Schenefeld. Bürgerentscheid nach fünf Jahren Diskussion: 70 Prozent der Wähler stimmen gegen das von Rot-Grün forcierte Vorhaben.
Neben der Bürgermeisterin Christiane Küchenhof war am Sonntagabend nur eine kleine Schar von Politikern im Rathaus erschienen, um das Ergebnis eines Bürgerentscheids entgegenzunehmen, der Schenefeld nun schon länger in Atem hält: Knapp überstiegen die Ja-Stimmen das notwendige Quorum mit 2983 Wählern, die dafür stimmten, eine Entscheidung der Ratsversammlung zu kippen. Die also gegen die Gründung eigener Stadtwerke stimmten. Das waren gut 70 Prozent der abgegebenen Stimmen. Mit Nein stimmten 1236 Bürger.
Fünf Jahre hatte der Informations-, Diskussions- und Entscheidungsprozess gewährt. Die Schenefelder Politiker haben es sich also alles andere als leicht gemacht und die zahlreichen Sachargumente hin und her bewegt. Das Ergebnis des Bürgervotums hat am Sonntag gezeigt, dass die Bürger im Ernstfall anders abstimmen können als die Mehrheit ihrer gewählten Volksvertreter. „Ich bin froh, dass es ein eindeutiges Ergebnis gibt. Andernfalls hätten wir hier Kampf und Krampf gehabt“, sagt Wahlleiterin Christiane Küchenhof. Damit deutet sie an, dass es im sonst so einvernehmlichen Schenefeld bereits gründlich rumort.
"Das Klima ist total vergiftet"
Mathias Schmitz von den Grünen wirkt angegriffen: „Das eigentliche Problem ist ein anderes. Wir haben drei Haushalte einstimmig verabschiedet. In respektvollem Miteinander. Jetzt haben sich vier Parteien zur Opposition erklärt. Das Klima ist total vergiftet. Die Frage ist, wie wir da wieder rauskommen.“
Monika Stehr, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, nimmt das Ergebnis tapfer hin: „Für mich ist es äußerst knapp. Wir haben fünf harte Jahre hinter uns, in denen wir an dem Thema gut gearbeitet und uns richtig reingekniet haben.“ Auch sie empfindet die Atmosphäre als sehr gedrückt: „Ich finde es traurig, dass Personen angegriffen wurden. Das war nicht angebracht.“
Große Sanierungsprojekte vor der Brust
Die unversöhnlich weit auseinanderliegenden Standpunkte zur Gründung der Stadtwerke und zum Netzankauf verteilten sich parteipolitisch auf die knappe Mehrheit aus Grünen und SPD auf der einen Seite und von CDU, FDP, der Offensive für Schenefeld (OfS) und der Wählervereinigung Bürger für Bürger (BfB) auf der anderen. Dort herrscht nun Freude, vor dem Rathaus werden gar zwei Flaschen Champagner entkorkt: „Der Bürger ist unseren Ansichten gefolgt und hat unseren wirtschaftlichen Kompetenzen mehr vertraut als denen von Grün-Rot“, sagt CDU-Fraktionschef Hans-Jürgen Rüpcke. „Und mittlerweile sind wir bei sehr vielen Punkten verschiedener Meinung.“
Das sieht Jörg Evers, Fraktionschef der OfS, nicht ganz so. Er sagt: „Das gute Klima wird wiederkommen. Jetzt haben sich die Pro- und Kontra-Blöcke verhärtet, aber wir werden weiter konstruktiv miteinander arbeiten.“
Manfred Pfitzner, Fraktionsvorsitzender der BfB, sieht in dem Wahlergebnis „ein klares Votum. Wir haben die Bürger umfangreich informiert. Wir haben einfach zu große Sanierungsprojekte vor der Brust: 45 Millionen Euro für das Schulzentrum, sieben Millionen für den Stadtkern, drei Millionen für eine neue Kita – diese dicken Bretter müssen wir bohren. Die Übernahme der Netze hätte einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Das haben die Bürger verstanden.“
Kai-Uwe Harms (FDP) hatte den Bürgerentscheid initiiert, nachdem die Ratsversammlung im Dezember 2018 die Gründung von Stadtwerken beantragt und im Juni 2019 den Gründungsvertrag der Stadtwerke beschlossen hatte. Für den Protest gegen diese Entscheidung sammelten Mitglieder aller Gegner-Fraktionen im Januar 1686 Unterschriften wahlberechtigter Bürger.
Generelle Bedingung für die Wirksamkeit eines Bürgerentscheids ist ein Quorum von 18 Prozent. Von 15.770 wahlberechtigten Schenefeldern mussten also mindestens 2839 ihre Stimme für eine der beiden Positionen abgeben. Im Vorfeld hatten bereits 2300 Wahlberechtigte einen Wahlschein beantragt.
FDP-Mann Harms ist nun erleichtert: „Ein klareres Votum als einen Bürgerentscheid gibt es nicht. Wir spielen schließlich mit Steuergeld unserer Bürger, und das können wir nur einmal ausgeben. Für beides, also Schule, Infrastruktur, Kitas und die Stadtwerke wird das Geld nicht reichen. Gewinne hätte es da frühestens in acht bis zehn Jahren gegeben.“ Bis zum Schluss haben Befürworter und Gegner der Gründung und des Netzankaufes aus Überzeugung um ihre Position gekämpft. Die Gräben haben sich dabei vertieft.