Quickborn. Stefan Liebing kümmert sich im Homeoffice um Menschen aus Kamerun, die sich in Deutschland aufhalten. Er fordert schnelle Hilfsprogramme.
Die Stadt Quickborn hat wegen der Coronakrise zurzeit ein Konsulat. Weil er wegen der Kontaktbeschränkungen wegen der Pandemie sein Büro in der Hamburger Innenstadt nicht nutzen möchte, arbeitet Kameruns Honorarkonsul Stefan Liebing in seinem Homeoffice in Quickborn-Heide. Von dort aus versucht er, der auch Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft ist, dafür zu sorgen, dass die viel ärmeren Länder des schwarzen Kontinents bei dieser Krise nicht vergessen werden. „Es geht dort um die Verhinderung einer humanitären Katastrophe“, warnt der Honorarkonsul.
Die viel schlechtere Gesundheitsversorgung in Afrika als hierzulande – Liebing spricht von 5000 Intensivbetten für 1,2 Milliarden Afrikaner – lasse das Schlimmste befürchten. 50 Prozent der Arbeitsplätze in Afrika drohten vernichtet zu werden. „Auch Afrika braucht einen Rettungsschirm“, sagt Liebing. „Da können wir in Deutschland so viele Hilfsprogramme auflegen, wie wir wollen – wenn wir Afrika nicht helfen, wird eine große Flüchtlingswelle auf uns zukommen.“
Aktuell arbeitet er mit Hochdruck daran, dafür zu sorgen, dass Staatsangehörige aus Kamerun wieder zurück nach Hause reisen können. Einen Rückholservice, wie ihn die Bundesregierung für Tausende von deutschen Urlaubern und Arbeitnehmern organisiert hat, gibt es dort nicht. So seien in den vergangenen zwei, drei Wochen etwa 500 Deutsche aus Kamerun nach Hause geflogen worden. Die gut 25.000 Menschen aus Kamerun, die hier in Deutschland lebten, arbeiteten und studierten, könnten dies nicht. „Das Land Kamerun hat weder das Geld noch die Möglichkeit, sie alle zurückzuholen.“
Liebing kümmert sich als Honorarkonsul für die fünf norddeutschen Länder dabei um etwa 5000 Menschen aus dem zentralafrikanischen Land mit seinen 25 Millionen Einwohnern, das während des Kaiserreichs einst deutsche Kolonie war.
Da sei die Gaststudentin, die hier auf eigene Kosten Deutsch studiere und jetzt von heute auf morgen ihren Studentenjob als Kellnerin in einer Hamburger Kneipe verloren habe. Da gebe es den promovierten Gastwissenschaftler aus Kamerun, dessen Stipendium Ende März abgelaufen sei, der aber nicht wieder zurück zu Frau und Familie könne und nicht einmal wisse, ob er diese in vier, acht oder zwölf Wochen wiedersehen könne. Und da seien auch Flüchtlinge, die vor der islamischen Terrormiliz Boko Haram aus dem Nachbarland Nigeria hierher geflüchtet seien und deren Aufenthaltsstatus jetzt in der Coronakrise abgelaufen sei. Nun müssten sie um ihren legalen Aufenthalt in Deutschland fürchten.
Als ehrenamtlicher Honorarkonsul seien seine Hilfsmöglichkeiten begrenzt, erklärt Liebing. „Ich habe keinen Hilfsfonds und kann nicht jedem aus der eigenen Tasche helfen.“ Was er tun könne, sei um Verständnis und Unterstützung bei den deutschen Behörden und Hilfsorganisationen zu bitten. Das habe auch schon bei etwa drei Dutzend Einzelschicksalen gut geklappt. So könnten Visa-Verlängerungen jetzt als Sondergenehmigung auch per E-Mail beantragt und bescheinigt werden. „Das müssen die Betroffenen aber auch erst einmal wissen.“ Zudem stehe er in ständigem Austausch mit einem zweiten Honorarkonsul in Nordrhein-Westfalen und der Botschaft von Kamerun in Berlin, die aber auch zurzeit nur im Homeoffice besetzt sei.
„Viele Hilfesuchende aus Kamerun kommen direkt auf uns zu“, sagt Liebing. Gut 350 junge Menschen aus dem afrikanischen Land, die hier dringend Hilfe bräuchten, hätten sich bislang gemeldet. Aber nach Hause könnten sie deshalb noch immer nicht. Denn auch Kamerun habe seine Grenzen dichtgemacht und sogar schon Anfang des Jahres bei Einreisenden auf den Flughäfen vorsorglich das Fieber gemessen. Afrika habe die Lektion aus der Ebola-Pandemie vor einigen Jahren gelernt. Doch jetzt sei das Coronavirus auch in Kamerun und vielen anderen Ländern Afrikas angekommen und werde mit voller Wucht die Menschen und die Wirtschaft dort treffen.
Kamerun hat nach heutigem Stand laut John-Hopkins-Universität 1017 Infizierte und 42 Todesfälle zu beklagen. Bei nur 5000 Intensivbetten auf dem ganzen Kontinent, was einem Bruchteil der medizinischen Intensivversorgung hierzulande entspreche, sieht Liebing eine menschliche Tragödie auf Afrika zukommen. „Wenn es nicht gelingt, das Virus dort von Anfang an einzudämmen, wird es Millionen Todesopfer in Afrika verursachen“, sagt er. Der Honorarkonsul appelliert an die reicheren Länder der G20-Gruppe, den Menschen in Afrika zu helfen, jetzt akut bei der Gesundheitsversorgung und anschließend mit Wirtschaftshilfe.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft könnte dabei nützlich sein, ist Liebing überzeugt. Das werde nicht einfach sein. „Denn wenn Deutschland wieder aufmacht, wird Afrika noch zu sein.“ So sollte die Bundesregierung insbesondere auch die deutsche Wirtschaft und den Mittelstand finanziell dabei unterstützen, Arbeitsplätze in Afrika zu schaffen, die jetzt wegen Corona in großer Zahl vernichtet würden. 2018 und 2019 habe die deutsche Wirtschaftshilfe in Afrika Rekorde verbucht, die jetzt nicht mehr zu halten seien. „Da wird in wenigen Tagen alles vernichtet, was in jahrelanger Arbeit aufgebaut worden ist.“