Elmshorn. Die Elmshorner Künstlerin Ruth Alice Kosnick hat die „Sturmflut-Dalben“ erneuert. Der Fluss durch ihre Stadt beschäftigt die Künstlerin sehr.
Es brauchte vier Mitarbeiter des Bauhofs, um die vier Meter hohen Eichenstämme aufzustellen. Jetzt stehen die neuen „Sturmflut-Dalben“ auf dem Pott-Carstens-Platz an der Krückau in Elmshorn. Ruth Alice Kosnick hat die unteren Enden schwarz gestrichen und zementiert. Die alten „Sturmflut-Dalben“, die die Elmshorner Künstlerin 2013 nach Fertigstellung der Klappbrücke am Hafenplatz hatte aufstellen lassen, waren morsch. Ein Pilzbefall hatte die Nadelholz-Bohlen zerstört. Die verzinkten Stahlteile im Inneren des Holzes waren teilweise durchgerostet. Im September wurden die „Sturmflut-Dalben“ deswegen abgebaut. Die neuen sind aus zwei besonders gerade gewachsenen Eichen aus dem Forst Rantzau bei Bokholt-Hanredder gefertigt. „Das Holz ist langlebiger und weniger anfällig“, sagt Kosnick. Das Metall ist diesmal Edelstahl.
Um jede Sturmflutmarke läuft eine Ringmarkierung einmal um den Dalben herum. „Sturmfluten 1962 – 5,11 Meter, 1825 – 5,07 Meter, 1916 – 4,23 Meter, 1965 – 4,05 Meter über Normalnull“ ist in einen Stamm eingefräst und schwarz gefärbt. Dieses Gebiet liegt etwas tiefer als die Innenstadt, deshalb sind die Sturmflutmarken hier besonders beeindruckend. 1962 war der Wasserstand an dieser Stelle bei 5,11 Meter über Normalnull. Der Pegel befindet sich genau gegenüber am anderen Krückauufer. Spaziergänger, die stehen bleiben, sind erstaunt, dass der Wasserstand von 1962 an dieser Stelle über der Kopfhöhe eines Erwachsenen lag. „Die Anzeige von 1976 habe ich dieses Mal weggelassen, weil die Marke in der Vergangenheit einige Menschen irritiert hat“, sagt Ruht Kosnick. Die Sturmflut von 1976 mit einem Wasserstand von 5,34 Meter hat Elmshorn verschont, da das Sperrwerk an der Krückaumündung 1969 fertiggestellt worden war.
Ursprünglich war das Projekt vom Land gefördert worden. Die Erneuerung des Kunstwerkes hat die Stadt Elmshorn mit 3000 Euro unterstützt. Weitere 300 Euro Materialkosten und die Arbeitsstunden – schätzungsweise 200 – hat die Künstlerin beigetragen. Sie hofft, dass die Dalben nun mindestens 30 Jahre überdauern.
Die Krückau war früher die Lebensader der Stadt
Als die gebürtige Hamburgerin Kosnick vor 26 Jahren nach Elmshorn zog, fiel ihr sofort der stiefmütterliche Umgang mit der Krückau auf. „Dort stand eine Parkbank mit dem Rücken zur Krückau“, sagt Ruth Alice Kosnick und zeigt gen Fluss. Als die Kunstkommission Kiel einen Wettbewerb für Kunst im öffentlichen Raum ausschrieb, entwickelte sie 1998 die Idee für einen Gezeiten-Park für Elmshorn. „Ich wollte die Tidenabhängigkeit der Krückau, die durch die Innenstadt fließt und früher die Lebensader der Stadt darstellte, wieder mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit holen“, sagt Kosnick.
Die Krückau, durch die Elmshorn zum drittgrößten Getreideumschlagplatz des Deutschen Reiches wurde, habe heute noch einen Tidenhub von zwei Metern im Innenstadtbereich. Die Käpten-Jürs-Klappbrücke geht auch auf Kosnicks Konto: Sie warb bei der Stadt für eine solche statt einer festen, weil sie auf die Rückkehr von Segelschiffen in den Elmshorner Hafen und auf eine Belebung der Krückau hoffte.
Wer mit offenen Augen durch die Innenstadt läuft, kann weitere Werke der Elmshorner Kulturpreisträgerin von 2018 im öffentlichen Raum entdecken. Seit vielen Jahren beschäftigt sich die studierte Architektin mit den Themen Krückau und Gezeiten. Mehrere Teilprojekte sind aus dem Gezeiten-Projekt erwachsen: die „Rückblick-Tafeln“ (2001) in der Innenstadt, die „Gezeiten-Fische“ (2004) an der Wedenkampbrücke und am Industriemuseum, „Sturmflutmarken“ (2014) an der Königstraße. Viele weitere große und kleine Projekte für Elmshorn schlummern seit Jahren in Kosnicks Schublade. Sie tragen Namen wie „Schottenführungen“, „Pegelgeländer“, „Mondphasenkreis“, „Lauf der Krückau“, „Seehundsbank“ oder „Tidenhubrelief“. Für die Umsetzung braucht es Sponsoren.
Ein weiteres Vorhaben wurde in diesem Jahr verwirklicht: Das Projekt „Fisch-Steine“ gefiel Architektin und Illustratorin Imke Stotz besonders gut. Die Rathausmitarbeiterin hat mit ihren selbst entworfenen Elmshorn-Kaffeebechern den Verkauf der Fisch-Steine stark unterstützt. Für sechs Becher gab es einen Stein. „Insgesamt wurden 53 Steine durch den Verkauf der Elmshorn-Becher von Imke Stotz erworben und weitere 15 durch den Kauf direkt bei mir“, sagt Ruth Alice Kosnick. Die von Hand gefertigten Pflastersteine aus Beton mit Fischmotiven heimischer Arten und einem Froschmotiv wurden im Sommer in den Bodenbelag entlang der Krückau gelegt.
Und gerade hat sie 35 fast vergessene Wörter an eine Hauswand am Bauerweg gemalt. Ohnehin nutzt Kosnick gern Worte für ihre Kunst. Sie hat auch zwei Kunstverfahren entwickelt – „Wortnetze“ und „Verwobenes“. Für Ersteres formt sie Worte mit einer Heißklebepistole, die durch Rost und Patina vergänglich wirken. Im zweiten Verfahren zerschneidet sie ihre Bilder und verwebt sie neu.
„Verwoben“ heißt auch ihre Ausstellung im Torhaus Elmshorn, die der Kunstkreis Elmshorn bald eröffnet.
Ausstellung „verwoben“: So 12.1.– So 2.2., Torhaus, Probstendamm, Öffnungszeiten Di–Fr 10–12 Uhr und 16–18 Uhr, Sa u. So 11–13 Uhr, freier Eintritt