Elmshorn. Die Problemlagen werden immer komplexer, die Gespräche dauern immer länger. Beratungsstelle bezieht deshalb neue, doppelt so große Räume.
Die meisten Kartons sind ausgepackt. Die Broschüren liegen im Regal, die Fachliteratur ist thematisch sortiert, das erste Frauencafé fand in den neuen Gruppenräumen statt. Nach 20 Jahren in der Kirchenstraße hat der Frauentreff Elmshorn sein neues Quartier An der Bahn 1 bezogen. Es bietet mit 230 Quadratmetern fast doppelt so viel Platz wie die alten Räume. „Wir mussten raus, weil wir gewachsen sind“, sagt Nicola Repnow, eine von vier Beraterinnen des Frauentreffs. Es gab zu wenig Büros, und das internationale Kulturcafé wurde so gut besucht, dass es zu laut wurde, um sich unterhalten oder inhaltlich arbeiten zu können. „Jetzt haben wir Platz für größere Gruppen und separate Zimmer für die Kinderbetreuung“
Der Frauentreff Elmshorn ist Beratungsstelle und ein Treffpunkt für Frauen. Hier erhalten Frauen und Mädchen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen und Notlagen Unterstützung. Die Einrichtung ist ein Treffpunkt für (Selbsthilfe-)Gruppen, Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt, Essstörungen, Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen, bietet regelmäßige Gruppentreffen zu unterschiedlichen Themen, Seminare zu unterschiedlichen Problemen sowie Beratungsangebote – etwa die Berufsberatung, Schwangerschaftskonfliktberatung. Die Beratungen sind kostenlos, anonym, parteilich und unterliegen der Schweigepflicht. 375 Beratungsfälle und 1152 Beratungen registrierten die Mitarbeiterinnen im vergangenen Jahr. Hinzu kommen 281 Fälle dazu mit insgesamt 442 Schwangerschaftsberatungen. 748 Frauen nutzen Angebote wie Yoga, Handwerkskurse oder Achtsamkeitsseminare. „Die Zahlen ähneln denen der Vorjahre“, so Repnow. „Allerdings werden die Problemlagen immer komplexer, und wir brauchen mehr Zeit, um den Frauen zu helfen.“ So müssen beispielsweise zunächst Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede überwunden werden. Das Thema Gewalt ziehe sich allerdings durch alle sozialen Schichten.
„Wir spüren eine Zunahme konservativer Kräfte. Insbesondere junge Frauen nehmen verstärkt die traditionelle Rolle der Frau ein, lassen sich in der Beziehung vorschreiben, wie sich sich zu kleiden und zu benehmen haben“, sagt Jutta Orzegowski. „Wir beobachten auch eine Tendenz zum Kopftuch.“ Einige Migrantinnen seien ohne Kopftuch nach Deutschland gekommen, würden jetzt aber wieder ihr Haar darunter verbergen. Andere Migrantinnen würden es strikt ablehnen. Orzegowski möchte bei den Frauen eine Diskussion anstoßen, über das Für und Wider sprechen. Denn offenbar birgt das Thema Zündstoff.
1987 gründete sich der Verein Frauen helfen Frauen in Not mit dem Ziel, ein Frauenhaus aufzubauen. Mitglieder des Vereins führten ehrenamtlich die ersten Beratungsgespräche telefonisch von zu Hause aus durch. 1988 wurde der Frauentreff an der Königstraße gegründet. Es wurden vier ehrenamtlich besetzte Sprechzeiten organisiert und Selbsthilfegruppen ins Leben gerufen, zum einen für Alleinerziehende, zum anderen die Gruppe „Wenn Frauen zu sehr lieben“. Schnell wurde klar, dass die anfallenden Arbeiten mit einer rein ehrenamtlichen Besetzung nicht mehr zu leisten war. So wurde 1989 eine ABM-Stelle mit 30 Stunden beantragt und auch bewilligt, die Karina Sahling innehatte. Sie blieb dem Frauentreff bis heute treu. Ehrenamtliche Unterstützung gab es weiterhin. Die Öffnungszeiten wurden erweitert, es gab immer mehr Gruppen, und zum Teil wurden Honorarkräfte eingesetzt.
Neu im Programm des Frauentreffs
1989 wurde der Frauentreff Elmshorn gesetzlich anerkannte Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle. 1991 erfolgte der Umzug an die Adresse Vormstegen 25. 1992 wurde aus der ABM-Stelle eine feste Stelle, die später sogar in eine Vollzeitstelle umgewandelt wurde. „Seit 1999 waren wir dann in der Kirchenstraße“, sagt Nicola Repnow.
Seit 2004 ist die polizeiliche Wegweisung im Landesverwaltungsgesetz verankert. In Schleswig-Holstein kann die Polizei einen gewalttätigen Partner mit sofortiger Wirkung der Wohnung verweisen. Im Landesverwaltungsgesetz ist geregelt, dass die Polizei die Daten des Opfers an eine anerkannte Beratungsstelle übermitteln muss. Der Frauentreff und die Frauenberatungsstelle in Pinneberg erhalten seither Meldungen durch die Polizei in Fällen häuslicher Gewalt und bieten daraufhin der betroffenen Frau aktiv Beratung an.
Die 2017 von der alten Landesregierung um 2,1 Millionen aufgestockten Mittel für den Gewaltschutz wurden zum großen Teil für die personelle Verstärkung der Frauenberatungsstellen verwendet. Der Frauentreff Elmshorn konnte damit die Stunden der neuen Mitarbeiterin Jutta Orzegowski erhöhen. Sie ist für die Beratung bei Schwangerschaftskonflikten und für die allgemeine Frauenberatung zuständig. So kann der erhöhte Bedarf unter anderem durch den Mehraufwand für die Beratung von geflüchteten Frauen und Migrantinnen aufgefangen werden.
Zudem erhöhte der Kreis für dieses Jahr die Zuwendungen für die Beratungsstelle, sodass eine Teilzeitkraft für Prävention und Schwangerenberatung eingestellt werden konnte.