Haseldorf. Swing-Trio „Die Couchies“ begeistert Publikum beim spontanen Trecker-Konzert des SHMF mit Jazz-Standards, Swing und eigenen Songs.
„Ach, ist das schön! So eine wunderbare Kulisse für unser erstes Konzert seit gefühlten sechs Monaten!“ Zu Beginn des Trecker-Konzertes in Haseldorf sprach der Geiger Hank Willis aus, was wohl alle der wenigen Musiker denken, die zurzeit trotz Corona beim Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) auftreten dürfen. Willis ist einer von drei Berliner „Couchies“, die am Sonnabend früh vor dem Haseldorfer Rinderstall knapp hundert Musikfans mit Swing und Schlagern in Stimmung brachten.
„Sehr gut“ hat es auch dem langjährigen Gastgeber Udo Prinz von Schoenaich-Carolath-Schilden gefallen. Er war voll des Lobes, hob die lange Haseldorfer Festival-Tradition hervor, und dass der örtliche Skatverein im Vorfeld den Platz so schick gemacht hätte.
So wurde es eine beschwingte halbe Stunde, bevor die Musiker weiter nach Elmshorn fuhren, um dort weitere drei Kurzkonzerte zu geben, auf dem dortigen Marktplatz, beim Sponsor Kölln, wo sie zum 200-jährigen Jubiläum aufspielten, und in der Nordakademie.
Jürgen Lutz aus Haseldorf hat seinen schönen roten Trecker für die urige Konzertkulisse zur Verfügung gestellt. „Die Couchies“ haben sogar ein nostalgisches Canapé als Sitzgelegenheit auf dem daran festgemachten Bühnen-Hänger zur Verfügung. Aber es ist zu schmal, um den Mindestabstand einhalten zu können. Also sitzt nur Sängerin und Gitarristin Charlene Jean darauf, sekundiert vom Geiger und Spaßvogel Hank Willis und Colt Knarre am Kontrabass – sie müssen auf Stühlen oder im Stehen spielen.
Und schon geht es los. „Die Couchies“ feuern ihren ersten Jazz-Standard aus der Stimmungskanone, schnell, präzise und fröhlich. Dann schmachtet Sängerin Charlene Jean „Baby“ ins Mikrofon, ein langsames Lied, das sie herrlich mit Gurren und Juchzen garniert: „Baby, don’t hold me so tight!“ Dazu greint Geiger Hank Willis „wawawaaaa“, vielleicht weil gerade keine Posaune zur Hand ist und es so, die Comedian Harmonists lassen grüßen, sowieso viel lustiger klingt.
Jedenfalls sind nach dem zweiten Lied die knapp hundert Besucher schon in Schwung gekommen, hier wippt ein Fuß, da kreist eine Hüfte – was „Die Couchies“ zwischen Strohballen und nostalgischem Reisekoffer auf der fahrbaren Anhänger-Bühne abliefern, ist Tanzbodenmucke, da fällt das Stillstehen schwer, selbst bei knapp 30 Grad im Schatten. Hank Willis erzählt singend, dass seine Angebetete tagaus, tagein ihr Fahrrad schiebt, er ihr sein Lächeln schenkt, doch „sie machte sich nichts daraus“. Bis Charlene Jean einstimmt und singt, dass sie sich, gefolgt vom ohrwurmtauglichen, dreistimmig gesungene Refrain, doch nur ein Automobil wünscht, denn „dann darfst Du mich küssen, nicht nur aufs Profil!“
Wenn „Die Couchies“ ihrem schwitzenden Publikum davon abraten, zum Nordpol zu fahren, weil man da immer so frieren muss, spielt Willis wie einst Stéphane Grappelli rasend schnell auf seiner Geige, die er danach wegen der Sommerhitze nochmal stimmen muss. Und Kontrabassist Colt Knarre setzt dem hohen Hals seines Instruments eine Eisbärenmütze auf.
Aus Willis’ Feder stammt auch das musikalisch spannende Lied „Lalala“, das die gängige Harmonienführung verlässt. Zuletzt folgt Zarah Leanders unvergesslicher Klassiker „Nur nicht aus Liebe weinen“, den Charlene Jean textlich zusammenfasst, begleitet von Willis, der erst auf einer griechischen Mandoline spielt, auf der er dazu am besten schmachten kann, bis er zum schnittigen Stehgeiger wird und Jean singt: „Ich lüge auch – und bin Dein!“ noch .
Ja, das hätte gern so weitergehen können, aber nach knapp 30 Minuten ist’s vorbei. Am Ende noch ein romantisches Lied mit viel Bubbedibiddediii und Hühnergegacker aus dem Mund von Hank Willis bevor das Publikum mit Applaus sagen kann: Danke für diesen amüsanten, frech und gekonnt versüßten musikalischen Vormittag!
Barbara Buckesfeld und Renate Schneider aus Moorrege haben begeistert zugehört, sie sind jedes Jahr bei den SHMF-Konzerten in Haseldorf. Auch Jutta Tettweiler und Günter Küchler fanden es schön, dass der Musiktrecker ins Dorf gekommen ist, „So kommt das an. Und eine Krawatte muss man sich auch nicht umbinden“, sagt Küchler.
Hannah Bregler vom SHMF, die sich die Treckerkonzerte ausgedacht hat, erzählt, dass sie „überall begeisterte Menschen“ trifft, „die sich freuen, endlich wieder live Musik zu hören.“ Improvisieren gehört in Corona-Zeiten eben dazu.