Wedel. Elbfischer Lothar Buckow findet kaum noch Fische in seinen Netzen. Eine Folge von Elbvertiefung und Verschlickung?

Regenschlieren lassen den Himmel über dem Schulauer Hafen noch grauer und trüber wirken. Ein kleiner Fischkutter schwankt am Anleger in den Wogen der Elbe. Es ist der Kutter von Elbfischer Lothar Buckow aus Jork. Einer der letzten seiner Art – sowohl der Kutter als auch der Fischer.

Und Buckow hat eine Mission: Seit Jahren macht er auf die schwindenden Stintbestände in der Elbe aufmerksam. „Man hat die Elbe so vergewaltigt, dass alles kaputtgeht. Ich möchte, dass es dem Fluss wieder besser geht“, sagt der 62-Jährige.

Elbfischer und Bündnis gegen Elbvertiefung

Elbfischer Buckow und seine Kollegen sind nicht die Einzigen, die Alarm schlagen. Auf dem Anleger haben sich an diesem Vormittag Vertreter des Bündnisses „Lebendige Tideelbe“, das gegen die Elbvertiefung geklagt hat, versammelt.

Das Bündnis besteht aus den Umweltverbänden Naturschutzbund (Nabu), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie dem World Wildlife Fund For Nature (WWF). Mit einer Fahrt auf Lothar Buckows Fischkutter „Elise“ wollen sie auf die dramatische Situation der Stintbestände in der Elbe aufmerksam machen.

Fotografen und Kameraleute auf dem Fischkutter

Buckow sitzt in seiner kleinen überdachten Steuerkabine und schaut aufs Wasser. Sein Gesicht ist wettergegerbt. Trotz des eisigen Winds trägt er auch an Deck weder Handschuhe noch einen Schal. Das mediale Interesse an der Fahrt mit dem Kutter ist groß. Fotografen und Kameraleute stehen dicht gedrängt an Bord des kleinen Bootes.

Buckow bringt das nicht aus der Ruhe. Warum gerade jetzt auf die schwindenden Stint-Bestände aufmerksam gemacht wird? „Jetzt ist Stint-Saison, und man sollte Fische fangen. Aber ich fange nichts und meine Kollegen auch nicht.“

Nicht nur die aktuelle Elbvertiefung sei schuld

Als eine der wesentlichen Ursachen für den Rückgang des Stints sehen die Fischer und das Bündnis die zunehmende Trübung des Elbwassers. Schuld sei vor allem die Elbvertiefung – nicht nur die aktuelle. „Wir führen die heutige Trübung auf die Vertiefung von vor 20 Jahren zurück“, sagt Beatrice Claus vom WWF. Besonders in den vergangenen fünf Jahren sei ein dramatischer Rückgang der kleinen Fische zu beobachten gewesen.

„Wir fordern, dass die Baggerarbeiten eingestellt werden, um die Trübung des Wassers zu verhindern“, sagt BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Vor allem dem Stint-Nachwuchs mache das trübe Wasser zu schaffen. Die kleinen Kiemen der Larven verkleben schneller als die der ausgewachsenen Fische. Durch die Verklebung ersticken sie. „Wenn die Fische vor den Toren Hamburgs ablaichen sollten, haben die kleinen Fische keine Chance“, gibt Elbfischer Buckow zu bedenken. Und ohne Nachwuchs kein Bestand.

Keine Baggerarbeiten während der Laichzeit

Anfang Januar ziehen die kleinen lachsverwandten Fische die Elbe hoch, um ab Ende Februar über sandigen Flachwasserzonen auf der Höhe von Hamburg abzulaichen. „Zumindest bis Ende März, bis die Laichzeit vorbei ist, sollte mit den Baggerarbeiten aufgehört werden“, sagt Claus vom WWF.

Die Wassertrübung ist auch für andere Fische, die sich in der Elbe fortpflanzen, problematisch. „Das bleibt nur unbemerkt, weil die Fischarten nicht befischt werden und daher die Abnahme der Populationen über einen langen Zeitraum unbemerkt bleibt“, gibt Claus zu bedenken.

Da die Fischpopulation der Elbe laut BUND, WWF und Nabu zu 90 Prozent aus Stinten besteht, ist „der Rückgang der Stinte ein Zeichen für die dramatische Verschlechterung der Lebensbedingungen für die meisten Fischarten der Elbe“. Und da der Stint auch für andere Tiere als Nahrungsgrundlage dient, könne der Rückgang weitreichendere Auswirkungen haben. „Auch Vogelbestände können zusammenbrechen“, sagt Braasch. „Die Entwicklung betrifft ganze ökologische Ketten.“

Sauerstoffdefizit ist weiteres Problem

Neben der Wassertrübung seien jedoch auch das Sauerstoffdefizit in den Sommermonaten und die Verschlickung der Elbe problematisch. So führe laut Claus die Verschlickung dazu, „dass der Stint seine sandigen Laichgebiete verliert, da dort Sand von Schlick überlagert wird“.

Wie schlecht es um den Stint bereits bestellt ist, lässt sich am besten an den Fängen der Elbfischer erkennen. Wo in besten Zeiten 500 Kilogramm am Tag gefischt wurden, landen mittlerweile nur noch 30 bis 40 Kilogramm in Lothar Buckows Netzen. „Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, wo es sich nicht mehr lohnt.“

Deshalb wollen Buckow und das Bündnis weiterkämpfen. „Wir appellieren an den neuen Senat, sich ernsthaft darum zu bemühen, die Situation in der Elbe zu verbessern“, sagt Malte Siegert vom Nabu. Denn in einem Punkt sind sich alle einig: „Wenn es dem Stint nicht gut geht, geht es der Elbe nicht gut.“