Elmshorn. Beim heutigen SchulSlam der Stadt messen zwölf junge Hobbypoeten ihre lyrischen Kräfte. Das Abendblatt war bei der Probe dabei.
Da steht sie nun, die Zukunft des Poetry-Slams: Zwölf Elmshorner Jugendliche aus Elmshorn entern heute beim Finale des SchulSlams die Bühne der Stadtteilbibliothek Hainholz. Sie wollen Selbstgedichtetes vor ausverkauftem Haus vortragen. Und wenn selbst Behördenvertreter wie Peter Köhncke vom Amt für Kultur und Weiterbildung den SchulSlam als „tolle Erfolgsgeschichte der Stadt“ betiteln, muss wohl was dran sein. Es ist bereits die vierte Veranstaltung dieser Art. Jede war ausverkauft. Grund genug, mal bei der Generalprobe vorbeizuschauen.
Feinschliff vom Profi-Poetry-Slamer
Teilnehmer von vier Elmshorner Schulen treten gegeneinander an. Gegeneinander- und miteinander, denn zwischen ihnen gibt es keine Rivalität, da sind sich die Schüler einig. Es geht ihnen um den Spaß am Schreiben, und darum, ihren Gedanken ein Ventil zu geben. Sie sind keine Konkurrenten, dass ist auch bei der Probe spürbar. Elf der zwölf Finalisten verpassen hier mit Unterstützung der Poetry-Slam-Koryphäe Björn Högsdal ihren Texten den letzten Schliff. Es soll ein Raum für offene, konstruktive Kritik sein, bei dem die Teilnehmer noch viel lernen können.
Trotzdem sagt Högsdal: „Schreiben kann man nicht planen“, das wichtigste sei eine persönliche Perspektive. Er selbst zieht bereits seit mehr als 15 Jahren mit seinen Texten über die Bühnen Deutschlands, und übernimmt heute die Moderation. Vorher aber unterstützte er die Jugendlichen bei der Vorbereitung ihres großen Auftritts.
Schüler von vier Schulen sind dabei
Neben inhaltlichen und stilistischen Tipps erklärt er etwa, wie wichtig es sei, vor dem Auftritt das Mikrofon zu testen und auf die richtige Höhe einzustellen. Denn für viele der Newcomer ist es das erste Mal auf einer Bühne, abgesehen von ihrem Auftritt in der Vorrunde, bei der sie von ihrer Schule ins Finale gewählt worden sind. Dabei wurden drei Teilnehmer der Erich Kästner Gemeinschaftsschule, der Elsa-Brändström-Schule, der Boje-C.-Steffen-Gemeinschaftsschule und der Bismarckschule, eine Runde weiter gewählt. Nun dürfen sie in der Hainholzer Stadtteilbibliothek um die Wette reimen. Eine unabhängige Jury wird den Gewinner küren.
Angst vor dem großen Finale brauchen die Teilnehmer nicht haben, sagt Björn Högsdal. Sie sollen sich auch keine Sorgen machen, wie gut oder schlecht ihre Texte beim Publikum ankommen werden. Denn: „In der Kunst gibt es kein Richtig oder Falsch.“ Diese künstlerische Freiheit ermöglicht erst die vielfältigen Poetry-Slam Texte. Manche reimen sich, andere nicht, manche sind lustig wie ein Kabarett-Auftritt, manche verhandeln ernste Themen. Aber alle haben eins gemeinsam: Sie sind gut, sehr gut sogar. Poetry-Slam Ikone Högsdal lobt die Schülerinnen und Schüler jedenfalls: „Ich habe ja ein hohes Niveau erwartet, weil ihr die Vorrunde gewonnen habt, aber diese Erwartungen wurden sogar noch übererfüllt.“
Aufgeregt? Aber sowas von!
