Pinneberg. 22 Soldaten der Unteroffiziersschule der Luftwaffe unterstützen besonders überlastete Pfleger in Altenheimen.

Vor wenigen Wochen erst ist Florian Kirsch in der Pinneberger Ratsversammlung als zweiter stellvertretender Bürgermeister vereidigt worden, in seinem Beruf bildet der Soldat eigentlich Unteroffiziere und Feldwebel der Luftwaffe aus. Doch seit vier Tagen hat der Pinneberger CDU-Fraktionsvorsitzende die gewohnte soldatische Camouflage-Kleidung gegen einen dunkelblauen Schutzkittel, Handschuhe und Mund-Nasen-Schutz eingetauscht: Zusammen mit 22 weiteren Soldatinnen und Soldaten aus der Unteroffiziersschule der Luftwaffe in Appen unterstützt er besonders überlastete Pflegerinnen und Pfleger in Hamburger Altenheimen.

Die Heime hatten über die Hamburger Gesundheitsbehörde bei der Bundeswehr um Amtshilfe gebeten, erklärt Oberstleutnant Jürgen Bredtmann, Leiter der Informationsarbeit und Sprecher der Bundeswehr beim Landeskommando in Hamburg. Inzwischen ist die Aktion „Helfende Hände“ angelaufen. Insgesamt 48 Soldaten aus Appen und Heide greifen den Hamburger Pflegern unter die Arme, und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird sie heute offiziell in der Hansestadt willkommen heißen.

Vier regionale Einsatz-Führungsstäbe hat die Bundeswehr nach dem Ausbruch des Coronavirus’ bundesweit gegründet. Einen im Norden, einen im Osten, einen im Westen und einen im Süden. „Bundesweit könnten wir bis zu 15.000 Soldaten einsetzen“, sagt Bredtmann. Reicht die Unterstützung aus Schleswig-Holstein in Hamburg nicht mehr aus, werden möglicherweise Soldaten aus Mecklenburg-Vorpommern hinzukommen. Aus Schleswig-Holstein wurden über die 48 Kräfte hinaus noch weitere zehn mit sanitätsdienstlicher Fachausbildung angefordert.

Die Soldaten tun, was früher Zivildienstleistende machten

Florian Kirsch fährt jetzt mit dem eigenen Auto zur Arbeit. 25 Kilometer hin, 25 Kilometer zurück. Wohin, das soll nicht öffentlich bekannt werden, ebensowenig, in welchen der in den Notstand geratenen Hamburger Altenheimen das Coronavirus ausgebrochen ist. Kirsch jedenfalls ist gerüstet, der dunkelblaue Kittel, Handschuhe und Mundschutz waren schon im Einsatz. Nach eigenen Worten machen er und seine Kollegen jetzt die Arbeiten, die früher die Zivildienstleistenden erledigt haben.

„Vorher wurden wir alle auf das Coronavirus getestet und waren alle negativ, was ja positiv ist“, sagt Oberstabsfeldwebel und Pressesprecher Michael Schmidt von der Appener Unteroffiziersschule lachend. Im Laufe der vergangenen Woche seien dann die Soldaten vom Hamburger Pflegepersonal eingewiesen worden, und viele Fragen, zum Beispiel nach deren Verpflegung, der Hin- und Rückfahrt zum neuen Arbeitsort, mussten noch geklärt werden, bevor es losgehen konnte. „Alle Kräfte waren motiviert“, sagt Schmidt. „Aber sie mussten zunächst von Fachleuten lernen, wie sie ihre Hände richtig waschen und desinfizieren, wie Schutzkleidung richtig an- und abgelegt wird“, erklärt er. Es habe zwei, drei Tage gedauert, diese Einweisungen zu organisieren.

Und da auch in der Appener Kaserne, bedingt durch die Coronaschutzmaßnahmen, nicht mehr alle Lehrgänge laufen und ein Teil des Personals im Homeoffice arbeitet, sei es momentan auch kein Problem, eigene Kräfte in den Heimen einzusetzen, sagt Schmidt. Welcher Soldat wo und in welcher Schicht arbeiten muss, das koordinieren ein sogenannter Zugführer und dessen Stellvertreter. „Die halten den Kontakt und schreiben die Schichtpläne“, so Schmidt.

Als Soldat, dessen Berufsfeld ja eigentlich mit der Verteidigung zu tun hat, könnte bei derlei anders gearteten Extrabeschäftigungen ein gewisser Widerstand wachsen. „Das ist aber kein Widerspruch“, meint Florian Kirsch. „Die Bundeswehr hat schließlich im Rahmen der Amtshilfe auch in anderen Bereichen geholfen, zum Beispiel bei Flutkatastrophen oder bei der Deichsicherung, wo auch Menschenleben gefährdet waren.“

Als Soldat erfülle man eben auch mit solchen Aufgaben seine Pflicht, sagt Michael Schmidt: „Wir haben einen Eid geschworen, den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen. Und schließlich werden wir selbst mal alt.“

Der Antrag auf Amtshilfe läuft zunächst mal bis Ende Juli

Ab sofort müssen Kirsch und seine Kollegen also für alte Menschen in Hamburg das Essen anrichten, die Betten neu beziehen, Handtücher wechseln, Geschirr abräumen oder den Müll wegbringen – alles Arbeiten, deren Erledigung das dortige Pflegepersonal wegen der verschärften Auflagen nach Ausbruch des Coronavirus’ nicht mehr schafft.

„Das ist eine positive Erfahrung“, sagt Kirsch. „Als Soldat ist man immer noch Mensch. Das ist für uns natürlich eine Umstellung. Aber ich finde es selbstverständlich, dass wir da unterstützen.“ Er selbst habe Angehörige in einem Pflegeheim. „Da wünscht man sich ja auch, dass sich vernünftig um sie gekümmert wird.“

Laut Michael Schmidt läuft der Antrag der Hamburger Seniorenheime voraussichtlich bis 31. Juli, „auf jeden Fall aber für die nächsten paar Wochen“.