Barmstedt. Eine neue Ausstellung in Barmstedt zeichnet die ambivalente und Jahrhunderte lange Beziehung von Mensch und Wolf nach.

Drei Wolfsköpfe zierten das Wappen des Reichsgrafen Christian Rantzau vor gut 350 Jahren, beinahe hätten sie statt der Tanne auch das Wappen des Kreises Pinneberg geschmückt. Nach dem 30-jährigen Krieg galten Wölfe hierzulande als Plage, und es wurden Prämien für ihren Abschuss ausgelobt, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts in Westeuropa fast vollständig ausgerottet waren.

Erst vor wenigen Jahren tauchte das Raubtier hier wieder auf und versetzte Schäfer und Jäger vor allem im Norden des Kreises Pinneberg sowie in Steinburg und Dithmarschen in Angst und Schrecken. Jetzt zeigt die neue Ausstellung „Wölfe bei uns – früher und heute“ im Museum der Grafschaft Rantzau auf der Schlossinsel in Barmstedt, dass sich Wolfsrudel schon immer in dieser Region wohlgefühlt und vor allem das weite Flusstal der Stör als Jagdrevier genutzt haben.

Auf einem Dutzend Schautafeln sowie mit vielen Dokumenten, Exponaten, Videos und Medienberichten wird das Leben und Töten von Wölfen seit Karls des Großen bis in unsere Tage nachgezeichnet. „Der Wolf prägte viele Jahrhunderte lang das Leben der Menschen in unserer Region“, sagt Hans-Albrecht Hewicker, der mit Rainer Adomat vom Heimatverband die Ausstellung ausgearbeitet und präsentiert hat.

Zurzeit sind etwa 100 Rudel in Norddeutschland unterwegs

Sogar Bürgermeisterin Heike Döpke haben sie dafür eingespannt. Die Verwaltungschefin, die auch dem Vorstand des Fördervereins angehört, fuhr eigens nach Detmold, wo Forscher des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vor etwa zehn Jahren erstmals originale Wolfsangeln aus dem 13. Jahrhundert entdeckt hatten. Das waren gezackte Metallspieße, die mit Fleisch am Haken an Bäumen hingen und so hungrige Wölfe aufspießten, wenn diese danach sprangen und schnappten.

Rainer Adomat mit einem Abbild des Wappens des Reichsgrafen Christian Rantzau
Rainer Adomat mit einem Abbild des Wappens des Reichsgrafen Christian Rantzau © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Erstmals sind diese rund 800 Jahre alten Fundstücke jetzt in Schleswig-Holstein zu sehen. Und da die kostbaren Eisen nicht einfach verschickt werden sollten, musste Döpke sie im 300 Kilometer entfernten Detmold südöstlich von Bielefeld sicher abholen. „Die Idee ist grandios, hier im Museum die Bedeutung der Wölfe für Land und Leute im Laufe der Geschichte zu präsentieren“, lobt Döpke. „Das passt zu unserer Geschichte und zeigt, dass Wölfe keine Hunde, sondern wilde Tiere sind, mit denen wir leben müssen.“

Vielen Schäfern wäre die Wiederkehr des Wolfes wohl gern erspart geblieben. Mehr als 100 Jahre galt er in Westdeutschland als ausgestorben. Nur an der Oder-Grenze zu Polen, wo heute 3000 Wölfe leben sollen, und in der damaligen DDR tauchte er ab und zu noch auf, berichtet Hewicker. 1973 wurde er deshalb durch das Washingtoner Artenschutzabkommen unter Schutz gestellt, das 152 Länder ratifizierten.

Im Kreis eskalierte die Situation wegen eines „Problemwolfs“

Irgendwann um die Jahrtausendwende traute sich der Wolf auch wieder in den Westen, sodass heute etwa 100 Wolfsrudel im Norden zwischen Cuxhaven und der Lausitz leben. Im Süden Deutschlands dagegen nicht. „Es ist erstaunlich, es sind nur Flachlandwölfe“, sagt Hewicker.

