Kummerfeld. Hans-Albrecht Hewicker spricht in Kummerfeld über das Raubtier und die Art und Weise, mit ihm künftig umzugehen.

Ort und Thema passten historisch gut zusammen, leitet Gastgeber Burkhard E. Tiemann die Diskussionsrunde ein. Denn schon einmal, im 17. Jahrhundert nach dem 30-jährigen Krieg, habe es in Kummerfeld „eine Wolfsplage“ gegeben, und der Wolf sei sogar im Wappen der Gemeinde verewigt, so der Vorsitzende des örtlichen Bauausschusses. Geschichtlich gesehen wäre somit der Wolf gar kein so „neuer Nachbar in Kummerfeld“, wie der Titel des Abends lautet.

Eine Einschätzung, die Hans-Albrecht Hewicker, Wolfsbetreuer der Kreisjägerschaft, als Experte vor rund 70 Zuhörern in der alten Grundschule bestätigt. Damals seien die Menschen in Kummerfeld regelrecht vor dem Wolf geflüchtet und hätten sich woanders angesiedelt. Und 1662 habe der dänische König im Amtsbezirk Kaltenkirchen mit 1400 Mann eine Jagd auf drei Wölfe entfacht, die dann nach wenigen Tagen erlegt waren.

Das sei in heutiger Zeit nicht mehr möglich, meint Hewicker und zieht eine Parallele zur Gegenwart, wo seit einem halben Jahr landesweit Jagd auf den seit gut anderthalb Jahren Schafe reißenden Wolf mit der Bezeichnung GW 924m aus Dänemark gemacht wird – bislang ohne Erfolg.

Aber ganz so schlimm ist die Lage auch heute noch nicht für die Kummerfelder. Denn von den 17 in diesem und den 21 im vorigen Jahr nachgewiesenen Nutztierrissen durch zwei herumstreunende Wölfe im Kreis Pinneberg war keiner in Kummerfeld. 136 Nutztierrisse in 2019 ereigneten sich nach der offiziellen Statistik des Umweltministeriums dagegen in anderen Kreisen des Landes, vor allem in Steinburg, Segeberg und Dithmarschen. Es stelle sich aber die Frage, was schwerer wiege: „Die Interessen des Menschen, der sich vor dem Wolf fürchtet, oder der Artenschutz“, leitet Ex-Kreispräsident Tiemann den Power-Point-Vortrag Hewickers ein.

Und der kommt nach 80 Minuten zu dem Schluss: „Wir werden mit den Wölfen leben müssen.“ Die „eindrucksvolle Tierart“, die jahrhundertelang in Deutschland ausgerottet schien, tauche plötzlich wieder auf. So wurden 1820 und 1872 die letzten Wölfe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen gejagt und nur noch vereinzelte Tiere in den 60er- und 70er-Jahren bei Celle und Gifhorn getötet. Doch aus Polen, wo die Wölfe seit dem EU-Beitritt geschützt sind, und Ostdeutschland gelange das Raubtier in den Westen. Hier siedele er sich vor allem in Brandenburg, in der Lausitz und in Sachen an, wo inzwischen 160 bis 200 Wölfe in Rudeln lebten.

Dagegen sind in Schleswig-Holstein bisher erst fünf verschiedene Wölfe aufgetaucht; zwei reißen Schafe, einer ist tot, einer verschwunden, und eine Wölfin hat bislang noch kein Nutztier erlegt. Die Schäfer müssten ihre Herden mit Zäunen schützen, die inzwischen 1,20 Meter hoch sein sollten, erläutert Hewicker. Auch wenn im Kreis Pinneberg sieben Schafe allein in diesem und zwei im vergangenen Jahr auch hinter solchen Schutzzäunen von Wölfen erlegt wurden. „Aber noch höhere Zäune sind finanziell nicht leistbar“, sagt Hewicker. Die Landesregierung gebe jetzt schon mit 3,1 Millionen Euro fast so viel Geld wie Sachsen für 160 Wölfe aus.

Es müsse schneller entschädigt, besser informiert und früher nachgewiesen werden, dass es sich tatsächlich um einen tödlichen Wolfsbiss gehandelt habe, fordern einige Schafzüchter aus dem Publikum. Das bestätigt Tobias Belch, der in Heede und auch außerhalb des Kreises Pinneberg 1000 Schafe hält und nach eigenen Angaben in diesem Jahr 54 Tiere verloren habe, von denen aber nur 30 als Wolfsopfer anerkannt worden seien. Für die bekomme er immerhin 280 Euro je Schaf, auch wenn die Regulierung acht bis zehn Wochen dauere. „Ich wünschte mir mehr Infos, wo der Wolf gerade wieder ein Tier gerissen hat.“

Ministeriumssprecher Joschka Touré kann da nur auf die offizielle Seite des Landes, wo jeder einzelne Riss mit Tag, Ort und Nachweis festgehalten ist, und die Wolfsbetreuer verweisen, die sich um die Regulierung kümmerten. „Die pauschale Entschädigungszahlung liegt zurzeit über dem Marktpreis“, erklärt Touré. 150 Jagdpächtern werde nun bald erlaubt sein, zwischen A 23 und A 7 den „Problemwolf“ zu erschießen. Nur dieser eine Wolf (GW 924m) habe dort sein Jagdrevier, wie die DNA-Analysen eindeutig bewiesen. Er sei für 56 Übergriffe verantwortlich, bei denen 90 Tiere getötet wurden. Aber der Ministeriumssprecher weiß: Solange der Wolf nicht erlegt ist, „bleibt die Situation für die Schafhalter angespannt“.