Uetersen. Corona zum Trotz blüht bei Rosen Tantau das Geschäft mit Gartenrosen. Ein Blick in die Züchterarbeit und wie die schönsten Pflanzen entstehen.

Da stehen sie in ihrer ganzen Pracht. Manche von ihnen duften, und alle fangen jetzt, im Rosenmonat Juni, an zu blühen: Die tief orangefarbene Theodor-Fontane-Beetrose, die vielfach ausgezeichnete, supererfolgreiche gelbe Beetrose „Hansestadt Rostock“, für den Blumenhandel die dicht gefüllten Country-Spirit-Rosen „Papillon“ (hellgelb) und „Romance“ (in Rosa) aus dem Treibhaus oder – ganz neu – fünf Sorten aus der brandneuen Orienta-Reihe mit dunklerer Mitte aus dem Hause Rosen Tantau.

Was in Uetersen seit nunmehr 114 Jahren an Rosen entsteht, ist Teil einer über vier Generationen währenden Erfolgsgeschichte, an deren Spitze heute Christian Evers steht. Rosen Tantau ist neben Kordes einer der größten Züchter weltweit, Tantaus’ „Freedom“ etwa ist die meistverkaufte rote Rose der Welt. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, meint Evers. Ihm zur Seite steht ein sanfter, freundlicher Mann, dessen über Jahre geschärftem Sachverstand, Können und Ausdauer die modernen Züchtungswunder zu verdanken sind: Jens Krüger.

3,5 Hektar Land liegen bei Rosen Tantau unter Glas und Folie, insgesamt wachsen Rosen auf fast 40 Hektar, auf denen 90 Angestellte arbeiten. Als die Corona-Pandemie anrollte, merkte Christian Evers schnell, was das für seinen Betrieb bedeutete: Weil bis heute kaum Luftfracht-Flugzeuge fliegen und außerdem fast nirgendwo Feste gefeiert, Konferenzen, Restaurants oder Hotels mit Blumen dekoriert werden, brach das internationale Geschäft zusammen. „Dafür laufen wir bei den Gartenrosen an der Kapazitätsgrenze, und auch unsere neuen Mini-Kletterrosen für den Balkon sind bis jetzt ein voller Erfolg“, sagt Evers erleichtert.

Dennoch macht er sich auf eine Durststrecke gefasst. Einen geplanten Anbau hat er vorsorglich gestrichen, „Corona hat mir die Gelegenheit gegeben, alles zu durchleuchten und alte Zöpfe abzuschneiden, um die Kosten zu reduzieren“, sagt der Chef.

Gerade hat er mit seinem Geschäftspartner in Ecuador telefoniert. Der habe wegen Corona erst mal 200 seiner Leute entlassen müssen. Jetzt, wo dort das Virus zurückgehe, stelle er sie wieder ein und habe erfahren, dass sich die Hälfte von ihnen infiziert hatte – ohne Symptome übrigens.

Nicht die Gartenrosen stehen bei Tantau im Zentrum: Den Mammutanteil macht der internationale Handel mit Schnittrosenmaterial aus. Da dreht Tantau ein großes Rad, arbeitet global mit gut 30 Repräsentanten in allen Erdteilen zusammen. Drei Millionen Gartenrosen werden in Uetersen produziert. Außerdem, wie gesagt, im großen Stil Jungpflanzen und lebendes Material für die Schnittrosenproduktion auf anderen Kontinenten.

Rosengärtnereien aus Afrika und Südamerika bauen durch Lizenzkauf bewährte Sorten und neue Züchtungen aus Uetersen an. Bevor es so weit ist, hat Rosen Tantau per Luftfracht solches Schnittrosenmaterial in Form blattloser Stiele zur vorläufigen Kultivierung an die Partnerfirmen gesandt.

Bewähren sich die unbekannten Sorten aus Norddeutschland auf deren Feldern, werden sie dort im größeren Stil angebaut. Läuft das gut, fliegen Flugzeuge diese Rosen später nach Deutschland, aber auch in die USA, nach Russland oder Japan, und dort stehen sie zum Verkauf in Blumenläden und Supermärkten. Ein irrwitziger, aber auch beeindruckender Warenverkehr quer über den Erdball.

