USB-Sticks und Handys sichergestellt, auf denen sich massenweise kinder- und jugendpornografische Dateien fanden, die allesamt von Dienstrechnern der Polizei stammten. Das räumte Holger S. auch ein, jedoch wollte er die Dateien zu Übungszwecken von Kollegen erhalten haben, um Möglichkeiten zu finden, diese Dateien schneller öffnen zu können.
„Die Beweisaufnahme hat diese Einlassung widerlegt, kein Kollege hat ihm solche Dateien ausgehändigt“, so Staatsanwältin Janina Plate. Dem Angeklagten seien Benutzername und universelles Passwort des Auswerterechners bekannt gewesen, sodass er sich die Dateien beschaffen konnte, auch wenn er in einem ganz anderen Sachgebiet tätig war. Die Dateien seien Holger S. weder untergeschoben worden noch habe ein Kollege das Beweismaterial manipuliert.
Die Staatsanwältin hatte im zweiten Verfahren durchgesetzt, dass alle bei Holger S. beschlagnahmten Asservate noch einmal ausgewertet wurden. Die Zahl der gespeicherten kinder- und jugendpornografischen Dateien stieg dabei von 2853 auf 18 366. Plate wertete die große Menge als strafschärfend – ebenso die Art und Weise, wie Holger S. an das Material gelangte. „Sie haben ihre dienstlichen Möglichkeiten missbraucht, ihre Pflichten als Polizeibeamter in schwerstem Maße verletzt.“ Der Angeklagte sei wegen unerlaubten Waffenbesitzes vorbestraft, habe Kolleginnen unter den Rock und ins Dekolleté fotografiert sowie Tatortbilder etwa von Leichen auf privaten Rechnern gespeichert. Die Kinderpornodateien habe er in die Kategorien „Top, Super und Gut“ eingeordnet. Plate: „Das ist an Abscheulichkeit kaum zu überbieten.“
Verteidiger Rolf Huschbeck machte deutlich, dass er die Durchsuchung beim Angeklagten für unrechtmäßig hält, weil die Verdachtsmomente in Sachen des sexuellen Missbrauchs zu vage waren. Zudem sei dem Angeklagten nicht zu widerlegen, dass er sich „im Grenzbereich des Dienstrechts befand“ und tatsächlich glaubte, „dienstlich etwas Gutes zu tun“. Sein Mandant habe 36 Jahre lang ohne Beanstandung bei der Polizei gearbeitet, seit der Durchsuchung sei er „durch die Hölle gegangen“. Huschbeck forderte eine Strafe von unter einem Jahr – und kündigte nach dem Urteil an, in Revision gehen zu wollen.
Richter Werner Hinz machte deutlich, dass die Durchsuchung rechtmäßig war, weil ein „handfester Anfangsverdacht vorlag“. Die Kinderpornos seien zwar Zufallsfunde, jedoch rechtlich verwertbar. Aufgrund der großen Menge komme eine Strafe von unter einem Jahr nicht infrage, zumal auch drastische Bilder und Videos darunter seien.