Kreis Pinneberg. Drei von vier Firmen im Kreis Pinneberg haben Probleme, Personal zu finden. Das behindere sie in ihrer Entwicklung.
Die Wirtschaft brummt, die Auftragsbücher sind prall gefüllt, die Betriebe laufen mit voller Auslastung. Und dennoch gibt es laut der aktuellen Herbstbefragung des Unternehmensverbandes Unterlebe-Westküste erste Anzeichen dafür, dass der Wirtschaftsmotor im Kreis Pinneberg allmählich ins Stocken gerät.
Dafür ist anscheinend in erster Linie der zunehmende Fachkräftemangel verantwortlich, der im bevölkerungsreichsten Kreis des Landes dramatische Ausmaße anzunehmen droht: Drei von vier befragten Unternehmern im Kreis Pinneberg klagen, dass der Mangel an Fachkräften sie „in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung massiv behindert“.
Kein anderer Kreis habe so sehr mit diesem Problem zu kämpfen, fasst Verbandsgeschäftsführer Ken Blöcker das Ergebnis dieser Befragung zusammen, an der sich 133 der etwa 400 Mitgliedsbetriebe von Sylt bis Wedel beteiligt haben.
Je weiter südlich die Unternehmen liegen, desto prekärer ist die Situation: Während in Nordfriesland jedes zweite Unternehmen Schwierigkeiten hat, Fachkräfte zu finden, sind es im Kreis Steinburg zwei von drei und im Kreis Pinneberg 76 Prozent. Jede zweite offene Stelle im Kreis Pinneberg könne nicht mehr besetzt werden, zitiert Blöcker aus der aktuellen Erhebung.
Mit hoher Ausbildungsquote entegegensteuern
Das Rellinger Traditionsunternehmen Hass + Hatje, das in elf Baumärkten und fünf Baustoffzentren rund 900 Mitarbeiter beschäftigt, setzt auf eine hohe Ausbildungsquote von zehn Prozent, um dem Mangel an Nachwuchskräften zu begegnen, erklärt Geschäftsführer Ralf Lüthje, der dem Verbandsvorstand angehört. „So versuchen wir gegenzusteuern.“ Gleichwohl gebe es auch bei Hass + Hatje „zurzeit 13 offene Stellen“, wie der zweite Verbandsgeschäftsführer Sebastian Koch nach Internetrecherche dem Rellinger Firmenchef vorhielt, als die drei Männer gemeinsam die Umfrageergebnisse vorstellten.
Doch Ralf Lüthje ist überzeugt, dass sein Unternehmen weiter stabil und gut im Geschäft bleibt. „Wir als regionaler Fachhändler sehen uns sehr positiv für die nächsten Jahre“, sagt er. Beim Straßen- und Wohnungsbau sowie im Bereich Sanierungen gebe es überall „einen großen Nachholbedarf“, sagt Lüthje. „Da ist uns um die Zukunft nicht bange.“
Erstmals hat der Unternehmensverband auch seine Mitgliedsbetriebe danach befragt, was ihren Bewerbern heute bei der sogenannten Work-Life-Balance wichtig sei. Für Verbandsgeschäftsführer Ken Blöcker überraschend spielt die Höhe des Einkommens bei den jungen Leuten eine untergeordnet Rolle. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie flexible Arbeitszeiten sind für die Bewerber wichtiger als die Vergütung“, sagt er. Und ein freundschaftliches Arbeitsklima sei ebenso wichtig wie das Entgelt.
"Wir brauchen neue Arbeitszeitmodelle"
Darum fordere der Verband auch mehr Flexibilität bei den oft noch starren Arbeitszeiten. „Wir brauchen im 21. Jahrhundert neue Arbeitszeitmodelle. Wir müssen die Arbeitszeiten anders verteilen“, sagt Sebastian Koch. Es dürfe nicht mehr an gesetzlichen Vorgaben scheitern, dass Arbeitnehmer nach Pausen für ihre Familie oder Kinderbetreuung auch mal abends nach offiziellem Feierabend noch Dinge für ihre Firma erledigten. „Das stärkt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“
Die Unternehmen hätten sich längst darauf eingestellt, zählt er einige Beispiele wie Belegplätze in Kitas, Eltern-Kind-Arbeitszimmer oder Kinderferienprogramme auf, mit denen auch Unternehmen im Kreis Pinneberg ihre Familienfreundlichkeit unter Beweis stellten.
Das entbinde den Staat allerdings nicht davon, „für eine flächendeckende Kinderbetreuung zu sorgen“, warnt Ken Blöcker. „Dies ist nicht Aufgabe der Arbeitgeber.“ Ziel müsse es sein, „allen Müttern und Vätern, die dies wollen, eine Vollzeit- oder vollzeitnahe Beschäftigung zu ermöglichen und längere Erwerbsunterbrechungen zu reduzieren.“
Nur wenige Arbeitnehmer schätzen Homeoffice
Das Angebot, zu Hause zu arbeiten, sei in der Mehrzahl der befragten Betriebe vorhanden, zitiert Blöcker aus der Studie. 58 Prozent der Unternehmen im Kreis Pinneberg böten dies an. Allerdings mache es nur jeder zehnte Mitarbeiter. Viele wollen die Grenzen zwischen Freizeit und Beruf aufrechterhalten und den Kontakt zu ihren Kollegen nicht missen.
Jeder vierte Mitarbeiter fürchte auch, dass er durch flexible Arbeitszeiten ständig erreichbar sein müsste. Blöcker sagt, die Befragung habe ergeben, „das diese Sorge unbegründet ist, weil dies gar nicht erwartet wird“.
Für Verbandschef Koch sollte das Homeoffice-Angebot auch nicht nur für die kaufmännischen, Büro- und IT-Tätigkeiten gelten. „Wir sollten hier die alten Denkpfade verlassen. Warum muss ein Maschinenführer, der eine CNC-Fräsmaschine zu beaufsichtigen hat, immer vor Ort sein?“ Über schnelle Datenleitungen könnte er dies ebenso gut von zu Hause am PC erledigen und im Notfall den Techniker vor Ort alarmieren.