Pinneberg. Der 36-Jährige tritt Amt als Pinnebergs erster hauptamtlicher Stadtrat am 2. September an. Was er sonst noch plant.

Stefan Bohlen ist mit seinem Elektro-Smart zum Abendblatt-Gespräch gekommen. Er bezieht Öko-Strom, er geht gern segeln und hat sich vor Kurzem auch ein Kajak gekauft: „Mal sehen, wo im Kreis Pinneberg ich damit fahren kann, wenn ich mal Zeit dafür habe“, sagt er. Bohlen tritt am 2. September seinen Dienst als hauptamtlicher Stadtrat in Pinneberg an. CDU, Grüne und FDP hatten ihn vor der Sommerpause gewählt, die SPD kräftig dagegen geschimpft. Vergangenen Freitag wurde der 36-Jährige vereidigt.

Mit den Gedanken ist der neue Stadtrat oft schon in Pinneberg. Im Rathaus wird er ein Büro gegenüber der Bürgermeisterin Urte Steinberg beziehen, weil kurze Wege den Austausch erleichtern. Seine Tür will Stefan Bohlen offenlassen, ansprechbar und nahbar sein für alle Kollegen. Schließlich wird er künftig zuständig sein für den inneren Service, den Bürgerservice (und damit für die Digitalisierung), den Kommunalen Servicebetrieb und den Bereich Abwasser.

Am engsten wird der bärtige junge Mann mit der Bürgermeisterin zusammenarbeiten. Er findet, dass sie und er sich gut ergänzen: „Frau Steinberg hat im Management und in der Projektarbeit sehr viel Erfahrung, wovon ich zu lernen habe. Ich bringe dagegen die langjährige Verwaltungserfahrung mit“, sagt er.

Das ist aber nicht alles. Was die SPD ihm vorwirft, nämlich dass er bislang im höheren Dienst keine Erfahrung vorzuweisen habe, sieht er anders: „Ich übe Tätigkeiten aus dem höheren Dienst in unterschiedlichen Funktionen schon seit rund drei Jahren aus.“ Im Amt Nordsee-Treene mit knapp 26.000 Einwohnern und 27 Gemeinden hat er die Leitung über mehr als 80 Mitarbeiter gehabt. Das allerdings nur anderthalb Jahre.

Zur Person


Stefan Bohlen wurde 1982 in Wilhelmshaven geboren. Nach dem Abitur absolvierte er den Zivildienst beim Rettungsdienst Friesland. Von 2004 bis 2009 studierte er Medizin am Universitätsklinikum Eppendorf, wurde 2008 Rettungssanitäter.


2009 begann er mit dem Studium Public Management an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, das er 2012 abschloss. Er arbeitete danach im Personalservice der Hamburger Schulbehörde, war 2016 persönlicher Referent der Sozialdezernentin, kam 2017 in leitender Position ins Bildungsministerium in Kiel und wechselte 2018 ins Amt Nordsee-Treene.Bohlen lebt mit seiner Familie in Hamburg.


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Er hat aber schon vor seinem Studium des Public Management (früher Diplom-Verwaltungsdienst) in Hamburg einiges ausprobiert, was davon zeugt, dass er ein Mensch mit ethischen Überzeugungen ist, der im Team arbeiten möchte. Nach der Schule hat er eine Ausbildung zum Rettungsassistenten gemacht, er war Ortsgruppenführer bei den Johannitern und studierte, bevor er sich für den öffentlichen Dienst entschied, fünf Jahre Medizin am Hamburger Universitätsklinikum. Warum er dann noch mal von vorn anfing? „Der Beruf hat mich nicht so erfüllt, wie ich mir das erhofft hatte.“

Bei Bekannten hatte er mitbekommen, „dass der öffentliche Dienst nicht mehr so verstaubt ist wie früher, sondern vielfältig. Und dass ich mit so einer Ausbildung so gut wie alles in allen Bereichen machen kann.“

2012 war er damit fertig, arbeitete dann im Personalservice für Hamburger Stadtteilschulen, im Dezernat für Soziales, Jugend und Gesundheit und dann für ein Jahr im Bildungsministerium in Kiel. Im Mai 2018 wurde Leitender Verwaltungsbeamter im Amt Nordsee-Treene. Die ehrenamtliche Politik kennt Bohlen auch aus eigener Erfahrung: Von 2014 bis 2018 war er Bezirksabgeordneter in Eppendorf-Hoheluft-Ost, wo er „etwas bewegen“ wollte.

„Ich wollte immer etwas zur Gesellschaft beitragen und war von Anfang an ein politischer Mensch“, sagt Bohlen. So kam es, dass er in die CDU eintrat: „Ich hatte viele Freunde, die in der CDU waren, und in Hamburg ist die Partei sehr sozialliberal. Den Gedanken von Menschlichkeit und der Schaffung einer Gesellschaft, die zusammenhält, finde ich sehr wichtig.“ Seine CDU-Mitgliedschaft, vermutet er, habe auch zum Unmut der Pinneberger SPD beigetragen, „aus parteipolitischem Kalkül kann ich das sogar verstehen“, sagt er. „Ich gehe da aber entspannt ran und freue mich auf die konstruktive Sacharbeit mit allen demokratischen Parteien im Sinne Pinnebergs. Zudem betrachte ich mich in meiner Amtsführung als überparteilich.“ Seine Erfahrungen in der Politik werden ihm vermutlich weiterhelfen. Nachtragend, das sei er nicht. Und die Ärmel, die hat er schon hochgekrempelt.

Nun muss ihm vieles gelingen, damit die Kritik verstummt. Ein gutes Klima will Bohlen schaffen, mit flachen Hierarchien führen, denn „mit einem autokratischen Führungsstil erreicht man weniger, als wenn man auf Menschen zugeht.“ Die Ergebnisse, das weiß auch Bohlen, müssen natürlich stimmen.

Ein großes Problem: Personalmangel. Gute Leute seien aber nicht hauptsächlich über die Bezahlung zu finden. Auch über weiche Faktoren wie Teilzeitangebote, Teambuilding und die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, könnten junge Menschen für Verwaltungsjobs gewonnen werden. „Die Digitalisierung ist dafür ein Schlüssel“, sagt er. Denn nicht nur Bürger profitierten davon, sondern sie mache auch die elektronische Aktenführung von zu Hause aus möglich.

In Pinneberg ist das bis jetzt Zukunftsmusik. Um die Digitalisierung voranzutreiben, will Bohlen einen Digitalmanager einstellen, für die beschleunigte Umsetzung politischer Beschlüsse ein Qualitätsmanagement installieren. Auf lange Arbeitstage macht er sich gefasst. Er will schließlich mal wieder viel bewegen, sagt dazu: „Das macht doch den Reiz aus.“