Pinneberg. Benjamin Gadow und Madeleine Winkler eröffnen das Restaurant „Frau Miller“ – und retten damit Pinnebergs altes Kult-Kneipenhäuschen.
Die Fassade sieht aus wie neu. Die Hecke ist gestutzt. Und die Leuchtreklame hat den ersten Test hinter sich. Eines der bekanntesten Häuschen Pinnebergs erlebt gerade eine unerwartete Renaissance. Hier, direkt am Markt, kurz vor der Hochbrücke, entsteht neue Gastronomie. Genau dort, wo einst die wohl bekannteste Wirtschaft der Stadt war – der „Marktgraf“. Voraussichtlich im Spätsommer öffnen Benjamin Gadow und Madeleine Winkler ihren Laden namens „Frau Miller“. Hier ein erster exklusiver Blick hinter die Mauern.
Doch zunächst einmal ein Blick zurück: Denn noch vor wenigen Monaten sah es gar nicht gut aus für Pinnebergs Kult-Kneipenhäuschen am Markt. Mitte 2018 schien der Rotklinkerbau, der bis Mitte der 90er-Jahre manch durchzechte Nacht erlebt hat, dem Abriss geweiht. Ein Immobilienmakler pries das Grundstück seinerzeit an. Und zwar als „bebaubar“. Der städtische B-Plan 136 lasse den Abbruch des Ex-„Marktgrafs“ zu, hieß es. Denkbar sei an dem zentralen Standort mitten in der Innenstadt ein Bürogebäude oder ein neues Ärztehaus. Daraus wird erst mal nichts. Weil Gastronom Benjamin Gadow den Mut fasste, zu investieren. Einen Namen hatte das Projekt schnell – „Frau Miller“, wie eine Figur aus Schillers Drama „Kabale und Liebe“.
Zum Konzept hielten sich die beiden Betreiber bislang bedeckt. Jetzt geben sie einiges preis. „Wir werden etwa 30 Sitzplätze haben, im Sommergarten kommen bis zu 100 Plätze hinzu“, sagt Gadow. Bei den Speisen werde auf Regionalität geachtet. „Und wir werden nachmittags Kaffee und Kuchen anbieten.“ Im September soll „Frau Miller“ an den Start gehen. „Ein genauer Termin ist schwer zu nennen, weil es fast täglich neue Überraschungen gibt“, sagt Gadow mit Blick auf den Umbau. Es gebe eben „vieles, mit dem man nicht rechnet, wenn man Gastronom und kein Ingenieur, Beamter oder Schankanlagen-Techniker ist“. Doch dort, wo Neues entsteht, muss erst mal Altes weichen. Was aussortiert wird, landet in einem großen Müllcontainer. Drinnen bei „Frau Miller“ sieht es schon aus, als könnten die Gäste bald kommen. Von der Decke baumeln Glühbirnen unter Weckgläsern, im Regal überm hölzernen Tresen stehen Flaschen. Die Zapfanlage glänzt, einige der Barhocker sind noch mit Folie geschützt.
Über neue Entwicklungen halten die Betreiber ihre Fans bei Facebook auf dem Laufenden. Für Kenner der Pinneberger Kneipenlandschaft ist Benjamin Gadow kein Unbekannter. Er führt seit einigen Jahren die Begas-Bar im Pinneberger Stadtteil Quellental, eine klassische Eckkneipe, in der auch geraucht werden darf. Der Laden gilt als eine der wichtigsten Adressen für Fußballfans, die dort gemeinsam Spiele des HSV und des FC St. Pauli schauen. Auch im Quellental geht es künftig weiter. „Da ändert sich nichts“, sagt Betreiber Gadow. Im „Frau Miller“ wird es allerdings sicher etwas ruhiger und gediegener zugehen. Und im Gegensatz zum bodenständigen Interieur der Begas-Bar auch etwas schicker.
Und wie schaut es ein paar Kilometer weiter aus, wo Clemens und Torben Wolpers gerade dabei sind, eine Brauerei nebst Gastronomie zu eröffnen? Ursprünglichen Plänen zufolge sollte ja längst Craft-Beer aus den Hähnen strömen. Doch da haben die Brüder ihre Rechnung ohne die Handwerker gemacht, deren Auftragsbücher bekanntlich voll sind. „Lange haben wir auf den September gesetzt“, sagt Clemens Wolpers. So langsam werde aber klar, dass das nach seiner Großmutter Ida benannte Brauhaus an der Oeltingsallee wohl erst im Oktober an den Start gehen könne. Es seien noch Genehmigungen einzuholen, die erst dann erfolgen könnten, wenn die Bauarbeiten tatsächlich abgeschlossen seien. Eine weitere neue Gaststätte hat bereits geöffnet und bereichert Pinnebergs Gastroszene vor allem mit regelmäßigen Konzerten. Im „Barcode Live“ am Bahnhof gibt Gastronomin Betty Behrend auch jungen Künstlern eine Chance.
Zurück zum ehemaligen „Marktgraf“. Für das keine Häuschen an der Friedrich-Ebert-Straße ist es nicht der erste Neubeginn. 2010 hatte Manuela Knop dort ihr im Landhausstil eingerichtetes Restaurant „Edelweiss“ mit Biergarten eröffnet. Nach verheißungsvollem Beginn gingen rund sieben Jahre später die Lichter aus. Das kleine Häuschen am Markt darf trotzdem weiterleben. Weil sich Retter gefunden haben.