Kreis Pinneberg. Wie die Bundestagsabgeordneten Ernst Dieter Rossmann (SPD) und Michael von Abercron (CDU) die Zukunft der Regierung sehen.

„Das Ergebnis hat mich sehr überrascht. Offensichtlich hat die große Zahl der Mitglieder in Nordrhein-Westfalen den Ausschlag gegeben “, sagt der eine. „Das Ergebnis hat mich sehr überrascht. Ich hätte gedacht, dass der mit viel Renommee versehene Finanzminister das Rennen macht“, sagt der andere. Der eine, das ist ist Ernst Dieter Rossmann, SPD-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Pinneberg, der andere Michael von Abercron, sein Pendant von der CDU. Die beiden Elmshorner sind in der Region das Gesicht der Großen Koalition. Und sie fragen sich jetzt: Was bedeutet das Ergebnis für diese Koalition?

Auf jeden Fall ist der Fortbestand des Regierungsbündnisses bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 weniger gewiss als noch vor Kurzem, seitdem sich die sozialdemokratische Parteibasis für den früheren nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken aus dem baden-württembergischen Calw – beide eher Partei-Linke – als Bundesvorsitzende ausgesprochen hat. Und damit gegen den Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die frühere brandenburgische Landtagsabgeordnete Klara Geywitz.

Rossmann und von Abercron, die ihr Verhältnis zueinander übereinstimmend als „kollegial und gut“ bezeichnen, machen unterdessen klar, dass für sie eine vorzeitige Beendigung der „Groko“ nicht zur Debatte steht. „Eine Koalition wird für vier Jahre geschlossen“, sagt Rossmann, „und die Halbzeitbilanz ist aus sozialdemokratischer Sicht gut.“ Und Michael von Abercron sagt: „Aus staatspolitischer Verantwortung würde ich mir wünschen, dass die Koalition fortbesteht.“ Er ist sich sicher, dass es auf dem SPD-Bundesparteitag keinen Beschluss geben wird, das Bündnis sofort zu beenden. „Aber es wird Forderungen geben.“

Rossmann betont unterdessen, dass Nachverhandlungen für ihn kein Thema seien. „Trotzdem müssen wir gemeinsam natürlich auf aktuelle Entwicklungen eingehen“, meint der 68-Jährige. Wenn zum Beispiel nun erste CDU-Politiker wie kürzlich Vertreter des Arbeitnehmerflügels CDA eine raschere Erhöhung des Mindestlohn ins Gespräch brächten, müsse darüber gesprochen werden. „Wie lange wollen wir denn noch auf die zwölf Euro Stundenlohn warten?“ Ein Thema, das für CDU-Mann von Abercron schon in die Kategorie „Forderungen“ fällt. Und er sagt auch: „Ich bin skeptisch, ob die Union an dieser Stelle kompromissbereit sein sollte.“ Kompromisse seien gefährlich, weil dadurch das Profil einer Partei verloren gehe. Und die CDU habe schon viele Kompromisse gemacht. Beispielhaft nennt von Abercron die Mindestausbildungsvergütung und die Grundrente.

An der Großen Koalition festhalten wollen die beiden Abgeordneten aus dem Kreis Pinneberg allein schon deshalb, weil es aus ihrer jeweiligen Sicht an Alternativen mangelt. Rossmann: „Die einzige Alternative wären Neuwahlen mit höchst ungewissem Ausgang.“ Mit Blick auf ein dann womöglich neues Bündnis mit CDU und Grünen als Partnern sagt der SPD-Parlamentarier: „Warum sollten wir dem politischen Kontrahenten 100 Prozent des Erfolgs überlassen, den wir gemeinsam erreicht haben?“

Auch Michael von Abercron fragt: „Was wäre denn die Alternative, wenn es jetzt zu Neuwahlen käme, die nicht unbedingt zu bürgerlichen Mehrheiten führten? Man bräuchte wohl drei Parteien als Koalitionspartner – die gleiche Ausgangslage wie 2017.“ Im Übrigen hält auch von Abercron das CDU/SPD-Bündnis „für besser als seinen Ruf“.

Aber wer sollten in den Reihen der Großen Koalition künftig die treibenden Kräfte sein? Ernst Dieter Rossmann setzt auf Bewährtes, sagt: „Ich erwarte, dass Olaf Scholz seine führende Rolle als Vizekanzler und Finanzminister weiter für die SPD in der Regierung wahrnimmt und auch in der zukünftigen Führungsspitze der SPD mit seiner Kompetenz und Erfahrung vertreten bleibt.“ Und von Abercron nennt mit Blick auf die Nach-Merkel-Ära mögliche Kanzlerkandidaten: „Merz, Söder, Laschet. Und automatisch Kramp-Karrenbauer.“ Letztere halte er aber nicht für charismatisch genug.

Ernst Dieter Rossmann lässt offen, ob er 2021 – dann für eine siebte Legislaturperiode – ein weiteres Mal für den Bundestag kandidieren möchte. Michael von Abercron sagt über eine mögliche zweite Kandidatur: „Nach meiner jetzigen Einstellung: Wenn die Partei das möchte und ich mich noch gesund genug fühle – ja.“