Moorrege. Was im Rheinland eine Staatskrise wäre, sehen die Moorreger gelassen. Auch andere Karnevalsvereine finden kein Prinzenpaar.

Fünf mal elf Jahre Karneval – für die Moorreger war die 55. Session ein Jubiläum und wurde im vergangenen Jahr groß gefeiert. Denn die Elf – etwa zu finden im Elferrat – gehört genauso wie die Sieben zu ihren magischen Zahlen. In der aktuellen, der 56. Session, hat die Karnevalisten nun der wohl größte anzunehmende Unfall eines Narrenvereins ereilt. Niemand schwingt während des Sessionshöhepunktes das Zepter, es wird keine Tollitäten geben. Die Moorreger Jecken müssen dann ohne Prinzenpaar auskommen. Sie werden ohne das Symbol der närrischen Herrschaft ihr Stimmungslied „Moorrege ahoi“ schmettern müssen.

Doch was in den Karnevalshochburgen an Rhein und Neckar zu einem jecken Erdbeben geführt hätte, versuchen die Moorreger gelassen zu sehen. „Das ist doch nicht schlimm. Karneval kann man auch ohne Prinzenpaar feiern“, versucht der Präsident Kai Uwe Egger den Schaden in der fünften Jahreszeit zu begrenzen. Trotz größter Bemühungen ist es nicht gelungen, ein neues Duo zu finden. Der Sessionshöhepunkt, die „Drei tollen Tage“ mit Närrischer Februarsitzung, Kinderfasching „KiKaKoFe“ und Seniorenprunksitzung werden vom 15. bis 17. Februar begangen.

Andere Vereine finden auch kein Prinzenpaar mehr

Während der Sessionseröffnung im Rahmen der Närrischen Novembersitzung wird traditionell das neue Paar ausgerufen. Es ist jedoch nicht wie üblich das Prinzenpaar der vergangenen Session, in diesem Fall Jan-Philip I. und Mary Ann I., offiziell verabschiedet worden. Damals soll es noch die Hoffnung gegeben haben, eine neue Regentschaft zu finden. Doch die guten Wünsche erfüllten sich nicht. So gab es für die Jecken von der Geest wenigstens für eine gewisse Zeit Oberhäupter. Die Herrlichkeit Jan-Philip I. und die Lieblichkeit Mary Ann I. wird offiziell erst während der großen Prunksitzung Mitte Februar verabschiedet. Danach gibt es kein Prinzenpaar mehr.

Nichts ungewöhnliches ist es für Egger, dass eine Karnevalsgesellschaft ohne diese Institution auskommen muss. Diese Erfahrung wurde schon anderenorts gemacht. Einige Karnevalisten haben gar kein Prinzenpaar, andere haben aus dieser Erfahrung heraus das jecke Duo abgeschafft, berichtet der Moorreger Präsident. So gibt es in Köln nur das Dreigestirn, bei der Stadtgarde Neumünster die Traditionsfiguren Amtskretler und Caspar von Saldern sowie im Carneval-Club Rendsburg den Eidernarren. In Rendsburg muss Ihre Lieblichkeit Prinzessin Martina in diesem Jahr ohne Prinzen auskommen. „Wir waren wohl einmal dran“, mutmaßt der Präsident.

Die Moorreger sind nicht die einzigen mit akuten Prinzenpaarproblemen. „Wir haben mehrere Gesellschaften, die entweder ohne Prinzenpaar oder nur mit Prinz oder Prinzessin in die Session gehen“, berichtet Jens Dormann, Präsident des Norddeutschen Karnevals-Verbandes (NKV). Es werde immer schwieriger, in den Wintermonaten jemand zu finden, der die Zeit investieren will. Außerdem sei das Ehrenamt auch nicht ganz kostenfrei.

Dormann erzählt von Vereinen, die gezielt Geschäftsleute, etwa Autohändler, ansprechen. Allerdings könnte den potenziellen Prinzenpaaren kein geschäftlicher Erfolg versprochen werden. Es gibt Vereine, die von dieser Strategie wieder abgerückt sind, so der oberste Repräsentant der norddeutschen Jecken.

„Früher hat es sogar eine Warteliste gegeben“, erklärt Hans-Peter Lütje, Schatzmeister der Moorreger Karnevalisten. Doch diese Zeiten sind vorbei. In den vergangenen Jahren wurde schon einmal ein Paar bei den befreundeten Tornescher Schützen rekrutiert. Es gab ein Paar, dass sich zu einer zweiten Amtszeit bereit erklärte und es wurde eines durch eine öffentliche Ausschreibung gefunden. Diese Aktionen kamen jedoch nicht bei allen Vereinsmitgliedern gut an.

Der NKV-Präsident denkt schon weiter und setzt auf einen positiven Effekt für die Session 2020/21. „Ich habe die Hoffnung, dass es im nächsten Jahr wieder ein Prinzenpaar gibt“, so Dormann. Er sieht die Moorreger Karnevalisten grundsätzlich gut aufgestellt. Es gebe viele Aktive, eine intensive Jugendarbeit, mehrere Tanzgarden und -mariechen.

Die Karnevalisten zeigen bei Vorab-Auftritten, meist in Seniorenheimen, ein Teil des Programmes, das während des Sessionshöhepunktes in der Mehrzweckhalle zu sehen ist. Für diese Termine haben sich Prinzenpaare vergangener Sessionen bereit erklärt, in die Rolle zu schlüpfen. So dürften die Besucher dieser Veranstaltungen, die wichtig für die Vereinskasse sind, keinen Unterschied merken. Dass es in diesem Jahr kein Prinzenpaar gibt, hat sich über den Dorffunk bereits verbreitet. Lütje wurde gefragt, ob die Drei tollen Tage ausfallen.

„Diese Leute sind auf dem völlig falschen Dampfer“, sagt er. Sie würden wie gewohnt stattfinden, nur ohne Prinzenpaar. Der Schatzmeister hofft auf eine ähnliche Resonanz wie in der Jubiläumssession. „Die Halle war voll.“ Mit dem Programm für die Drei tollen Tage 2020 ist aus seiner Sicht die Voraussetzung für stimmungsvolle Fastnacht gegeben.