Im vorigen Jahr eskalierte es hierzulande mit einem männlichen „Problemwolf“, der an Pinnau, Stör und Krückau Dutzende Schafe gerissen hatte, über Zäune gesprungen und monatelang von Hunderten Jägern zum Abschuss freigegeben war. Am Ende starb das Tier im Januar 2020 beim Zusammenprall mit einem Auto bei Gifhorn in Niedersachsen. Auch das Leben und Ableben dieses Problemwolfs mit der Bezeichnung GW 924m ist in der Ausstellung ausführlich dokumentiert. Ebenso wie die gut 800 Zeitungsberichte über das Tier, die Hewicker und Adomat zusammengetragen haben.

Die Situation habe sich im Vergleich zum Vorjahr allerdings nicht beruhigt, teilt dazu auf Nachfrage Joschka Touré vom Umweltministerium mit. „Durch durchziehende Wölfe kommt es immer wieder zu Rissereignissen“, sagt er. Aktuell habe sich zwar kein Wolf mehr hier angesiedelt. Aber ein Welpe, der GW 1468m genannt wird und demselben Rudel in Dänemark wie der letztjährige Problemwolf entsprungen ist, konnten in diesem Jahr bislang 17 Übergriffe auf Schafe nachgewiesen werden. 2019 töteten in Schleswig-Holstein insgesamt acht Wölfe 157 Schafe, 2018 waren es sechs, die 137 Schafe rissen. 2017 gab es dagegen nur zwei Wölfe, die sechs Schafe anfielen. 1,5 Millionen Euro hat die Landesregierung 2019 ausgegeben, damit 115 Schäfer ihre Herden mit 18.000 Schafen mit Starkstromzäunen schützen konnten.

Beinahe wäre der Wolf aufs Kreiswappen gekommen

In vielen Sagen, Fabeln, Mythen und Märchen spielt der Wolf vor allem eine böse Rolle, wie Heimatforscher Adomat ausgearbeitet hat. Nicht nur bei den Gebrüdern Grimm und ihrem Rotkäppchen oder als Meister Isegrim bei Reineke Fuchs. So sollen die Zwillingsbrüder Romulus und Remus, bevor sie vor genau 2773 Jahren die ewige Stadt Rom gründeten, von einer Wölfin gesäugt worden sein. Und als Werwolf, halb Mensch, halb Tier, geistert das meist böse Wesen seit Jahrhunderten durch die Literatur- und Filmgeschichte.

Und dennoch sorgt das Raubtier auch heute noch für so manche Überraschung wie bei Heimatforscher Adomat. Gerade habe seine Kollegin aus dem Heimatverband, Annette Schlapkohl, den fast 100 Jahre alten Entwurf des Wappens für den Kreis Pinneberg ausfindig gemacht, den genau wie das Wappen des Reichsgrafen Rantzau Mitte des 17. Jahrhunderts drei Wolfsköpfe zierten.

Diese Darstellung von Friedrich Wilhelm Biel, die aus einer Werbebroschüre über den Kreis Pinneberg von 1928 entstammt, wurde zwar nie offiziell – anders als die grüne Tanne auf dem Nesselblatt, die der Grafiker A. Paul Weber nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete. Aber sie beweist dieses enge, ambivalente Verhältnis, das die Menschen in Nordelbien mit dem Wolf verband: Einerseits das heimische Raubtier als Zeichen der Stärke auf Fahnen und Wappen zu malen und es andererseits als Viehräuber zu verbannen und jagen. „Der Mensch hat den Wolf als stark und durchsetzungsfähig anerkannt, aber zugleich die Notwendigkeit gesehen, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen“, beschreibt Ex-Forstamtsdirektor und Wolfsexperte Hewicker dieses Missverhältnis.