Rellingen. Kanadier Glenn Dixon hat das Buch geschrieben, in dem es um eine Art Liebeskummer-Briefkasten in der Stadt Romeos und Julias geht.
Ein bisschen Trost in Zeiten von Corona – und das in Verona. Vielleicht gelingt’s mit dem anrührend ehrlichen Roman „Wie ich dank Shakespeare in Verona die große Liebe fand“. Geschrieben hat ihn der Kanadier Glenn Dixon, der lange als Highschool-Lehrer gearbeitet und darin wohl seine eigene Geschichte niedergeschrieben hat, immer wieder angereichert mit Zitaten aus Shakespeares berühmter Tragödie „Romeo und Julia“. Heute lebt Dixon als Autor, Musiker und Filmemacher in Toronto. Ein aktueller Romantipp von Nadine Käbel, der Frau des Rellinger Buchhändlers Jan Börms.
Wer mit wenigen Italienischkenntnissen bei Doktor Google auf die Suche geht, findet den Juliaclub tatsächlich. Die Website heißt: www.julietclub.com, der Club wurde vor Jahrzehnten von einem Mann namens Giulio gegründet. Noch heute kommen 10.000 Briefe im Jahr dort an und werden von Frauen vieler Herkunftsländer aus Verona beantwortet, die sich Julias Sekretärinnen nennen. Sie sehen ihre Bestimmung darin, Menschen aus der ganzen Welt, die von Liebeskummer gepeinigt werden, zu antworten, sie zu trösten, aufzurichten oder ihnen den Spiegel vorzuhalten. Mit der Kraft des Wortes. Der Trost von Fremden sozusagen, aber das ist ein anderer Romantitel.
Empfehlungen abseits des Mainstream bevorzug
„Bei Romanen suchen wir gern etwas aus, das abseits des Mainstream ist“, sagt Nadine Käbel. Ob Dixons Buch dazu gehört oder nicht, ist eigentlich unwichtig. Der Mann mit der unzerstörbaren romantischen Ader will davon auch dann nicht lassen, als seine große Liebe Claire ihn mit einem anderen betrügt. Aber schließlich trennt er sich und reist, unglücklich wie er ist, zurück nach Verona.
Denn Verona ist in seinen Augen die Stadt der Liebe, die Stadt, in der Romeo und Julia sich trafen, deren tragisches Schicksal dank Shakespeare Jahr für Jahr Gegenstand seines Unterrichts gewesen ist. In Verona trifft er auf den Club der Julias, und als seit langer Zeit erster Mann wird Dixon dort aufgenommen. Er beantwortet dann auch Briefe, um sein Liebes-Karma zu verbessern. „Die große Herausforderung liegt für ihn darin, sich in diesen Briefen dem eigenen Thema zu widmen. Im Laufe der Zeit merkt er nämlich, dass das viel mit ihm macht“, fasst Nadine Käbel zusammen.
Räumliche Nähe – wichtig für eine Beziehung
Der Leser erfährt darin, dass die räumliche Nähe zweier Menschen eher zu einer Beziehung führt, als Aussehen, Größe, Gewicht oder der Hormonspiegel es tun. Irgendwie beruhigend. Oder auch nicht, denn die angebetete Claire war Dixons Nachbarin. Bei einem der vielen Wortwechsel sagt Dixon zu seinen Kolleginnen vom Juliaclub: „Manchmal ist die Liebe etwas, woran man arbeiten muss. Und manchmal dauert das sehr lange.“ „Sie schreiben ja nicht nur an Julia. Sie schreiben an sich selbst“, stellen die Clubmitglieder fest.
Aber auch Kinderbücher sind bei Jan Börms und seiner Frau Nadine Käbel zurzeit besonders gefragt. Und auch wenn der Laden namens Lesestoff an der Hauptstraße zur Zeit wegen der Coronapandemie geschlossen hat, liefert er kostenlos an die Haustür, öffnet Abholern einen Spalt breit, berät Lesewillige gern am Telefon, und schon die Website mit ihren vielen Tipps und Informationen ähnelt einer Leseecke.
Kinder erfahren, wie man ein Buch liest
Für Kinder ab fünf Jahren empfiehlt Nadine Käbel von Daniel Fehr „Wie man ein Buch liest“. Darin geht es weniger um das Lesen als um die Handhabung eines größeren Bilderbuches und Geschichtenschatzes. Wie oft passiert es zum Beispiel, dass Knirpse, die gerade erst das Lesen lernen, ein Buch falsch herum halten, weil die Wirkung von Bildern ihren eigenen Gesetzen folgt? Genau. Deshalb lädt der Schweizer Autor und Entwickler von Gesellschaftsspielen, Daniel Fehr, seine jungen Leser, die er direkt anspricht, auch beständig dazu ein, das Buch zu drehen.
Aber was wären diese Ideen ohne die witzigen, kenntnisreichen Zeichnungen des italienischen Illustrators Maurizio Quarello? Sie würden jedenfalls nicht funktionieren, denn für Kinder, die noch nicht lesen können oder es gerade erst lernen, müssen gute, erzählende Bilder her. Die liefert Quarello, und von Seite zu Seite wandelt sich die Geschichte, die anfangs der von Hänsel und Gretel verdächtig ähnlich sieht.
Wofür das falsch herum gezeichnete Holzhaus steht
Ein falsch herum gezeichnetes Holzhaus etwa entpuppt sich jedem Märchenkenner als das Heim der bösen russischen Hexe Baba Jaga, denn es steht auf riesigen Hühnerfüßen. Doch schon lauert die nächste Gefahr: Käpt’n Ahab wird des Wals aus Melvilles Roman „Moby Dick“ ansichtig, und zugleich droht das Meer, dessen Woge der des japanischen Zeichners Hokusai gleicht, Baba Jagas Haus unter Wasser zu setzen.
Lustig schwindelig wird den Kindern, wenn sie der Geschichte weiter folgen. Nicht nur die Perspektiven wechselt Maurizio Quarello, auch die Märchenfiguren platzen jeweils in die Welt der anderen herein. „Die Kinder wollen das immer wieder zur Hand nehmen“, sagt Nadine Käbel, die als Sozialpädagogin an einer Quickborner Schule arbeitet, aus Erfahrung.
Auswahlkriterium für das, was sie ansonsten im Laden auslegt, ist „das, was uns selber gefallen würde“ – und als Mutter ihres 13-jährigen Sohnes Bo Jonathan hat Nadine Käbel dafür sowieso schon ein gewisses Grundgefühl entwickelt. Was ihr und ihrem Mann Jan Börms außerdem wichtig ist: „Dass die Bücher toll und künstlerisch illustriert sind.“