Elmshorn. Sondererlaubnis aus Kiel erweitert vorübergehend die Rechte der Pharmazeuten. Sie dürfen nun mehr herstellen als zuvor.

„Haben Sie noch Händedesinfektionsmittel?“ Allein am vergangenen Sonnabend haben die Mitarbeiter der Privilegierten Apotheke Elmshorn diese Frage an die 200-mal gehört. „Das war Weltuntergangsstimmung“, sagt Caroline Croll, pharmazeutisch-technische Assistentin. Und auch drei Tage später ist es immer wieder die Frage nach den begehrten kleinen, meist blauen Fläschchen, die Kunden in die Apotheke an der Königstraße treibt. Doch die Antwort bleibt dieselbe: „Leider nein. Und wir wissen auch nicht, wann wir wieder welches bekommen.“

Auf die Engpässe im Desinfektionsmittelbereich angesichts der Angst vor dem Coronavirus hat das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium am Montag reagiert. Zusammen mit dem für die Überwachung der Herstellung von Arzneimitteln zuständigen Landesamt hat das Ministerium für die Apothekerschaft in Schleswig-Holstein die Genehmigung zur Eigenherstellung von Rezepturen zur Haut- und Händedesinfektion erteilt.

Das heißt: Künftig darf jede Apotheke im Land Desinfektionsmittel selbst herstellen. Das sei aus der Not heraus geboren, da keines mehr lieferbar ist, sagt Apotheker Dr. Georg Stark, der zusammen mit seiner Frau Birgit und seinem Sohn Marten die Privilegierte Apotheke an der Königstraße sowie eine weitere in Elmshorn leitet. „Praktisch jeder bevorratet sich, auch dort, wo es nicht notwendig ist.“ Das gelte vor allem für Privatpersonen.

Kliniken, Arztpraxen und Pflegeheime haben Alarm geschlagen

Kliniken, Arztpraxen und Pflegeheime seien hingegen auf Desinfektionsmittel angewiesen. Und die hätten auch Alarm geschlagen. „Das war auch die Motivation für uns, es jetzt zu machen“, sagt Georg Stark. Zunächst hieß das jedoch: Zutaten bestellen. Derzeit ebenfalls kein leichtes Unterfangen. „Es hat mich einen halben Tag gekostet, die Dinge zu besorgen.“ Dienstagmittag trudelten die notwendigen Ingredienzen schließlich ein.

Vier Zutaten braucht es, um das derzeit begehrteste aller Mittel herzustellen: Isopropylalkohol, gereinigtes Wasser, Glycerin und Wasserstoffperoxid. Sohn Marten Stark streift sich einen weißen Kittel über, holt medizinische Handschuhe sowie einen Mundschutz und eine OP-Haube aus einer Schublade und macht sich ans Mischen.

Dabei kommt es auf das richtige Verhältnis an. Die Vorgaben basieren auf einer Rezeptur der WHO. „Sie ist so aufgesetzt, dass Apotheken vor Ort es mit relativ einfachen Mitteln herstellen können“, sagt Marten Stark. Der Alkohol dient dabei zum Abtöten der Viren, das Wasser verdünnt die Mischung, Glycerin ist für die Befeuchtung zuständig, damit die Hände weniger stark austrocknen. Wasserstoffperoxid wird schließlich zur Inaktivierung kontaminierender Bakteriensporen in der Lösung verwendet.

Genehmigung gilt zunächst für maximal 180 Tage

Zwei Liter Desinfektionsmittel stellt Marten Stark an diesem Nachmittag her. Die Mischung verteilt er im Anschluss mit einer Pipette auf mehrere kleine Gefäße. Denn obwohl meist nicht notwendig, will Familie Stark neben Arztpraxen und Kliniken auch ihrer Laufkundschaft in den nächsten Tagen wieder Händedesinfektionsmittel verkaufen können. Dafür sei die Genehmigung des Ministeriums notwendig gewesen.

Warum es vorher nicht möglich war? „Das ist eine Stilblüte der EU“, sagt Frank Jaschkowski Geschäftsführender Apotheker der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Die Genehmigung gelte nun zunächst für bis zu 180 Tage. Im Norden sei man damit bereits weiter als in anderen Bundesländern, wo das Thema eher einer Hängepartie gleiche.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
  • Regelmäßig die Hände waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Coronavirus: Ein bis zwei Meter Abstand zu Erkrankten halten

Genehmigungen für die Herstellung von Arzneimitteln dienen dabei dem Schutz vor Geschäftemacherei. Nur wenn für ein bestimmtes Mittel ein Notstand in der Versorgung besteht, wie es aktuell der Fall ist, würden solche Genehmigungen erteilt. „So eine Situation hatten wir, was das Thema Desinfektion, angeht noch nie“, sagt Jaschkowski.

Auch in der Privilegierten Apotheke Elmshorn ist das Mischen von Desinfektionsmittel ein Novum. „Es war ja sonst immer lieferbar“, sagt Georg Stark. Normalerweise habe die Apotheke fünf bis zehn 500-Milliliter-Flaschen sowie zehn bis 20 kleine Fläschchen Sterilium für unterwegs pro Filiale vorrätig. Mehr als zehn Flaschen gingen sonst innerhalb einer Woche auch nicht über den Tresen.

Mit der nun erfolgten ersten Lieferung an Materialien seien 450 kleine Gefäße gekommen. Die gilt es nun zu befüllen. Dass diese Abnehmer finden, ist gewiss. Die Frage, ob die Apothekerfamilie auch welche für den privaten Gebrauch mischt, verneint Georg Stark und betont, was für jeden gelten sollte: „Wir waschen uns zu Hause die Hände.“