Kreis Pinneberg. Ein Defizit von 1,5 Millionen Euro drückt auf den Haushalt. Die Gründe der Krise und wie die Kommunen darauf reagieren.

Die Liste ist lang. Elmshorn, Pinneberg, Wedel, Halstenbek. Was für andere Kommunen und Städte im Kreis längst unfreiwillige Realität ist, erwischt jetzt auch die Gemeinde Rellingen: Für das kommende Jahr wird es keinen ausgeglichenen Haushalt mehr geben. Und auch danach sieht es nicht mehr so rosig aus, wie in den neun Jahren zuvor. Segnen die Gemeindevertreter diese Woche den Haushaltsentwurf für 2020 ab, steht Rellingen ein Defizit von 1,5 Millionen Euro ins Haus. Darüber informierte Bürgermeister Marc Trampe am Dienstag.

Unternehmen haben Vorauszahlungen gedrosselt

Während in Rellingen die Auszahlungen 2020 noch weitgehend durch Rücklagen abgepuffert werden können, sieht es für die Jahre danach weniger gut aus, „die mittelfristige Finanzplanung macht uns Bauchschmerzen“, sagt Kämmerin Inga Fröhlich, „die guten Jahre sind vorbei.“ Bis 2023 würden die Jahresergebnisse negativ ausfallen, „also auf Kosten der nächsten Generationen gehen“, so Fröhlich.

Konkret heißt das: Im Jahr 2021 wird das Defizit bei voraussichtlich 4.113.400 Euro liegen, ein Jahr darauf schon bei 4.294.700 Euro. Die beiden großen Bauvorhaben, die Brüder-Grimm-Schule und derzeit die Caspar-Voght-Schule (CVS), konnten bisher gebaut werden, ohne dass dafür Kredite aufgenommen werden mussten, unter anderem wurden diese großen Bauprojekte aus Haushaltsreserven bezahlt.

„Da der Bau der CVS aber mehr als 20 Millionen Euro kostet, muss das zwangsläufig auf eine Kreditaufnahme hinauslaufen“, sagt Martin Claussen (CDU), Vorsitzender des Finanzausschusses. Nach Abschluss der Bauarbeiten an der CVS gehe es dann an die Rückzahlung der Kredite, und es sei im Etat zu berücksichtigen, dass die Fixkosten für den Unterhalt von Schulen und Kitas steigen.

Ursachen für Haushaltsdefizite sind komplexer

Die Ursachen für die Haushaltsdefizite sind jedoch komplexer. Da sind einerseits die Investitionen, die aber nur ein Teil der Gesamtausgaben ausmachen. Zu den großen Investitionen zählt der Bau der CVS, der allein im Jahr 2020 mit 12,336 Millionen Euro zu Buche schlägt, außerdem die Erneuerung der Lerchenstraße (1,3 Millionen), ein Baukostenzuschuss zur Kita Lohacker (410.000 Euro). Der Zuschuss zum Kunstrasenplatz des Vereins SC Egenbüttel beträgt 276.800 Euro, weil nur dann Gelder von Kreis und Land fließen. Außerdem zu bezahlen: ein neues Lösch- und ein neues Logistikfahrzeug für die Feuerwehr (350.000 Euro), ein W-Lan-Zugang für die CVS und Möbel nach dem dortigen Umbau, sowie die Planung der Drosselstraße. Macht unterm Strich: gut 15 Millionen Euro.

Was die Ausgaben angeht, so liegen die Zahlungen im Rahmen des Umlagesystems bei 65 Prozent. Das bedeutet: Das Geld geht an den Kreis und an das Land. Nur 13 Prozent des Gesamtetats werden für Personal ausgegeben, zwölf Prozent für Sach- und Dienstleistungen, zum Beispiel für die Straßenreinigung.

Auf der anderen Seite stehen die Einnahmen. Dort liegt der mit Abstand größte Posten bei den Gewerbesteuereinnahmen. Für 2019 werden insgesamt Einnahmen von knapp 34 Millionen Euro erwartet, wovon die Gemeinde zwei Drittel an Land und Kreis abgibt, im kommenden Jahr nur noch 35 Prozent. Trotzdem reichen die Einnahmen nicht, um die Ausgaben zu decken.

Immer mehr Kitas müssen gebaut und unterhalten werden

Einschläge bei den Gewerbesteuereinnahmen 2020 hätten sich schon im Oktober angekündigt, sagt Martin Claussen. Ein großer Gewerbesteuerzahler habe seine Vorauszahlungen reduziert, die Folgen des Brexit und die derzeitigen Handelskonflikte schlügen sich in gedämpften Einnahmeerwartungen nieder, erklärt Inga Fröhlich: „Die Unternehmen machen ihre Vorauszahlungen von den Konjunkturerwartungen abhängig.“

Darüber hinaus machen den Kommunen die Folgen des Finanzausgleichsgesetzes zu schaffen: Dies sei verfassungswidrig, Kommunen, Städte und Gemeinden müssten sich bis Ende 2020 einigen, wie das Geld verteilt werde.