Im Inland sind Gartenrosen, besonders die insektenfreundlichen, nach denen vor einigen Jahren noch kein Hahn gekräht hat, der Renner geworden. Insgesamt geht die Menge an verkauften Gartenrosen aber ständig zurück: „Die Gärten werden kleiner, und Rosen sind anspruchsvoller als Stauden“ – so erklärt sich Christian Evers das. Bei Züchtungen rechtzeitig die Nischen zu erkennen und auszubauen, das ist eines der entscheidenden Talente, die Züchter und Unternehmer mitbringen müssen. So lief es auch bei der roten Rose, die heute Bienenweide rot heißt und die so viele Bienen anzog, dass der damalige Senior-Chef Hans Jürgen Evers zu dem Schluss kam, daraus ließe sich mehr machen. Nämlich die beliebte Bienenweiden-Kollektion in vielen Farben.

Wer im Pflanzenmarkt eine Containerrose für den heimischen Garten auswählt, hat meist keine Vorstellung davon, warum so eine Pflanze um die 17 Euro kostet. Noch viel weniger Menschen ist bewusst, warum Rosen im Blumenladen relativ teuer sind und welche Weltreisen sie hinter sich bringen müssen, bis sie in Deutschland verkauft werden. Bis eine Rose „marktreif“ ist, vergehen bis zu neun Jahre mit Tausenden von kleinen Arbeitsschritten, die Jens Krüger bei Tantau seit 14 Jahren überwacht und oft auch selbst ausführt. Dafür hat Christian Evers hochmoderne, per Computer klimatisierte und belüftete Treibhäuser bauen lassen.

Jede Neuzüchtung beginnt mit ein paar winzigen Hagebuttenkernen: Im gläsernen Kreuzungshaus wachsen etwa 500 der weltweit interessantesten Rosensorten. Nach einem ausgetüftelten Kreuzungsplan werden einzelnen Mutterpflanzen von Rosen mit besonders vielen guten Eigenschaften die Pollen von Vaterpflanzen per Hand aufgestäubt, die wiederum weitere gute Merkmale besitzen, die bisherigen Züchtungen fehlen. Einkreuzen nennt man das. Im ersten Schritt durch rund 80.000 Bestäubungen von Hand. Jede Kreuzung wird mit Schildchen unter jeder Hagebutte nummeriert, damit sie verlässlich nachvollziehbar ist. Übrigens ist es wesentlich schwieriger, Rosen in warmen Farben zu züchten als in kühlen, Rosa und Weiß sind einfacher als Orange.

Im Herbst werden dann rund 300.000 Hagebuttenkerne geerntet und im Dezember per Hand im benachbarten Sämlingshaus ausgesät. Über Winter und Frühling keimt dort ungefähr die Hälfte davon zu neuen Zöglingen auf. Die Vielversprechenden werden fürs Freiland ausgewählt und dürfen dort unter genauester Beobachtung weiter wachsen. Verläuft auch diese Phase gut, werden Teile des Triebes einer solchen neuen Sorte auf einer Wildrosenunterlage veredelt. Zwei Jahre lang wachsen auf diese Weise drei neue Pflanzen derselben neuen Sorte auf dem Versuchsfeld im Freiland weiter.

Die Zöglinge werden dann immer weiter vervielfältigt und beobachtet: Aus drei werden bei Erfolg 25 Pflanzen gezogen, aus 25 hundert, dann tausend und zum Schluss 8000, womit die Marktreife erreicht wäre. Dieser arbeitsaufwendige Prozess dauert bis zu neun Jahre. Auf dem zwei Hektar großen Versuchsfeld stehen immer rund 7000 neue Sorten, pro Jahrgang schaffen es davon nur sieben Sorten in den Handel.

Gleichbleibende Züchtungsziele sind Schönheit, Transportfähigkeit, Haltbarkeit, Blühfreudigkeit, Farbkonstanz, aber vor allem auch Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten. Und das, was hier toll wächst, muss nicht auch in Südamerika florieren, denn dort herrschen andere klimatische Bedingungen, Rosen von dort bekommen wegen der Äquatornähe wesentlich mehr Licht, sie wachsen dreimal so langsam und haben dafür weit größere Blüten.

„Meine Lieblingsrose ist die, die sich am besten verkauft“, sagt Christian Evers mit unübersehbarem Zwinkern. Früher, da hätten ihm auch Rosen gefallen, die am Markt nicht so durchgeschlagen hätten. Aber das hätten alle Rosenspezialisten gemeinsam. Leider, leider halten Blüten, die duften, weniger lange als andere. Aber daran wird weiter gezüchtet, und die ersten Erfolge sind schon da.