Halstenbek. Zwei Halstenbeker Schulen und viel Appetit auf Völkerverständigung: Wie „Die Linie“ es trotz Sprachbarriere schafft, Kulturen zu verbinden.
Draußen mag es grau, kalt und regnerisch sein, doch die Kunsträume der Gemeinschaftsschule An der Bek sind hell erleuchtet und von Lachen erfüllt. An den Wänden hängen bunte Bilder mit Aufschriften wie „say no to racism“. In der Mitte sitzen Mittelstufenschüler um Handwerkstische, viele stecken tuschelnd die Köpfe zusammen. Hört man genauer hin, merkt man, dass sich zwischen die gesprochenen Worte immer wieder englische und sogar japanische Sätze mischen.
Denn die Schüler kommen von zwei unterschiedlichen Schulen, sogar aus zwei unterschiedlichen Ländern: Die einen von der Halstebeker Gemeinschaftsschule, die anderen von der Japanischen Schule in Hamburg. Geografisch trennen die beiden Schulen nur wenige hundert Meter, doch eigentlich liegen ganze Welten dazwischen. Trotzdem finden sich die Jungs und Mädchen hier in den Kunsträumen zusammen – für das Kulturprojekt „Die Linie“.
Das Projekt wird von der Bürgerstiftung Bruno Helms aus Halstenbek und von Initiativen wie „Kulturwerk SH“ unterstützt. Geleitet wird es von Lehrern beider Schulen. Mit dabei ist auch die Künstlerin Marion Inge Otto-Quoos, auch bekannt als „mioq“, die als Kulturvermittlerin des Landes an mehreren Schulprojekten beteiligt ist. Vorreiter für „die Linie“ war eine erste gemeinsame Kunstausstellung im Jahr 2012. „Damals fertigten die japanischen Schüler Kalligraphien an – wunderschön, doch für die deutschen Schüler schwer zu verstehen. So war kein richtiger Austausch möglich“, erinnert sich mioq.
Nun gibt es seit 2018 das neue Projekt, mit dem ein weiterer Versuch der Annäherung eingeleitet wurde. „Wir wollen gemeinsam etwas Kulturübergreifendes entwickeln“, erklären Projektleiterin mioq und Lehrerin Jutta Sass ihr Ziel. Thematisch sollen die Schüler sich mit der Distanz zwischen den beiden Schulen auseinandersetzen, sowohl der räumlichen als auch der kulturellen. Gesprochen wird dabei meist Englisch, obwohl eine Dolmetscherin vor Ort ist, die einspringen kann, falls die Sprachbarriere mal zu hoch ist.
Etwas Kulturübergreifendes. Aber was genau? „Diesmal kam die Idee direkt von unseren Schülern, was uns sehr gefreut hat“, sagt mioq. Sie wollen etwas kreieren, dass ihre beiden Herkunftsländer verbindet, auf der künstlerischen Ebene, aber auch auf die verschiedenen Esskulturen bezogen. „Unsere Schüler möchten gern miteinander kochen – eine schöne Idee, da gemeinsames Essen sehr verbindet“, findet Alexander Grote, Leiter der Gemeinschaftsschule. Konkret ist geplant, dass gemeinsam „Bento-Boxen“, japanische Lunchboxen, gestaltet und mit eigens konzipierten deutsch-japanischen Gerichten gefüllt werden. Beim Kochen werden die Jugendlichen von dem renommierten Koch Helge Hagemann unterstützt, der das gemeinsame Kochen für eine sehr gute Möglichkeit halte, Kultur zu kommunizieren.
Klaus Müller, Leiter des Projekts „Schule trifft Kultur – Kultur trifft Schule“ der Landesregierung, stimmt dem zu: „Kunst und Kochen, beides schafft es, jenseits von Wort und Sprache, Welten zu verbinden.“ Auch Außenstehende können sich an dieser deutsch-japanischen Fusionsküche erfreuen: Am 25. Juni veranstalten die Schulen einen Aktionstag, bei dem die Schüler ihre Bento-Boxen mitsamt selbstgekochtem Essen präsentieren werden. Dazu ist jeder Neugierige herzlich eingeladen. Wo genau der Tag stattfinden wird, ist noch nicht entschieden. Klar ist aber, dass es ein symbolischer Ort sein wird. In der Mitte der „Linie“ zwischen den beiden Schulen.
Auch Englischlehrer Shintaro Inoue freut sich über die Zusammenarbeit der beiden Schulen. „Wir sind eine eigene kleine Gemeinde inmitten von Halstenbek, da unsere Schule nur für japanische Schüler ist. Es gibt keinerlei Berührungspunkte mit den deutschen Schülern, aber wir wünschen uns mehr Kontakt“, sagt er. „Die japanische Kultur unterscheidet sich so stark von der deutschen, dass sieht man auch am Essen. Deshalb ist dieses Projekt so interessant für uns. Wir freuen uns sehr darauf, unsere Kulturen zu vermischen.“
Ein Kunst- und Kulturprojekt von zwei Halstenbeker Schulen tauge demnach als Paradebeispiel für gesellschaftliche Integration. Denn jeder, der den Kunstraum betritt, merkt, dass die Schüler sich sehr gut verstehen – auch ohne Dolmetscher.