Dann kommt der Bürgermeister auf den zweiten großen Posten zu sprechen, der in Rellingen immer mehr Geld kostet: Bedingt durch die Kita-Reform sollen dort die Qualitätsstandards kontinuierlich steigen, mehr Kitas müssen gebaut, erweitert und unterhalten werden, außerdem sollen die Eltern finanziell entlastet werden, was momentan zu einer Mehrbelastung von rund 500.000 Euro führt. „Wir kritisieren deutlich, dass das Reformziel, die Kommunen künftig zu entlasten, absolut verfehlt wurde und den Haushalt auseinander reißt“, sagt Marc Trampe. Bislang sei eine Drittelfinanzierung vorgesehen gewesen, „wir müssen aber allein rund 40 Prozent der Kosten schultern“.

Pinneberg macht seit vielen Jahren Schulden

Noch versuche Rellingen, ihre Bürger vor höheren Hebesätzen und anderen Abgaben zu schützen. Dies sei aber in Zukunft nicht ausgeschlossen, sagt Martin Claussen. Um größere Projekte noch stemmen zu können, müssten unbedingt neue Gewerbegebiete ausgewiesen werden, „soweit das verträglich ist“, sagt der Vorsitzende des Finanzausschusses, der eine intensive Bürgerbeteiligung in solchen Fragen begrüßt. Dabei sei ein Branchenmix anzustreben, „damit wir auch in Zukunft nicht so anfällig sind, wenn mal etwas wegbricht“, sagt Inga Fröhlich.

In anderen Städten und Gemeinden ist das Schuldenmachen längst zur alltäglichen Last geworden, weil auch dort die Aufgaben mehr geworden sind. Pinneberg etwa macht schon seit vielen Jahren Schulden. Der Gesamthaushalt umfasst 85 Millionen Euro, der Jahresfehlbetrag wird 2020 bei 2,1 Millionen Euro liegen. Mit Übergangs- und Nachtragshaushalten kämpfen sich die Fachleute durch das große Zahlenwerk. Größter Posten auch hier: Schulbau (knapp 14 Millionen Euro Kredit). Abhilfe schüfe die Neuansiedlung von Gewerbe. Die zieht sich unter anderem hin, weil die Westumgehung erst jetzt fertig wurde. Haushaltsexperte Bernd Früchtnicht sagt: „Ich gehe davon aus, dass es in der nächsten Legislaturperiode gelingt, die schwarze Null zu erreichen.“ Weiteres Beispiel: Halstenbek. Im ersten Entwurf des Haushalts für 2020 klafft im Ergebnishaushalt ein Loch von 6,67 Millionen Euro. Als erste Konsequenz wurden die Haushaltsberatungen verschoben, Politik und Verwaltung wollen gemeinsam nach Einsparpotenzial suchen. Um Steuererhöhungen werden die Halstenbeker nicht herumkommen.

In Elmshorn werden zwei bis drei Millionen Euro fehlen

Auch in Schenefeld stehen diese bevor. Der Finanzausschuss beschloss mit den Stimmen von SPD und Grünen, die Grundsteuer von 260 auf 380 Prozentpunkte und die Gewerbesteuer von 350 auf 380 Prozentpunkte zu erhöhen. Das würde etwa zwei Millionen Euro in die Kasse spülen, so dass aus einem Defizit ein Plus von knapp 1,6 Millionen Euro im Ergebnishaushalt werden könnte. Zuvor muss am 12. Dezember die Ratsversammlung zustimmen. CDU, OfS und BfB hatten im Fachausschuss dagegen gestimmt, die Union eine weniger gravierende Erhöhung vorgeschlagen.

In Elmshorn sind die fetten Jahre auch vorbei. Nach zwei wirtschaftlich sehr guten Jahren steuert die Krückaustadt für 2020 auf einen defizitären Haushalt zu. „Es werden voraussichtlich zwei bis drei Millionen Euro fehlen“, sagt Bürgermeister Volker Hatje. Die Einnahmen aus den Gewerbesteuern seien mit fast 29 Millionen Euro für die Stadt zwar zufriedenstellend. „Aber wir können davon die gestiegenen Aufgaben nicht mehr bewältigen.“ Allein die jährlichen Kosten für den Ausbau der Kitaplätze betragen 500.000 bis 700.000 Euro. Ausgaben für Straßensanierung hätten sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. „Mit dem Ausbau des Radwegenetzes, der Sanierung des Bahnhofs und dem Stadtumbau haben wir ungleich viele große Aufgaben vor der Brust“, so der Bürgermeister.

In Wedel hat Bürgermeister Niels Schmidt Rekordsteuererhöhungen vorgeschlagen. Die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke würde von 425 auf 650 Prozentpunkt steigen, um einen stabilen Haushalt zu gewährleisten. Ob die Politiker mitspielen, entscheiden sie in der Ratsversammlung fünf Tage vor Heiligabend.