Kreis Pinneberg. Kreis Pinneberg rangiert in der Statistik auf dem vorletzten Platz in Schleswig-Holstein. Kreis, Land und AOK sehen dringenden Handlungsbedarf.
Dem Kreis Pinneberg fehlen Heimplätze. Vor allem bei der Kurzzeitpflege, die Angehörige von Pflegebedürftigen zu Hause entlasten und stationärer Pflege nach einem Krankenhausaufenthalt vorbeugen sollen, ist der bevölkerungsreichste Kreis in Schleswig-Holstein beinahe Schlusslicht. Mit 4,6 Plätzen pro 10.000 Einwohner liegt er landesweit mit dem Kreis Segeberg vor Flensburg an vorletzter Stelle, so die aktuelle Statistik der größten Kranken- und Pflegekasse AOK Nordwest. Ein alarmierender Zustand, wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann aus Elmshorn klagt und die Landesregierung zum schnellen Handeln auffordert.
Diese sieht sich durchaus in der Pflicht, wie Max Keldenich vom Gesundheitsministerium sagt: „Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird der Bedarf an Kurzzeitpflege weiter steigen.“ Und auch Katja de Jong vom Fachbereich Gesundheit des Kreises Pinneberg bestätigt den Handlungsbedarf: „Es ist richtig, dass auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung weitere Kurzzeitpflegeplätze im Kreis Pinneberg benötigt werden.“ Einrichtungen, die nur Kurzzeitpflege anbieten, gebe es hier praktisch nicht, teilt die Landesregierung mit. „Kurzzeitpflegeplätze sind kaum wirtschaftlich zu führen“, sagt ihr Sprecher Keldenich. Neun von zehn Pflegeheimen würden diese kurzfristigen Pflegeheimplätze anbieten, deren Zahl sich landesweit seit 2010 um 270 auf etwa 1650 Plätze erhöht habe.
In der Seniorenresidenz am Rantzauer See in Barmstedt, dem letzten kommunal geführten Pflegeheim im Kreis, waren zum Beispiel voriges Jahr die vier Kurzzeitpflegeplätze bei insgesamt 91 stationären Plätzen zu 103 Prozent mehr als ausgebucht, erklärt Heimleiter Christoph Merker und bestätigt die Aussage des Ministeriums: Die Heime würden in der Regel lieber die Langzeitplätze vergeben, weil auch bei kurzer Aufnahme von nur wenigen Wochen derselbe Aufwand an Beratung, Service und Anamnese betrieben werden müsse. Die Gefahr bestehe, dass die Plätze danach nicht sofort wieder belegt werden könnten und so Kostenausfälle von etwa 3500 Euro je Platz und Monat entstünden. Darum würden diese Plätze meist nur eingestreut angeboten, wobei sein Haus voriges Jahr zeitweise einen fünften Kurzzeitpflegeplatz belegte, was die Überauslastung erklärt.
Andererseits habe sich der ursprüngliche Auftrag, Krankenhauspatienten in der Kurzzeitpflege „wieder für die Pflege zu Hause fit zu machen“, in der Realität überholt, erklärt Andrea Gahrens, Sprecherin der AOK Nordwest, die voriges Jahr landesweit 5392 und kreisweit 404 Versicherten einen Kurzzeitpflegeplatz für maximal acht Wochen bezahlte. Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen sei nachher nicht mehr nach Hause zurückgekehrt, sondern musste in die vollstationäre Dauerpflege wechseln. Darum gelte es, „die Kurzzeitpflege viel weiter zu denken“, fordert sie. „Sie soll die Pflegebedürftigen mobilisieren, ihre Ressourcen stärken – und sie nach Hause entlassen.“ Das ginge aber nur mit einem neu formulierten Auftrag „Kurzzeitpflege“ in den Pflegeeinrichtungen, die dann ausschließlich Kurzzeitpflege erbringen sollten.
Krankenkasse ist für reine Kurzzeitpflegeeinrichtungen
Darunter versteht die Krankenkassen-Sprecherin solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen mit multiprofessionellen Teams statt des jetzigen Angebots eingestreuter Betten in stationären Heimen.
Im Kreis Pinneberg werde dies mit der 2019 neu gegründeten „Fokusgruppe Altenhilfe und Pflege“ und „Fokusgruppe Inklusion“ versucht, erläutert Katja de Jong vom Fachbereich Gesundheit in der Kreisverwaltung. Diese habe sich zur Aufgabe mit „hoher Priorität“ gesetzt, das Angebot an Pflege- und auch an Kurzzeitpflegeplätzen zu verbessern. Wobei dieses Thema zurzeit vom akuten Fachkräftemangel überlagert werde, dem mit besserer Vergütung und mehr Ausbildungsplätzen an der Kreisberufsschule begegnet werden soll. Zudem werde gerade daran gearbeitet, „wie Träger bei der Entwicklung neuer Konzepte und Finanzierungsmodelle zur Schaffung von Kurzzeitwohnplätzen für Menschen mit Behinderung unterstützt werden können“, so Katja de Jong. Zurzeit käme für diesen Personenkreis bei der Kurzzeitpflege nur die Alternative der Unterbringung in Pflegeheimen in Betracht.
Auch die Landesregierung sieht Reformbedarf. So setze sich Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) für einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung ein, „damit unter anderem auch die finanziellen Lasten in der Kurzzeitpflege fair verteilt werden“, sagt sein Sprecher Keldenich. So müsse die Kurzzeitpflege auskömmlich finanziert sein, für die das Land 2018 rund 2,2 Millionen und die Kreise und kreisfreien Städte noch einmal 3,4 Millionen Euro aufgewendet hätten. Darum habe die Landesregierung erst im November mit anderen Ländern auf der Sozialministerkonferenz „einen an die Bundesregierung gerichteten Beschluss zur Stärkung und zukunftsfesten Gestaltung der Kurzzeit- und Verhinderungspflege mit einem umfangreichen Prüfkatalog gefasst.“ Was wiederum die regierenden Koalitionsparteien im Dezember mit einem ähnlichen Antrag zur Stärkung der Kurzzeitpflege beantwortet hätten.
Somit könnten vielleicht bald Antje Chowaniec und ihre Kollegin vom Pflegestützpunkt Pinneberg die monatlich 130 Anfragen zur Pflege und Kurzzeitpflege gezielter und passgenauer beantworten. „Derzeit kann ich mir nur das Leid anhören und empfehlen, auch außerhalb des Kreises zu suchen“, sagt sie. Dafür erhielten die Fragesteller eine Liste mit den Altenheimen, die dies anböten. Ob dies den Leuten weiterhilft, könne sie nicht sagen. „Die freuen sich dann wohl, dass sie einen Platz gefunden haben und melden sich nicht mehr.“
Pflegestützpunkt Pinneberg, Heinrich-Christiansen-Straße 43, Telefon 04101/55 54 64, info@pflegestuetzpunkt-pinneberg