Elmshorn. Zweieinhalb Jahre nach dem Zugunfall stellt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen einen 57-Jährigen gegen eine Geldbuße ein.
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass ein Regionalzug im Bahnhof Elmshorn entgleist ist. Während die Ursachenforschung der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung noch andauert, hat die Staatsanwaltschaft Itzehoe die strafrechtlichen Ermittlungen abgeschlossen. Das Verfahren gegen einen heute 57 Jahre alten Fahrdienstleiter ist gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden.
Rückblick: Der 15. November 2017 ist ein sonniger, kalter Spätherbsttag. Der Bahnhof Elmshorn ist an diesem Mittwoch eine Baustelle. Seit mehreren Monaten werden Schienen und Weichen erneuert, Gleise sind gesperrt, Züge werden teilweise durch Busse ersetzt. Um kurz nach 7 Uhr verlässt der Zug der Marschbahn mit der Nummer 11044, der von Hamburg-Altona nach Westerland unterwegs ist, mit langsamer Geschwindigkeit den Bahnhof. Dabei wird er auf ein Gleis geleitet, das eigentlich für Bauarbeiten gesperrt ist.
„Aufgrund von Bauarbeiten war diese Verbindung als nicht befahrbar und gesperrt benannt, da ein Teil der Verbindung ausgebaut war“, heißt es in einer ersten Sachverhaltsschilderung der Bundesstelle. Bei dem ausgebauten Teil handelt es sich um eine Weiche. Als Folge springt nach 50 Metern der tonnenschwere Steuerwagen aus den Schienen, das Drehgestell an der vorderen Achse reißt ab.
Auch der angekuppelte Reisezugwagen entgleist. Dabei ziehen sich die 44 Jahre alte Zugbegleiterin und eine 28 Jahres alte Reisende leichte bis mittelschwere Verletzungen zu. Die beiden übrigen Waggons sind nicht betroffen. In dem Zug befinden sich 100 Fahrgäste. Sie können die Waggons später mit Unterstützung der Feuerwehr verlassen.
Um die entgleisten Zugteile zu bergen, müssen zwei Schienenkräne angefordert werden. Erst nach der Bergung, die mehr als 24 Stunden nach dem Unglück stattfindet, sind die Schäden am Oberbau der Strecke sichtbar. Die Reparatur dauert einen weiteren Tag. Erst 48 Stunden nach dem Zugunfall kann der Betrieb auf der meistbefahrenen Bahnstrecke des Landes wiederaufgenommen werden.
Zugunglück: Bundespolizei rekonstruiert detailliert die Abläufe
Die Bundespolizei als zuständige Stelle für die Bahnanlagen ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie Gefährdung des Bahnverkehrs. Minutiös werden die Abläufe an diesem 15. November rekonstruiert. Die Fahrtverlaufsaufzeichnungen des Zuges werden gesperrt und im Nachgang ausgewertet. Auch bahnbetriebliche Unterlagen werden sichergestellt. Schnell wird klar, dass ein Fehler im für diesen Streckenabschnitt zuständigen Stellwerk passiert sein muss. In den Fokus rückt der diensthabende Fahrdienstleiter, der für die falsche Weichenstellung verantwortlich sein soll.
Die Ermittlungen bestätigen dies jedoch nur zum Teil. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe kommt nach Bewertung der Ermittlungsergebnisse zu dem Schluss, dass der heute 57 Jahre alte Bahnmitarbeiter nicht der Alleinschuldige ist. „Er hat sich auf Bahnmitarbeiter verlassen, die zeitlich vor ihm eingesetzt waren“, sagt Peter Müller-Rakow, der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Dass die Weichenstellung bezogen auf den betroffenen Zug nicht korrekt war, bemerkte der Fahrdienstleiter nicht. Er hätte die Weichenstellung jedoch überprüfen müssen. „Wir haben dem Beschuldigten zur Last gelegt, seinen Kontrollpflichten nicht nachgekommen zu sein“, so Müller-Rakow weiter. Das Verletzen seiner Kontrollpflicht sei letztlich kausal für den Unfalleintritt verantwortlich.
Letztlich sei die Staatsanwaltschaft jedoch zu dem Schluss gekommen, dass den Fahrdienstleiter nur eine geringe Schuld trifft. Daher sei es nicht zu einer Anklage und einem Gerichtsverfahren gekommen. Vielmehr sei eine Einstellung gegen eine Geldauflage erfolgt. Müller-Rakow: „Der Beschuldigte hat einen vierstelligen Betrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung geleistet.“ Er gelte damit aus juristischer Sicht als nicht vorbestraft.
Unfall kann auch berufliche Konsequenzen haben
Welche beruflichen Konsequenzen das Fehlverhalten des Mannes hat, wird später aus dem Abschlussbericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung hervorgehen. Auch die Höhe des Schadens wird dann feststehen. Erste Schätzungen gingen von einem Schaden im sechsstelligen Bereich aus. „Der Bericht ist noch nicht fertig“, sagt Gerd Münnich, Pressesprecher der Bundesstelle. Derzeit laufe noch die Sachverhaltsanalyse, aus der sich dann die Schlussfolgerungen der Gutachter ergeben würden. Wann mit der Fertigstellung zu rechnen ist, könne er nicht sagen, so Münnich weiter. Klar sei aber eines: „Wenn wir das bis November nicht schaffen, sind wir verpflichtet, einen Zwischenbericht zu verfassen.“