Kreis Pinneberg. Pinneberger Friseurinnen würden gern schließen, würden dann aber Anspruch auf staatliche Hilfe verlieren.

Im Kampf gegen das Coronavirus haben Bund und Länder beschlossen: Viele Geschäfte müssen schließen. Viele, aber längst nicht alle. Supermärkte, Apotheken, Banken und Tankstellen bleiben geöffnet. Ebenso Friseursalons, Reinigungen und Drogerien. Um nur einige Beispiele zu nennen. Während viele Unternehmen schon seit Tagen auf mobiles Arbeiten im Homeoffice umgestellt haben und immer mehr Menschen auf eine Ausgangssperre pochen, haben die Beschäftigten der Firmen, die von der Schließungsregelung ausgenommen sind, tagtäglich direkten Kundenkontakt. Wie arbeitet es sich in solchen Berufen, in denen die Angst vor Ansteckung ständiger Begleiter ist? Was denken die Beschäftigten, was wünschen sie sich? Wir haben uns umgehört und stellen einige derer, die immer noch die Stellung halten (müssen), in loser Folge vor.

Vier Kunden sitzen im Friseursalon XL Cut in der Pinneberger Innenstadt. Es ist Freitagvormittag. Es ist der Tag vor dem Wochenende, an dem sich vielleicht entscheiden wird, ob angesichts der unaufhaltsamen Verbreitung des Coronavirus’ neben Bayern auch in der übrigen Republik Ausgangssperren verhängt werden. „Es ist ruhiger geworden“, sagt Busegül Matarak. Die 23-Jährige ist Auszubildende bei XL Cut. „Teilweise haben wir gar nichts mehr zu tun.“

Vier Kunden am Vormittag - das sei absolut kein Vergleich zu früher. Zu „früher“, das genau genommen erst wenige Tage her ist. Vor allem die Laufkundschaft habe sich drastisch reduziert. Dennoch kommen vereinzelt immer noch Kunden in das Geschäft. Die meisten seien Stammkunden. Seit rund zwei Wochen mache sich der Rückgang bemerkbar, sagt Matarak. Seit das öffentliche Leben zum Schutz vor Neuinfektionen immer weiter eingeschränkt wird. Wo früher an einem Tag 70 bis 100 Kunden den Salon besucht hätten, ließen sich jetzt nur noch zehn bis 15 Personen pro Tag die Haare schneiden. „Viele kommen nicht, weil sie Angst haben. Manche denken sich aber auch: Ach, es passiert schon nichts.“

Zwischen den Kunden ist jeweils ein Stuhl frei. Abstand ist geboten. Und auch die Vorsichtsmaßnahmen hätten sich drastisch verschärft. Scheren, Kämme, Bürsten, alles werde nach jeder Benutzung desinfiziert. Auch die Sitze und Ablagen würden permanent gereinigt. Ebenso die Umhänge der Kunden und die Schürzen der Friseurinnen. „Wir achten noch viel mehr auf Hygiene, als wir es vorher eh schon getan haben“, sagt Matarak. Die Haare der Kunden würden nun auch grundsätzlich vor dem Schneiden gewaschen. „Es gibt keine Trockenschnitte mehr.“

Für die Verhinderung einer Ansteckung und die damit einhergehende Gefahr einer unkontrollierten Weiterverbreitung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 reicht jedoch auch das strenge Vorgehen der Friseure nicht. „Die gebotenen Abstände können wir nicht einhalten. Wir haben direkten Kundenkontakt, fassen die Kunden an. Auch wenn jemand keine Symptome hat und zu uns kommt, verbreitet erst er und verbreiten dann wir das Virus weiter“, sagt Matarak. Zudem wird auch im Friseursalon das Desinfektionsmittel knapp. „Wir haben noch ein bis zwei Flaschen, und das auch nur, weil eine Kollegin noch welches zu Hause hatte.“

Zur Entscheidung der Regierung, Friseurläden vorerst nicht zu schließen, herrsche im Salon eine klare Meinung: „Wir verstehen es nicht. Man soll nicht rausgehen, aber die Friseure haben weiter geöffnet.“ Matarak und ihre Kolleginnen seien davon ausgegangen, dass Friseursalons zu den Geschäften gehören würden, die schließen müssen, sagt sie. „Das hätten wir begrüßt.“

Das Verhalten der Kunden, die noch kommen würden, verstehe sie einerseits zwar schon, sagt Mataraks Kollegin Sylvi Schröder. „Manche denken sich, jetzt gehen wir noch mal schnell, bevor die Ausgangssperren kommen.“ Dass noch Kunden kommen, sei schließlich auch gut fürs Geschäft. Doch es ist ein zweischneidiges Schwert. „Bei den älteren Kunden verstehe ich es ehrlich gesagt nicht“, so Schröder. „Sie sind schließlich besonders gefährdet.“ Und: Ein Friseurbesuch sei schließlich nicht lebensnotwendig.

Für Busegül Matarak hat die derzeit herrschende Unsicherheit besonders starke Auswirkungen. „In zwei Monaten hätte ich eigentlich meine Gesellenprüfung gehabt.“ Nun sei jedoch unklar, ob die Prüfungen stattfinden. So lerne sie zwar, aber ob sie ihr Können überhaupt an Modellen wird zeigen können, wisse sie noch nicht. „Es ist alles nicht so einfach.“

Ob sie Angst bei der Arbeit habe? „Ja, schon. Vor allem haben wir Angst um die älteren Kunden“, betont die 23-Jährige.“ Neben der Kundschaft habe sich auch das Personal im Laden bereits drastisch reduziert. „Wir stehen hier jetzt zu zweit oder zu dritt. Sonst waren wir zu acht.“ Jede Friseurin komme dennoch im Schnitt mit drei bis vier Kunden pro Tag in engen Kontakt.

Den Laden einfach zumachen könnten sie jedoch nicht. „Wir haben bereits auf Kurzarbeit umgestellt, aber wir schließen nicht.“ Woran das liegt? Am Geld, und das erscheint sehr nachvollziehbar. Solange keine behördliche Anweisung vorliegt, gebe es auch keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung vom Staat. Es ist ein Dilemma, das sich vielleicht schon an diesem Wochenende auflösen wird. Bei XL Cut in Pinneberg sind sich alle einig: „Wir warten darauf, dass die Regierung die Friseursalons dichtmacht.“