Aufgeregt sind einige von ihnen trotzdem. Aber das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, sei ihnen Anreiz genug, über den eigenen Schatten zu springen. So erklärt es auch Vorjahressiegerin Dilara Yurt: „Bevor ich auf die Bühne gehe, frage ich mich jedes Mal wieder ‘Warum tue ich mir das an?’ Aber für den Spaß, den ich dann habe, lohnt es sich immer!“
Was bewegt junge Menschen, denen nachgesagt wird, Gedichtsanalysen im Deutschunterricht langweilig zu finden, sich in ihrer Freizeit mit Reimschemata und Spoken-Word-Poetry auseinanderzusetzen? Zum einen die Begeisterungsfähigkeit für Sprache, die bei allen Finalisten spürbar ist. Zum anderen sicher auch die Themen – mal politisch, mal gesellschaftskritisch.
Persönlich sind die Texte dabei immer, egal, ob sie sich um den Klimawandel, Soziale Medien oder um die eigene Katze drehen. So persönliche Gedanken auf einer Bühne vor hunderten von Leuten zu präsentieren – für viele mag das schrecklich klingen. Doch nicht für die zwölf Schüler, die ihrem heutigen Auftritt schon entgegenfieberten.
Strafe war, beim Slam teilzunehmen
Zum Poetry-Slam gekommen sind die Teilnehmer alle auf unterschiedlichen Wegen. Während manche erst durch diese Schulveranstaltung ihr schlummerndes Talent entdeckten, erzählt Finalistin Svea Henningsen eine andere Geschichte: „Meine Klassenlehrerin hat mich beim Schreiben im Unterricht erwischt. Als ‘Strafe’ hat sie mich dazu verdonnert, meine Texte beim SchulSlam vorzutragen. Heute bin ich ihr sehr dankbar dafür“.
Dass Poetry-Slam wenig mit Goethe und Schiller zu tun hat, beweist Finalist Benjamin Haaks: „Ich habe immer viel mit Hiphop gemacht, und dabei viele Texte geschrieben. Meine Lehrerin fand die wohl gut, und hat mir vorgeschlagen, doch mal bei so einem Poetry-Slam mitzumachen. Und wer hätte das gedacht? Es macht mir total Spaß.“
Das ist spürbar, wenn er durch clevere Wortspiele gesellschaftskritische Themen aufgreift, etwa das Influencer-Dasein, dass er mit geschickten Reimen mit dem Influenza-Virus vergleicht.
„Uns U20-Künstlern durch den SchulSlam eine Bühne zu geben ist wichtig – die junge Generation hat unglaublich viel zu sagen“, sagt Dilara Yurt. Besonders in den vergangenen fünf Jahren sei so viel passiert, seit der Rechtsruck durch AfD und Pegida spürbar geworden ist. Dass die jungen Künstler deshalb viel ernstere Themen ansprechen als ihre älteren Kollegen, sei nicht verwunderlich, sagt Högsdal.
Mal witzig, mal ernst, auch Selbstreflexion ist ein Thema
Ihnen eine Bühne zu geben oder dabei zu helfen, dass der eine oder andere eine vielleicht bis dato unentdeckte Leidenschaft findet, sind die Grundgedanken des SchulSlams. Und es funktioniert, denn mit den zwölf Finalisten wurden Talente gefunden, die eine eigene Stimme haben, so wie auch Bent Henke.
Der 18-jährige Schüler schreibt in einem seiner Texte darüber, wie es war, als Kind der oberen Mittelschicht mit vielen Privilegien aufzuwachsen – und wie man als Jugendlicher realisiert, wie vielen Menschen es schlechter gehen kann. „Meine anderen Texte sind nicht so persönlich, aber ich dachte, ich probiere mal etwas Neues aus. Dafür ist das Format des Poetry-Slams ja auch gut.“
Wer heute Abend gewinnen wird, weiß niemand. Was sie bereits wissen: Wie viel Spaß sie beim Verfassen ihrer Texte hatten – und wie gut es tut, ihren Gedanken auf diesem künstlerischen Weg Ausdruck zu verleihen. Wer zu den Glücklichen zählt, der für das Finale am Freitag noch Karten ergattern konnte, kann sich von diesem geballten Talent selbst überzeugen – wer nicht, muss es im nächsten Jahr wieder versuchen.