Pinneberg/Nordoe. Im Naturschutzgebiet Nordoe soll stark gefährdete Zauneidechse wieder heimisch werden. Jetzt wurden die ersten Tiere in die Freiheit entlassen.
Am Ende gibt es doch noch Eidechsenwetter – Zauneidechsenwetter, um genau zu sein. Denn nachdem es anfangs regnerisch und bedeckt war und zehn kleine, wärmeliebende Reptilien entsprechend träge in ihrer Transportbehausung, einer Tupperbox, herumschlichen, kommt pünktlich zu ihrem großen Auftritt die Sonne hervor. Nur sie haucht den Minidrachen Leben ein. Und während sich die ersten Freigänger noch schwerfällig durchs hohe Gras kämpfen, presst sich die zweite Welle der jungen Zauneidechsen schon agil und zielstrebig an einen alten, dunklen Baumstamm. Jeder wärmende Strahl – ein kleiner Energieschub. Kurz danach sind zehn Tiere nicht mehr zu sehen. Sie sind angekommen in ihrer neuen Heimat.
Es ist Donnerstag, 14 Uhr, im Naturschutzgebiet Nordeo, einer Binnendüne am nördlich Rand des Kreises Pinneberg. Neben Naturschützern und einer Delegation des Tierparks Hagenbeck bilden Fernseh- und Zeitungsvertreter einen hübschen Kreis , um eine der wohl ungewöhnlichsten Auswilderungen in Schleswig-Holstein zu begleiten. Zehn junge, von Hand aufgezogene Zauneidechsen werden hier in die Freiheit entlassen. Am Freitag folgen 16 weitere. 50 sollen es in diesem Jahr insgesamt werden.
Hintergrund der aufwendigen Aufzucht und Auswilderung ist, dass die Bestände der Zauneidechse in Schleswig-Holstein wegen zunehmenden Lebensraumverlusts stark rückläufig sind. In Deutschland steht die Art auf der Roten Liste. Auch in der aktuellen Fassung ist ihr Status „stark gefährdet“, sagt Janis Ahrens, der das Auswilderungsprojekt bei der Stiftung Naturschutz leitet.
In den Regionen Birk, Holnis oder eben Nordoe, den eigentlichen Lebensräumen der raren Tiere, konnten trotz intensiver Suche keine Vorkommen der Zauneidechse mehr gefunden werden. Deshalb hilft die Stiftung dem Lauf der Dinge etwas auf die Sprünge, kauft geeignete Flächen, richtet sie als Lebensraum her und siedelt junge, von Menschenhand aufgezogene Reptilien wieder an. In Nordoe sollen die nun ausgewilderten Zauneidechsen eine neue, überlebensfähige Population gründen. Insgesamt werden dafür in drei Folgejahren etwa 150 Tiere unterschiedlicher Generationen ausgesetzt.
Beachtung fand dieses außergewöhnliche Projekt auch in Hagenbecks Tierpark. Dessen Reptilienexperten Guido Westhoff und Florian Plötz waren nach einem Impulsvortrag von Janis Ahrens so angetan von dem Arterhaltungsprogramm vor den Toren Hamburgs, dass sie bei einer Weiterbildung dafür sammelten. Wegen der finanziellen und inhaltlichen Unterstützung durften beide bei der Auswilderung dabei sein. „Ein schöner Synergieeffekt“, sagte Westhoff. „Während unsere Tiere exotische Botschafter sind, zeigen diese Tiere, wie toll ein Spaziergang in der Heimat sein kann.“ Deshalb stehe der Tierpark gern hinter diesem lokalen Arterhalt.
Schon im vergangenen Sommer wurden etwa 40 Jungtiere in der Geltinger Birk ausgewildert. Möglich macht dies der europäische Schutzstatus der Zauneidechsen. Mithilfe des EU-Projekts „Frosch und Freunde“ setzt sich die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein in sogenannten „Natura 2000 Gebieten“ seit vier Jahren dafür ein, den Artenrückgang zu stoppen. Mit europäischen Naturschutzgeldern kümmert sich das Team um neue Lebensräume in der angestammten Heimat der Tiere. Gefährdete Arten wie die Rotbauchunke, die Wechselkröte, die Kreuzkröte oder eben die Zauneidechse stehen im Fokus der Naturschützer. Von den 15 in Schleswig-Holstein heimischen Reptilien- und Amphibienarten gelten elf als gefährdet.
Die Zauneidechse gehört mit einer Länge von 20 bis 25 Zentimetern zu den größten Reptilienarten in Schleswig-Holstein. Beide Geschlechter von Lacerta agilis sind an den hellen Rückenstreifen, Augenflecken und der braunen Grundfarbe zu erkennen. Wie so oft im Tierreich sind es aber die Männchen, die vor allem in der Paarungszeit im Frühjahr einen leuchtenden Grünton produzieren, um schillernder zu wirken.
Zauneidechsen sind durchaus auf von Menschenhand geschaffene Lebensräume angewiesen und gleichermaßen an trockenen Waldrändern, Bahndämmen oder Heideflächen zu finden. Auch Dünen, Kiesgruben oder Wildgärten werden von ihnen besiedelt. Grundsätzlich brauchen die Tiere die Sonne als Energiespender, deshalb ziehen sie in Norddeutschland „wärmebegünstigte Standorte“ vor, an denen sie von März bis Oktober sichtbar sind. Im Winter ziehen sich die Tiere zurück.